Nena in Saarbrücken Die 99 Luftballons haben noch genug Luft

Saarbrücken · Nena hat am Freitagabend in Saarbrücken ein Konzert gegeben – und nebenbei, so viel Zeit muss sein, für die Legalisierung von Cannabis plädiert.

 Nena am Freitagabend in Saarbrücken.

Nena am Freitagabend in Saarbrücken.

Foto: Oliver Dietze

An dieser Frau geht das Alter offenbar vorbei, jedenfalls sieht es so aus. Je näher Nena an die 60 rückt – im kommenden Jahr ist es soweit – desto rockiger, fetziger, aufgedrehter wird sie. Noch im vergangenen Jahr spielte das Power-Paket in der Saarlandhalle ein mitreißendes Konzert. Den Auftritt am Freitag gab es in kleinerer Besetzung, aber dafür noch ein wenig rocklastiger als im Herbst. Auf allzu viele ihrer schönen Balladen hatte Nena dieses Mal keine Lust, ihr stand der Sinn mehr nach Party. Und die lieferte sie bestens gelaunt, zuweilen launig – zwei Stunden lang bei schönstem Sommerabendwetter. Der Platz vor der Congresshalle bietet eine wunderbare Kulisse für diese Open-Airs.

Warum sie dabei immer wieder ins Englische verfiel, wenn sie ihr durch und durch deutsches Publikum ansprach, bleibt ein Rätsel. Kein Satz ohne das F-Wort – das war dann doch eher „fucking uncool“. Und auch ihr schräges, wenn auch nachvollziehbares Plädoyer für die Legalisierung von Cannabis wirkte eher so, als hätte sie vorher was geraucht. Ansonsten lieferte sie einen gewohnt souveränen Auftritt, der mit einer fetzigen „Nur geträumt“-Version Ton und Tempo vorgab. Acht wilde Nena-Musiker und eine Background-Sängerin unterstützten die Show ihrer Chefin im Rockerstil, Gitarrenakrobatik inklusive. Auch Nena griff mehrfach in die Saiten, akustisch und elektronisch. Sie ist eine Vollblut-Musikerin, und man spürt ihre Bühnenerfahrung und ihren nach wie vor großen Spaß am großen Auftritt. Das Bad in der Menge auf der Mini-Bühne im Publikum ist dabei Programm.

Und das Publikum? Es hat mehrheitlich die 50-Plus-Grenze schon überschritten und ist der Heldin der eigenen Jugendzeit ungebrochen treu. „Wir können bald einen Seniorenclub aufmachen“, scherzte Nena, die in einem solchen Club aussähe wie ein Teenie unter Erwachsenen. Sie kann sicher sein, ihre Fans hätten nichts dagegen, nach dem Motto „Ich geh mit Dir, wohin du willst…“. Und sie sind ungebrochen textsicher, auch bei den wenigen neueren Titeln, die die Hamburgerin  spielte. Ein Nena-Konzert ist eben eine große Mitsing-Party. Und doch hat es Nena drauf, nicht allzu viel Nostalgie aufkommen zu lassen und damit ihrem eigenen Anspruch zu genügen, auch nach 40 Jahren Neues zu wagen und nicht allein von der erfolgreichen Vergangenheit zu zehren. So re-coverte sie im Zugaben-Set mit viel Ironie Jan Delays Version ihres eigenen Hits „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“, der heute viel rockiger klingt als vor 35 Jahren.

Nein, Nena hat das alles nicht „nur geträumt“. Sie hat es geschafft, auch nach 40 Jahren noch (oder wieder) im Geschäft zu sein. Ihre „99 Luftballons“, sie fliegen immer noch. Exzentrik? Gequassel? Aufgedrehtheit? Klar. Sonst wär’s ja nicht Nena! Ihre Konzerte lassen wohltuenden Raum für Improvisation und Spontaneität, sind keine  perfekt durchgestylten Nummern-Revuen, wie man sie bei ihren jungen Kolleginnen leider zu häufig geboten bekommt. Nena rockt. Hoffentlich noch lange.

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