Zeitungsmuseum Wadgassen Prominenz in Serie bei der „Bild“

Wadgassen · Prominente wurden bei der „Bild“ von Chefredakteur Diekmann auf die Couch gesetzt und fotografiert. Was passierte da? Das zeigt das Zeitungsmuseum in Wadgassen in 175 Porträt-Fotografien. Eröffnung ist am Freitag.

Thomas Gottschalk, 2006 fotografiert von Meike Wirsel auf der berühmten Kai-Diekmann-Couch.

Thomas Gottschalk, 2006 fotografiert von Meike Wirsel auf der berühmten Kai-Diekmann-Couch.

Foto: Axel Springer SE, Berlin/Meike Wirsel

Ist das Kunst oder soll das ins Altpapier? Das soll sich mancher Vernissage-Besucher der Rostocker Kunsthalle im Januar gefragt haben. Museumschef Jörg-Uwe Neumann hatte Mut – oder vielleicht nur Lust auf viel Rummel – , als er sich die Promi-Fotos der „Bild“-Zeitung ins Haus holte. Denn nein, das ist eindeutig keine Foto-Kunst, was man jetzt auch in Wadgassen sehen kann: 175 Mal „Menschen im Chefbüro bei Bild“, wo zwischen 2001 und 2015 Kai Diekmann saß, selbst Teil des VIP-Kosmos. Vor seiner Tür: ein unspektakuläres schwarzes Sofa, darüber ein Gemälde von Jens Lorenzen; es zeigt das „Bild“-Logo. Alle prominenten Gäste wurden dem Vernehmen nach im Anschluss an ihre Interviews um ein spontanes Posieren auf der Couch gebeten. Pressefotografen wie Jens Koch, Peter Müller oder Wolf Lux lichteten sie ab, offensichtlich ohne höheren Anspruch. Informationen dazu fehlen in der Ausstellung.

Unter dem gemalten „Bild“-Marken-Zeichen waren die Berühmten offensichtlich alle gleich, die Gorbatschows und Pamela Andersons, die Nico Rosbergs, Steven Spielbergs und Bradley Coopers dieser Welt. Für sie alle galt und gilt das eherne Gesetz der auflagenstärksten deutschen Tageszeitung: Prominenz ist Geschäft, auch wenn sie abstürzt. Das Phänomen „Bild“ allein wäre wohl eine Ausstellung im Zeitungsmuseum wert. Direktor Roger Münch brauchte jedenfalls keinen Mut, die Rostocker „BildRaum“-Ausstellung einzukaufen,  denn just in sein Haus gehört sie nun wirklich, in ein Museum, das sich mit Kommunikationsprozessen beschäftigt. Jedoch hätte Münchs Team durchaus mehr an Ergänzung liefern können als die wenigen im Foyer platzierten  „Bild“-Original-Exemplare aus dem eigenen Depot. 

In der eigentlichen „Bildraum“-Ausstellung schreitet der Besucher eine Riesen-Parade immer gleicher Din-A4-Hochformate ab, die meisten Prominenten sitzen artig, die wenigsten nutzen die Chance zur gezielten Selbstinszenierung. Anders als in Rostock, wo die Masse wie ein Mosaik in Petersburger Hängung arrangiert war, entsteht in Wadgassen der Eindruck eines seriellen Kunstwerks. Innere Logik? Keine. Der Ex-Kanzler hängt neben Film-Sternchen, der Top-Fußballer neben dem Vorstandschef.

Lady Gaga, 2013. Sie soll meditiert haben, bevor das Foto  entstand.

Lady Gaga, 2013. Sie soll meditiert haben, bevor das Foto  entstand.

Foto: Axel Springer SE, Berlin

Ja, so ist das bei der „Bild“: Glamour ist Glamour ist Auflage und Reichweite, eine Wertung der Lebensleistung erübrigt sich. Folgerichtig erfährt man auch nichts über Funktion oder Alter der Prominenten. Aber die kennt man doch?! Na klar. Bundeskanzlerin Angela Merkel, ungewöhnlich verschmitzt, die Grüne Renate Künast im Kampfmodus, Keanu Reeves verträumt.  Doch Oliver Bäte, Jeff Kinney, Franziska Knuppe? Man sollte sein Handy zum Googeln mitführen. Puristisches Konzept hin oder her: Vertiefende Infos hätten der Ausstellung gut getan.

 Gleichwohl bietet sie viel, zumindest jenen, die gerne Charaktere lesen. Denn selbstredend laden die Fotos dazu ein, die Sitzpositionen und Gesten psychologisch zu deuten. Da ist Frank-Walter Steinmeier (SPD) 2011, damals noch Oppositionsführer, aber bereits so jovial, wie man ihn heute als Bundespräsidenten kennt. US-Schauspieler Wesley Snipes (2016) umfasst mit seinen  mächtigen Armen nahezu das gesamte Sofa. Filmreife Pose? Wohl eher der wahre „Fang ja keinen Krach mit mir an“-Typ. Auch Christo lohnt den zweiten Blick. Wie ein verschrobener Professor drückt er sich aus der Bildmitte, und David Garrett verschwindet unter einem Kapuzen-Shirt. Er überlässt seiner Geige den Star-Platz auf dem Sofa. Intime Momente? Nicht wirklich. Doch zumindest geht ab und zu ein Fenster auf zu dem, was den ganz großen Star-Fotografen Peter Lindbergh interessierte, „diese gewisse Wirklichkeit hinter der Fassade“.

Bis 15. September. Eröffnung  Freitag, 18 Uhr, mit Kai Diekmann. Geöffnet Di-So 10 bis 16 Uhr.

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