Musikfestival Colmar Wenn Colmar wieder in russischer Hand ist

Colmar · Seit Jahrzehnten bestimmt der russische Dirigent Vladimir Spivakov das Musikfestival von Colmar. Dieses Jahr ehrt er seinen großen Kollegen Claudio Abbado.

 Der Chef im Mittelpunkt: Festivalleiter Vladimir Spivakov dirigiert in Colmar.

Der Chef im Mittelpunkt: Festivalleiter Vladimir Spivakov dirigiert in Colmar.

Foto: Berbard Fruinsholz/Festival Colmar/Bernard Fruinsholz

Irgendwie ja auch ganz schön pikant, diese Franzosen. Beim Musikfestival in Colmar pflegt man die gute Tradition, Jahr für Jahr einen anderen Musiker von Format zu ehren. Dieses Jahr – die Festspiele starten am 4. Juli und enden am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli – hat Festivalchef  Vladimir Spivakov den Großdirigenten Claudio Abbado auserkoren. Der 2014 verstorbene Mailänder zählte noch zu den Pultgöttern des 20. Jahrhunderts. In seiner Heimatstadt war er Chefdirigent der Scala, gab beim Londoner Sinfonieorchester den Takt vor, wie auch im Graben der Wiener Staatsoper; er dirigierte die Wiener Philharmoniker auch im Konzertsaal immer wieder. Nicht zu vergessen: Chef der Berliner Philharmoniker war er überdies noch; und damit hat man erst einen Bruchteil seines Wirkens gestreift.

Dass der oft als Meister des Pianissimo hoch Gerühmte zudem auch viele Musiker inspirierte, steht wohl außer Frage. Eine gute Wahl für eine Hommage also. In Colmar würdigt man ihn nun, indem man sozusagen die Familie verpflichtet hat. Sein Sohn, Misha Mullov-Abbado und dessen Mutter Viktoria Mullova, werden zu Gast sein.

Mullova, eine echte Grande Dame der Geige, hat mit fast allen Orchestern von Weltruf bereits konzertiert. Mit Abbado war die gebürtige Russin „fünf wunderbare Jahre“ liiert, wie sie selbst mal bekannte. Die Leidenschaft klang dann aber doch in Moll aus – und so ganz und gar nicht pianissimo. Für seinen Sohn hatte Abbado nämlich erst Mal keine Zeit. Trotzdem konnte der Filius, mit gleich zwei solch’ klingender Namen gesegnet, wohl gar nicht anders als Musiker werden. Und heute ist er der ganze Stolz der Mamutschka, erzählte die neulich in einem Interview. Bloß, wenn er hätte Geige spielen wollen, dann hätte sie wohl „niet“ gesagt. Misha griff aber von sich aus zur ganz großen Geige, dem Kontrabass. Und brachte auch in puncto Stil zwischen sich und die Eltern etwas Distanz: Mullov-Abbado ist ein herausragender Jazzer geworden. Mutter und Sohn werden am 10. Juli, 12.30 Uhr, im historischen Koïfhus in Colmar gemeinsam auftreten. Passend mit Musik aus ihrer beiden Welten: Bach, Schumann aber eben auch Jazzstandards. Am Tag zuvor, dem 9. Juli (21 Uhr) präsentiert sich die Mullova dann auf vertrautem Terrain: mit Schostakowitschs Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 an der Seite der russischen Nationalphilharmonie unter Andey Boreyko.

Die Nationalphilharmonie ist übrigens so etwas wie das Hausorchester des Festivals im Elsass. Ohnehin könnte man das „international“ vor dem Musikfestival getrost durch „russisch“ ersetzen. Der langjährige Festspielchef, der Geiger und Dirigent Vladimir Spivakov, lädt schließlich mit Vorliebe Kollegen aus der alten Heimat ein. Dann ist Colmar für zwei Wochen fest in russischer Hand. Und Spivakov eröffnet konsequenterweise den Konzertreigen am 4. Juli auch mit der Russischen Nationalphilharmonie in der Kirche Saint Matthieu – mit Beethovens Siebter und dem Klavierkonzert Nr.5 (Solist: Alexandre Romanovsky).

Die Pianisten sind auch einmal mehr eine Bank bei den Sommerkonzerten in Colmar: Klavier-Titan Grigori Sokolov ist am 8. Juli mit einem Beethoven- und Brahms-Programm zu Gast, dazu Hélène Mercier (5. Juli) und Kit Armstrong (Kammerkonzert mit Renaud Capuçon am 7. Juli). Und die wunderbare Klarinettistin Sharon Kam wird am 5. Juli mit der Nationalphilharmonie Mozarts A-Dur Klarinettenkonzert spielen. Alleine das wäre ja schon Grund genug, sich nach Colmar aufzumachen. Wer noch mehr Gründe sucht, im Programm des Musikfestivals findet man reichlich davon.

 Sohn: Misha Mullov-Abbado folgte den Eltern und wurde Musiker. Er bevorzugt aber Jazz.

Sohn: Misha Mullov-Abbado folgte den Eltern und wurde Musiker. Er bevorzugt aber Jazz.

Foto: Festival Colmar
  Und Mutter: Geigerin Viktoria Mullova spielt in Colmar Schostakowitschs Violinkonzert.

Und Mutter: Geigerin Viktoria Mullova spielt in Colmar Schostakowitschs Violinkonzert.

Foto: Benjamin Ealovega/Festival Colmar/Benjamin Ealovega
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