Kultur-Jahresrückblick 2019 Kluge Kulturköpfe, bitte bewerben!

2019 ging es an der Saar nicht zuletzt um Kultur-Personalien: Nach der Leitung des Weltkulturerbes Völklinger Hütte wird nun ebenso gesucht wie nach einer neuen Saarbrücker Museumsleitung.

 Im August begann die „Pictures of Pop“-Reihe mit über 40 Ausstellungen, die sich mit nahezu allen Spielarten des Pop beschäftigte und nicht selten wohlig nostalgisch war – genau wie dieses Foto des Karl-Heinz-Kessler-Sextetts.

Im August begann die „Pictures of Pop“-Reihe mit über 40 Ausstellungen, die sich mit nahezu allen Spielarten des Pop beschäftigte und nicht selten wohlig nostalgisch war – genau wie dieses Foto des Karl-Heinz-Kessler-Sextetts.

Foto: Reinhold Busch

Für die Kultur an der Saar war 2019 vor allem ein Jahr der Personalien – was dröge klingt, aber doch Zündstoff hatte und hat, sind doch einige Fragen (und Posten) noch nicht geklärt. Am 25. November schallte es wie der sprichwörtliche Paukenschlag durch die saarländische Kulturlandschaft: Roland Mönig, seit 2013 Direktor des Saarlandmuseums und Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, bat um vorzeitige Auflösung seines Vertrags (der bis 2023 laufen sollte), um in seiner alten Heimat Nordrhein-Westfalen die Leitung des Von-der-Heydt-Museums in Wuppertal übernehmen zu können. Das tut er nun am 1. April 2020.

Der Dank des Kulturministeriums für Mönigs „Courage in schwierigen Zeiten“ (des 4. Pavillons) und dessen Replik – „gute, mit viel Energie erfüllte Jahre, an die ich immer gern zurückdenken werde“ – täuschen nicht darüber hinweg, dass die Besucherzahlen in Mönigs Amtszeit gesunken sind; auch wenn das kein Kriterium für die künstlerische Qualität einer Museumsleitung ist. Aber die neue saarländische Kultur- und Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD), die am 18. September auf ihren Vorgänger Ulrich Commerçon (SPD) folgte, wünscht sich eine Nachfolge, die die Museen der Stiftung (Saarlandmuseum, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Römische Villa Nennig, Deutsches Zeitungsmuseum Wadgassen) „mehr in Wert setzt“ und eine „Neuausrichtung“. Auf die darf man gespannt sein. Die Nachfolge Mönigs ist noch nicht geklärt, das Stiftungs-Kuratorium beschäftigt sich mit dem Anforderungsprofil.

Apropos Nachfolge. Die  ist auch bei einer der begehrtesten Stellen des Saarlandes noch nicht geklärt: die an der Spitze des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Dort saß und wirkte 20 Jahre lang Meinrad Maria Grewenig. Über vier Millionen Menschen besuchten in dieser Zeit das Areal, das er mit publikumswirksamen Ausstellungen bespielte; diesen „sehr niedrigschwelligen Kulturzugang“ (Grewenig) hat nicht jeder geschätzt, auch wurde Grewenig dafür kritisiert, dass das Leiden der Zwangsarbeiter in der Völklinger Hütte während des Zweiten Weltkriegs über lange Jahre kein Thema war im Programm; ebenso wenig wie die NS-Verstrickung des Hüttenbarons Hermann Röchling.

Als Grewenigs Vertrag 2019 auslief, bot der 65-Jährige dem noch amtierenden Kulturminister Commerçon an, seinen Vertrag als Generaldirektor zu verlängern. Der Minister lehnte das ab; über Grewenigs Programmpolitik und seine Kostenkalkulationen als Begründung der Absage wurde gemunkelt. Der Vertrag lief Ende Juni 2019 aus, seitdem hat das Weltkulturerbe keinen Direktor. Ausgeschrieben wurde die Stelle erst zwei Monate nach Grewenigs Abschied. Im Januar 2020 wollte das Ministerium die Nachfolge benennen, jetzt könnte es sich noch bis zur Jahresmitte hinziehen, wie Ministerin Streichert-Clivot Mitte Dezember mitteilte, bei einer Feierstunde zum 25. Jubiläum der Hütte als Unesco-Weltkulturerbe.

Da war und ist personell also einige Unruhe in der Kultur an der Saar – beruhigend wirkte da der Erfolg der etablierten Festivals: Im Januar feierte das Saarbrücker Filmfestival Max Ophüls Preis seine 40. Ausgabe mit einem famosen Jubiläumsjahrgang, der erneut die Bandbreite des bundesweit renommierten Nachwuchsfestivals zeigte:  eine launige Plauderstunde mit Til Schweiger, der Besuch des gefeierten Regisseurs Dominik Graf und der Hauptpreis für einen eigenwilligen, experimentellen Film („Das melancholische Mädchen“) – das passt bei Ophüls eben bestens zusammen und schürte die Vorfreude auf 2020. Zwei Ausgaben mehr als Ophüls haben die Perspectives auf dem deutsch-französischen Buckel: Ende Mai/Anfang Juni  bot das Festival wieder Bühnenkunst von dies- und jenseits des Rheins und zählte dabei über 16 000 Zuschauer, 18 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Am meisten diskutiert wurden dabei das Stück „Kamp“, in dem das Rotterdamer  Performance-Kollektiv Hotel Modern das Leiden im Vernichtungslager Auschwitz nachspielte,  und Lars Eidingers Solo-Auftritt mit dem schön betitelten Stück „Soll mir lieber Goya den Schlaf rauben als irgendein Arschloch“; als DJ im Festivalclub legte Eidinger auch noch auf, der Tausendsassa.

Die Kammermusiktage Mettlach haben derweil ihr erstes Jahr unter neuer Leitung erlebt: Nach 33 (!)  Jahren Leitung hatte Gründer Joachim Arnold (Musik & Theater Saar) den Stab weitergereicht an die Musikerin Franziska Hölscher; die ließ sogleich mit großen Namen wie Bratschist Nils Mönkemeyer und Schauspielerin Katja Riemann (beim „Karneval der Tiere“) frischen Wind durch die Sommerreihe wehen. Andere Reihen dagegen gaben ihren Abschied: Die 34. Ausgabe der Sommerszene war zugleich das Ende dieser Internationalen Straßentheatertage, geleitet von Charlie Bick und Marion Künster. Und nach 32 Jahren gingen die Saarbrücker Kammerkonzerte zu Ende.

Neu ist dagegen das für 2020 geplante Musikfestival, deren Leitungsduo sich im Oktober vorstellte: Nicole Johänntgen, international tätige Saxophonistin aus Quierschied, und der Jazzer/Festivalmacher Sebastian Studnitzky. Der etwas vage Festivaltitel: „Resonanzen“.

Rührige Kulturarbeiter abseits von Festivalglanz erhielten verdiente bundesweite Preise – so wurden etwa das Saarbrücker Kino Achteinhalb und die Kinowerkstatt St. Ingbert für ihre Programmarbeit vom Kinematheksverbund ausgezeichnet, nicht zum ersten Mal. Beim 5. Deutschen Buchhandlungspreis bekamen die Dillinger Buchhandlung Drachenwinkel, Buchhandlung und Antiquariat Hahn in Kirkel-Limbach, der Buchladen in Saarbrücken und die Saarbrücker Buchhandlung Raueiser Gütesiegel für ihre Arbeit – Raueiser veranstaltete auch die größte literarische Lesung im Saarland in diesem Jahr: mit Ulrich Tukur in der Saarbrücker Congresshalle. An vielen Orten des Saarlandes gab es Fotografien zu Rock, Pop und Chanson zu sehen, zu Nostalgischem und Neuem: Die „Pictures of Pop“-Ausstellungsreihe des Poprats Saar begann im August und läuft 2020 weiter.

  Die Göttin Hathor in  Völklingen: eines der  Stücke der Ausstellung „PharaonenGold“ im Weltkulturerbe.  Foto: Völklinger Hütte

Die Göttin Hathor in Völklingen: eines der Stücke der Ausstellung „PharaonenGold“ im Weltkulturerbe. Foto: Völklinger Hütte

Foto: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Archiv
 Christine Streichert-­Clivot (SPD) wurde am 18. September Ministerin für Bildung und  Kultur  des Saarlandes.  Foto: Oliver Dietze/dpa

Christine Streichert-­Clivot (SPD) wurde am 18. September Ministerin für Bildung und Kultur des Saarlandes. Foto: Oliver Dietze/dpa

Foto: dpa/Oliver Dietze
 Bergmannskunst Neunkirchen

Bergmannskunst Neunkirchen

Foto: Hendrik Beikirch
 Gartenfest des Perspectives-Festivals im Juni am Pingussonbau: Die Compagnie H.M.G. trotzt der Schwerkraft.

Gartenfest des Perspectives-Festivals im Juni am Pingussonbau: Die Compagnie H.M.G. trotzt der Schwerkraft.

Foto: Oliver Dietze
  Meinrad Maria Grewenig ist nach 20 Jahren nicht mehr Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Der 65-Jährige bot eine Vertragsverlängerung an, das Kulturministerium lehnte ab. Die Nachfolgesuche läuft.

Meinrad Maria Grewenig ist nach 20 Jahren nicht mehr Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Der 65-Jährige bot eine Vertragsverlängerung an, das Kulturministerium lehnte ab. Die Nachfolgesuche läuft.

Foto: BeckerBredel
  Susanne Heinrich gewann mit ihrem Film „Das melancholische Mädchen“ den Ophüls-Preis.

Susanne Heinrich gewann mit ihrem Film „Das melancholische Mädchen“ den Ophüls-Preis.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Mit einer traurigen Nachricht für die saarländische (und bundesweite) Kulturszene ging das Jahr 2019 zu Ende: Am 15. Dezember starb Christoph Mudrich im Alter von 59 Jahren; er war als  Jazzpianist, Komponist, Arrangeur, Dozent, Musikpädagoge und Bandleader bekannt und überaus beliebt.

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