Merzig Die fünf gelebten Säulen des Islam

Der Islamwissentschaftler Florian Jäckel referiert in der Jean-François-Boch-Schule in Merzig über Muslime und ihren Glauben.

 Florian Jäckel erklärt den Zuhörern eingehend die Regeln des Islams

Florian Jäckel erklärt den Zuhörern eingehend die Regeln des Islams

Foto: Tina Leistenschneider

Merzig (leis) Der Islam stellt für viele heute noch eine große Unbekannte dar. Dabei ist keine andere Religion derzeit so im Gespräch wie der Islam. Diverse Aspekte werden in der Öffentlichkeit betont, die in unserer Kultur vermeintlich problematisch erscheinen. Wieso diese Problematik nicht besteht, erklärte Florian Jäckel, Islamwissenschaftler aus Hamburg, vor kurzem in der Jean-François-Boch-Schule (BBZ) in Merzig.

Dort referierte Jäckel über das Thema „Mehr als Kopftuch und Koran“ und bot den interessierten Zuhörern einen breiten Blick auf die Facetten des muslimischen Glaubens. Der Veranstalter des Vortrags war die CEB Akadamie.

Florian Jäckel erklärte, dass die Regeln des Islams von religiösen Gelehrten aufgestellt werden, doch wie auch im Christentum ist es von Person zu Person unterschiedlich, wie gläubig man ist und inwieweit man danach lebt. Um das Wissen der fast 40 Besucher zu testen, hatte der Referent ein Quiz mit acht Fragen vorbereitet, die alle im Laufe des zweistündigen Vortrags beantwortet wurden.

Zunächst begann Jäckel mit den sechs Glaubensgrundsätzen, zu denen der Glaube an nur einen und allwissenden Gott, der Glaube an die Engel und die Schriften des Propheten, an seine Gesandten, den Tag des Gerichts sowie der Glaube an die Vorherbestimmung zählen. Insbesondere der Koran ist die wichtigste wörtliche Offenbarung Gottes (arabisch: Allah). Dieser beinhaltet ihm zufolge verschiedene Dimensionen, wie die Erzählungen von biblischen und außerbiblischen Figuren in teilweise anderen Erzählvarianten, die rechtliche Dimension, also den Koran als wichtige Quelle des Rechts, ohne ein Rechtstext zu sein, und die ästhetische Dimension.

In einer speziellen Reimprosa verfasst, besteht der Koran aus 114 Suren (Abschnitte), bemerkte der Islamwissenschaftler. Verfasst wurde der Koran vom Propheten Mohammed, der zwischen 570 und 573 in Mekka geboren wurde und ab 610 als Prophet auftrat. 622 erfolgte die Auswanderung (Hidschra) nach Medina, wo ein Gemeinwesen aufgebaut wurde, dessen Leitung Regeln bedurfte. Damit begann auch die Zeitrechnung des islamischen Glaubens.

Im nächsten Punkt wollte er von den Besuchern wissen, was sie mit dem Wort „Scharia“ verbinden. Die Antworten lauteten „Gottesstaat“, „Auge um Auge“, „harte körperliche Strafen“ und „Scharia-Polizei in Wuppertal“. Jäckel stellte dabei „einen Hang zum Negativen“ fest und berichtete von einer jungen Muslima, die damit Begriffe wie „Eltern respektieren“ und „ein guter Mensch sein“ assoziiert, wozu auch „nicht stehlen“ und „nicht lügen“ zählen.

Derweil definierte er den Begriff „Scharia“, was so viel wie „Weg zur Tränke“ bedeutet und das Ideal des religiösen Gesetzes des Islam darstellt. Die islamische Rechtswissenschaft, auch „Fiqh“ genannt, beinhaltet die religiösen Gesetze, nach denen eine Handlung eines Muslims nach religiösen Maßstäben gewertet wird. Eine Trennung zwischen weltlichem und religiösem Bereich kennt das Gesetz nicht.

Die Quellen für diese Rechtsfindung richten sich nach dem Koran und dem Konsens der frühen Gemeinde, den jeweiligen Interpretationen dieser Texte sowie den Rechtskategorien des menschlichen Handelns. Wie Florian Jäckel ausführte, unterteilt man dieses in „erlaubt“ (arabisch: halal) und „verboten“ (arabisch: haram). Darüber hinaus gibt es Handlungen, die zwar nicht verwerflich, aber nicht gerne gesehen sind. Faktisch entspricht die praktische Rechtsprechung nicht der theoretischen Rechtswissenschaft und ist individuell zu beurteilen.

Zu dem gelebten Glauben zählte der Referent die fünf Säulen des Islams, die das Glaubensbekenntnis, Beten, Fasten (Ramadan), Almosen und die Pilgerfahrt nach Mekka umfassen. Die Zwischenfrage, wie sich der Ramadan mit den Arbeitszeiten vereinbaren lässt, beantwortete Jäckel insofern, dass dort Einzellösungen zu finden sind. „Gläubige können den Ramadan nachholen oder ihren Urlaub dafür opfern“. Außerdem muss Kompromissbereitschaft und Verständnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeben sein. Das wichtigste Fest der Muslime ist das Opferfest, mit dem das Ende der Fastenzeit, also dem Ramadan, gefeiert wird.

Der politische Islam differenziert zwischen Islamismus, der Ideologie einer islamischen Gesellschaftsordnung und Politik, Dschihadismus, der Ideologie des Dschihad als bewaffnetem Kampf und individuellen Pflichten für jeden Muslim, und dem Salafismus, der die Idee zur geistigen Rückbesinnung auf die „Altvorderen“ anstrebt, also zum Islam vor dem Propheten zurückkehren will. Währenddessen merkte er an, dass der Selbstmord im Islam verboten ist und keine Zivilisten mit hineingezogen werden dürfen. Anders sehe es dann jedoch aus, wenn man im Kampf als Märtyrer stirbt. Auf diese Begründung berufen sich die Extremisten, wenn sie Selbstmordattentate durchführen.

Zuletzt blickte  Jäckel auf den Islam in Deutschland. Gerade durch die Flüchtlinge ist das Thema wieder präsent geworden. „Früher waren die Muslime die Türken und die Ausländer, heute sind es die Flüchtlinge“, hielt er fest. Dabei leben in Deutschland etwa fünf Millionen Muslime, was nur sechs Prozent der Bevölkerung ausmacht. Als Beispiel für ein harmonisches Miteinander erwähnte er die Moschee in Hamburg an der Außenalster, die 1953 errichtet wurde und ein Teil dieses Viertels ist. Dies gilt es seinen Worten nach auch in Deutschland zu erreichen, was durch mehr Verständnis und Offenheit möglich sein wird.

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