Saarbrücken Wählen ab 16? Alter Streit mit neuen Tönen

Saarbrücken · Die SPD erhöht den Druck auf den Koalitionspartner CDU und will das Thema im Koalitionsausschuss aufrufen. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

 Ministerpräsident Tobias Hans (CDU, links) will die Jugend stärker beteiligen. SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn (SPD) fordert ihn nun auf, den Weg für die Absenkung des Wahlalters frei zu machen.

Ministerpräsident Tobias Hans (CDU, links) will die Jugend stärker beteiligen. SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn (SPD) fordert ihn nun auf, den Weg für die Absenkung des Wahlalters frei zu machen.

Foto: BeckerBredel

In einer Sondersitzung wird sich der Landtag am Montag mit dem Wahlrecht beschäftigen. Er wird beschließen, dass am 26. Mai auch behinderte Menschen, die in allen Angelegenheiten einen Betreuer haben, bei der Europa- und Kommunalwahl abstimmen dürfen. Diese vom Bundesverfassungsgericht kürzlich erzwungene Gesetzesänderung ist, von Details der Umsetzung abgesehen, unstrittig. Eine Kontroverse könnte es dennoch geben – bei der die Konfliktlinie mitten durch die große Koalition verläuft.

Denn wenn es ums Wahlrecht geht, wird auch die Frage des Wahlalters zur Sprache kommen. SPD und Linke im Landtag sind dafür, bei Kommunal- und Landtagswahlen in Zukunft auch 16- und 17-Jährige wählen zu lassen, CDU und AfD sind dagegen. Der Konflikt zwischen SPD und CDU ist alt, schon in den Koalitionsverhandlungen 2012 und 2017 wurden sie sich nicht einig. Wenige Wochen vor den Wahl hat sich nun aber der Ton verändert.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Stefan Pauluhn forderte die CDU  am Freitag öffentlich dazu auf, ihren Widerstand aufzugeben. Bezugnehmend auf die Forderung von Ministerpräsident Tobias Hans (CDU), junge Menschen stärker zu beteiligen, schreibt Pauluhn in einem Papier: „Es ist Zeit, dass daraus Taten erwachsen und sich beim Thema Wahlalter ab 16 Jahren im Saarland etwas bewegt.“ Jugendliche sollten in wichtigen Zukunftsfragen Verantwortung übertragen bekommen und in demokratische Prozesse eingebunden werden. „Ein aktives Wahlrecht für 16- und 17-Jährige ist dafür der logische, richtige und konsequente Schritt“, so Pauluhn.

Der SPD-Fraktionschef räumt „einen offenen Dissens mit der CDU in diesem Punkt“ ein. Das sei auch gut so, denn die Menschen wären zu Recht misstrauisch, wenn zwischen den beiden Fraktionen „nur noch heiliger Konsens“ herrschen würde.

Die Erfolgsaussichten der SPD-Fraktion sind allerdings gering. Die Christdemokraten sehen keinen Grund, ihre ablehnende Position zu revidieren. Aus Sicht der CDU muss das Wahlalter an die Volljährigkeit gekoppelt bleiben. Generalsekretär Markus Uhl erklärte jüngst, das Thema sei in den Koalitionsverhandlungen 2017 geklärt worden. Dies sei für die CDU weiterhin die Geschäftsgrundlage bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2022. Hinzu komme, dass  die Behauptung, die Absenkung des Wahlalters führe zu mehr Wahlbeteiligung, bislang noch überall widerlegt worden sei. Dass die  St. Wendeler CDU-Kreistagsfraktion zuletzt für eine Absenkung des Wahlalters votiert hatte, ändert Uhl zufolge nichts an der Parteiposition: „Vereinzelt abweichende Meinungen“ gehörten in einer lebendigen Volkspartei dazu.

Von einer Absenkung des Wahlalters würden vor allem die Grünen profitieren, wie eine Analyse der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt (siehe Grafik). Die Partei macht auch im Saarland Druck. Grünen-Generalsekretärin Barbara Meyer-Gluche hat eine Online-Petition gestartet, die auch von der Schülerbewegung „Fridays for Future Saarland“ unterstützt wird. Mit der Petition, die am Freitag, eine Woche nach ihrem Start, 160 Unterstützer hatte, soll der Landtag aufgefordert werden, am Montag das Wahlalter herabzusetzen, damit 16-Jährige schon bei der Kommunalwahl am 26. Mai wählen können.

Parteipräferenzen bei der Bundestagswahl 2017

Parteipräferenzen bei der Bundestagswahl 2017

Foto: SZ/Müller, Astrid

Doch eine solch kurzfristige Gesetzesänderung wäre laut Pauluhn nicht möglich. Änderungen des Wahlrechts müssten laut Bundesverfassungsgericht so rechtzeitig abgeschlossen sein, dass sich die Parteien bei der Aufstellung ihrer Kandidaten auf die neue Rechtslage einstellen könnten. Die Streichung der Wahlrechtsausschlüsse für betreute Menschen sei nicht vergleichbar, weil das Gericht hier gerade die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Norm festgestellt habe. Pauluhn warf den Grünen daher „Wahlkampf auf dem Rücken junger Menschen“ vor. Er sagte aber auch: „Wir werden einer solchen Gesetzesänderung sofort zustimmen, wenn alle ausstehenden Fragen sauber geklärt sind.“ Bleibt die CDU-Fraktion bei ihrer Ablehnung, müsste die SPD-Fraktion erstmals gegen ihren Koalitionspartner stimmen (eine Mehrheit für die Herabsetzung des Wahlalters gäbe es dann aber immer noch nicht). Als nächstes will Pauluhn das Thema im Koalitionsausschuss auf die Tagesordnung setzen.

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