Debatte um Spiel im Sportunterricht Ist Völkerball etwa „legalisiertes Mobbing“?

Saarbrücken · Forscher finden das Spiel im Schulsport problematisch, auch der Chef der Sportlehrer sieht es kritisch. Kopfschütteln in der Politik.

 Ziel im Völkerball ist es, den Gegner abzuwerfen. Nach Ansicht einer Forschergruppe ist die Botschaft des Spiels, „anderen weh zu tun“.

Ziel im Völkerball ist es, den Gegner abzuwerfen. Nach Ansicht einer Forschergruppe ist die Botschaft des Spiels, „anderen weh zu tun“.

Foto: dpa/Armin Weigel

Völkerball ist seit Jahrzehnten im Sportunterricht ein fester Bestandteil. Nun aber steht das Spiel in der Kritik. Eine kanadische Forschergruppe der University of British Columbia ist der Meinung, dass es gleichzusetzen sei mit „legalisiertem Mobbing“ und die Botschaft des Spiels sei, „anderen weh zu tun“ und sie zu „entmenschlichen“.

Beim Völkerball treten zwei Mannschaften gegeneinander an und werfen mit einem Ball die Spieler der anderen Seite ab, woraufhin diese sich an den Rand außerhalb des Spielfeldes stellen müssen. Von dort aus können sie sich aber wieder mit dem Abwurf eines Gegners zurück in das eigene Spielfeld bringen. Entgehen können die Spieler dem Abwurf, indem sie dem Ball ausweichen oder ihn fangen.

Der Präsident des Deutschen Sportlehrerverbandes im Saarland, Professor Georg Wydra, kann die Kritik an dem Spiel nachvollziehen. „Die Durchführung von Völkerball im Schulsport lehne ich ab, sofern keine entsprechende Aufarbeitung durch die Lehrer stattfindet“, sagte er der SZ. Viele Sportlehrer gehen mit diesem Thema nach seiner Einschätzung zu unkritisch um. „Die Ziele, die mit Völkerball im Sportunterricht erreicht werden sollen, wie beispielsweise Fangen und Werfen, können mit anderen Übungen wesentlich besser erreicht werden als mit Völkerball.“ Wichtig sei, den Schulsport pädagogisch aufzuarbeiten und zu reflektieren, auch gemeinsam mit den Schülern.

 Georg Wydra, Präsident des Deutschen Sportlehrerverbands im Saarland

Georg Wydra, Präsident des Deutschen Sportlehrerverbands im Saarland

Foto: Georg Wydra

Zwar könne Völkerball als Sportart sehr positiv sein, jedoch sei klar zu unterscheiden zwischen der Vereinsebene, auf der die Technik vermittelt und der Sport freiwillig ausgeübt werde, und dem Schulsport, der verpflichtend sei. „So bleiben einfach einige auf der Strecke und sensible Naturen verlassen den Sportunterricht oftmals frustriert“, sagte Wydra. Eine Ursache für die Problematik sei, dass es zu wenig fachlich qualifizierte Lehrer gebe – zumal es an Grundschulen noch das Klassenlehrerprinzip und damit oft keine eigens ausgebildeten Sportlehrer gebe.

Das Bildungsministerium sieht keinen Anlass, an der Praxis im Sportunterricht zu rütteln. Es gebe bezüglich Völkerball bisher keine negativen Rückmeldungen von Schulen, sagte Ministeriumssprecher Fabian Bosse. Das Gegenteil sei der Fall: „Im Grundschulbereich werden im Völkerball sogar saarländische Meisterschaften der Mädchen ausgetragen, was für die große Beliebtheit des Spiels spricht.“ Vielen Ball- und Teamsportarten wohne zwar ein kritisches Potenzial inne, aber auch beim Völkerball stünden Sportsgeist, Fairness und Teambildung im Vordergrund. „Sport ist nicht die Ursache von Mobbing und Rassismus, sondern ein wichtiges pädagogisches Mittel, diese zu überwinden“, sagte Bosse.

Auch im Landtag gibt es niemanden, der das Spiel verteufelt. Am ehesten zeigen noch die Linken Verständnis für Bedenken. Es komme darauf an, wie dieses Spiel im Unterricht eingeordnet werde und wie die Lehrerinnen und Lehrer damit umgingen, erklärte sie. Denn einige Kinder und Jugendliche erlebten gerade im Sportunterricht Demütigungen bis hin zu Mobbing.

Einig ist sich die große Koalition. Die SPD-Fraktion äußerte sich ähnlich wie das Ministerium. Mobbing, Rassismus oder Homophobie ließen sich nicht durch die Abschaffung eines Spiels bekämpfen. Aus Sicht des sportpolitischen Sprechers der CDU-Landtagsfraktion, Raphael Schäfer, hat sich Völkerball über viele Jahre bewährt. Die Sportart schule Beweglichkeit, Koordination, Wurffähigkeit und vor allem auch Teamfähigkeit innerhalb einer gemischten Mannschaft.

In der AfD-Fraktion herrscht Kopfschütteln über die Studie aus Kanada: „Wir glauben nicht, dass die Botschaft eines solchen Spiels darin besteht, Mitspieler zu entmenschlichen“, sagte der AfD-Abgeordnete Lutz Hecker. Die FDP-Bildungspolitikerin Kirsten Cortez de Lobao meinte, Völkerball führe durchaus zu Stress, der Umgang mit Frustration sei aber auch sehr wichtig. „Zu verlieren muss auch gelernt werden.“

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