Straßenmusik in Zweibrücken Der Herr der Sphärenklänge

Zweibrücken · Anatol Ernestus hebt sich mit seinem ungewöhnlichen Instrument von den üblichen Zweibrücker Straßenmusikern ab.

 Der 26-jährige Anatol Ernestus spielt derzeit manchmal in der Fußgängerzone eine sogenannte Handpan.

Der 26-jährige Anatol Ernestus spielt derzeit manchmal in der Fußgängerzone eine sogenannte Handpan.

Foto: Sebastian Dingler

Die Klänge schallen weit durch die Fußgängerzone. Aufdringlich sind sie nicht, im Gegenteil sogar sehr angenehm und irgendwie exotisch. Wer nicht sofort weiß, welches Instrument sie erzeugt, braucht sich nicht zu grämen: Handpan heißt dieser Ton erzeugende Kugelgrill, der noch nicht so weit verbreitet ist, als dass ihn jeder kennen müsste. Am ehesten ist das Instrument noch mit der karibischen Steeldrum vergleichbar, da die Klangerzeugung ganz ähnlich funktioniert. Es geht um mehr oder weniger große Dellen in zwei metallenen Halbkugeln.

Der Mann, der das ungewöhnliche Instrument bedient, trägt auch einen ungewöhnlichen Namen: Anatol Ernestus heißt der 26-Jährige, der in Saarbrücken aufgewachsen ist. „Anatol ist wohl griechisch und bedeutet ‚aus dem Osten kommend‘, erzählt er. Von seiner Ausbildung her ist er eigentlich Demeter-Gärtner, also so etwas wie ein Biobauer. „Ich habe nach dem Abitur noch ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht und bin dann spontan nach Holland gegangen für die Ausbildung.“ Dort habe er zwei Jahre lang noch auf verschiedenen Höfen gearbeitet – jetzt lebt Ernestus mit Frau und Kind in Saarbrücken. „Gärtnern macht mir sehr viel Spaß, aber es ist nicht meine Leidenschaft.“ Deshalb ist er seit einem Dreivierteljahr auf die Straßenmusik umgestiegen. Als der zweite Lockdown kam, musste er aber noch einen Nebenjob dazunehmen. Das Instrument entdeckt hat Ernestus auch auf der Straße: „Ich habe das gesehen und dachte gleich, dass ich das auch lernen will.“ Ab 1500 Euro aufwärts kosten die schwierig herzustellenden Metallschalen – sein Instrument habe 2500 Euro gekostet. Jede Stelle darauf erzeugt einen anderen Ton. Der Prozess der Herstellung bedeutet: stimmen, danach erhitzen, um die Spannung aus dem Metall zu nehmen, wieder stimmen, wieder erhitzen und so weiter. Handpans gibt es mit verschiedenen Tonumfängen – Ernestus’ Exemplar etwa umfasst 17 Töne der G-Dur-Tonleiter. Jede Note besitzt Obertöne im Oktav- und Quintabstand, was den Klang so wunderbar sphärisch macht. Erstaunlicherweise wurde die Handpan nicht in Äquatornähe erfunden, sondern von einem amerikanischen Hersteller als Weiterentwicklung der schweizerischen „Hang“, die nur eine Halbkugel  ist. Das Instrument ist noch sehr jung: 2007 kam es auf den Markt. „Deswegen gibt es noch nicht so viele Regeln, wie man es spielt. Das macht dann jeder anders.“ Ganz im Gegensatz zu jahrhundertealten Instrumenten wie der Bratsche, die Ernestus 15 Jahre lang gelernt hat. Auf der Handpan hat er sich seine Fähigkeiten hauptsächlich über Youtube-Videos angeeignet – „und ein bisschen mit Online-Unterricht.“ Das Instrument mache ihm so viel Spaß, dass er sich darin stundenlang verlieren könne. „Man fängt an zu spielen und plötzlich sind zwei Stunden rum.“

Interessant ist bei dem Treffen mit Ernestus auch zu beobachten, wie gut der finanzielle Zuspruch für seine Musik ist – da klimpert es in kurzen Abständen in seinem Beutel. 80 Euro habe er heute verdient, verrät er, das sei aber kein besonders guter Tag gewesen. Er hofft, dass er nach Corona seine Aktivitäten ausbauen kann: Etwa mit Engagements auf Familienfesten oder Betriebsfeiern. In Zweibrücken sei ihm auch ein Percussionist begegnet, mit dem er zusammen auftreten möchte. Außerdem schwebt ihm vor, Workshops auf dem Instrument zu geben. Ernestus spielt selbst komponierte Stücke, die meistens aus einer rhythmischen und akkordischen Grundstruktur und darüber gelegter Improvisation bestehen.

Eine CD mit dem Material hat er auch schon aufgenommen. In Saarbrücken ist das Musizieren in der Fußgängerzone derzeit verboten. So lange kann man sich an manchen Tagen in Zweibrücken noch an den Handpan-Klängen erfreuen.

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