Interview Uwe Albrecht „Es gibt unterschiedliche Gründe, diesen Erzählungen anzuhängen“

Uwe Albrecht, Politikwissenschaftler, über Verschwörungsmythen, auch in Zeiten der Pandemie

 Es gibt unterschiedliche Motivationsgründe, Verschwörungserzählungen anzuhängen. In Krisenzeiten wie diesen sind sie grundsätzlich populärer.

Es gibt unterschiedliche Motivationsgründe, Verschwörungserzählungen anzuhängen. In Krisenzeiten wie diesen sind sie grundsätzlich populärer.

Foto: dpa/Cdc

Herr Albrecht, in Ihrem Vortrag sprechen Sie über verschiedene Verschwörungstheorien. Können Sie ein Beispiel nennen für eine beliebte Theorie in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie?

UWE ALBRECHT Aktuell sehr populär ist die Erzählung vom Great Reset, also der große Neuanfang, auch weil sich da ältere Verschwörungserzählungen gut integrieren lassen.

Worum geht es da?

ALBRECHT Die Pandemie ist ein Plan einer Finanzelite und zielt darauf ab, wirtschaftliche und politische Macht zu erreichen, am besten weltweit. So ist das Bild. Da lassen sich unterschiedliche Versatzstücke anderer Erzählungen einflechten, ob es die Abschaffung des Bargeldes ist oder ob es das Chippen beim Imfen von Menschen ist. Man kann auch sagen, die Great Reset-Erzählung ist eine Über-Verschwörungserzählung.

Ist diese Erzählung neu?

ALBRECHT Ja, diese ist recht aktuell, sie ist im letzten Jahr aufgekommen. Anlass war das Motto des World Economic Forums, das heißt nämlich Great Reset. Es gibt dazu auch ein Buch, da geht es darum, wie die Wirtschaft nach der Pandemie nachhaltiger und ökologischer gestaltet werden kann.

Was haben die verschiedenen Erzählungen gemeinsam?

ALBRECHT Grundsätzlich gibt es eine böse Macht, die einen geheimen Plan verfolgt mit erheblichem Ausmaß, und die Verschwörer profitieren immens davon, alle anderen leiden. Nicht passiert aus Zufall, alles hängt zusammen. Das ist das Gerüst.

Wie, von wem und warum wird dieses Great-Reset-Bild instrumentalisiert?

ALBRECHT Das kann man nicht pauschal sagen. Es gibt unterschiedliche Motivationsgründe, diesen Erzählungen anzuhänden. In Krisenzeiten sind sie grundsätzlich populärer, weil sie ein einfaches Erklärungsmuster bieten für komplexe Situationen und es wird sogar ein Sündenbock mitgeliefert. Es kann auch sein, dass ich mich als Person als sehr wissend ansehe und ein großes Sendungsbewusstsein habe, und deshalb mit Theorien nach außen trete. Und dann gibt es natürlich Extremisten, nicht nur rechts, die selbst Verschwörungsmythen bedienen, um etwa das demokratische System zu verunglimpfen oder zu destabilisieren und die eigene Ideologie zu verkaufen.

Und wie kann man dem begegnen, zum Beispiel mit Online-Kommentaren oder im persönlichen Gespräch?

ALBRECHT Das hängt davon ab, wie tief jemand darin verstrickt ist. Wenn jemand völlig überzeugt davon ist, wird eine inhaltliche Diskussion nicht viel bringen. Im öffentlichen Raum kann das Ziel sein, einfach Widerspruch sichtbar zu machen, gerade in Online-Diskussionen. Auch im Privaten muss man differenzieren. Wenn man merkt, da ist jemand, der sich dafür interessiert, aber ist noch nicht komplett versunken, dann macht ein Austausch sicher Sinn. Aber wenn jemand sehr verstrickt ist, muss ich mich fragen, was ist mein Ziel? Wenn ich Kontakt halten möchte zu der Person, weil sie sonst für niemand mehr erreichbar ist, ist es keine gute Idee, ständig zu diskutieren, sondern eher das Thema auszuklammern, um die Beziehung zu erhalten.

Es kann also sehr unterschiedlich sein, wie man damit umgeht.

ALBRECHT Wir haben im Adolf-Bender-Zentrum eine Beratungsstelle für den Umgang mit Rechtsextremismus und wir beraten seit einem Jahr auch häufig Menschen, die berichten von Rissen durch Familien, durch den Freundeskreis, und nicht wissen, was sie tun sollen. Da ist es die Aufgabe, im Gespräch erstmal herauszuarbeiten, was das Ziel ist und wie man das erreichen kann.

Uwe Albrecht, 47 Jahre, wohnt im Regionalverband und arbeitet für die Fachstelle gegen Rechtsextremismus für Demokratie im Adolf-Bender-Zentrum. Er hat Politik- und Sozialwissenschaften studiert.

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