Interview Wie geht es weiter mit dem Theater im Viertel?

Saarbrücken · Die einzige feste Bühne der freien Szene in Saarbrücken war monatelang geschlossen. Im Oktober soll ein Neuanfang gewagt werden.

 Dietmar Blume ist künstlerischer Leiter des TiV.

Dietmar Blume ist künstlerischer Leiter des TiV.

Foto: tiv/Christoph Spanier

So allmählich kehrt die Kultur vorsichtig zurück aus der Corona-Schockstarre zurück. Unter strengen Auflagen und sozusagen mit angezogener Handbremse, aber immerhin. Besonders schwer hat es dieser Tage das Theater im Viertel (TiV) als einzige feste Spielstätte der Saarbrücker freien Szene. Bühne und Zuschauerraum sind eher eng, monatelang war hier deshalb überhaupt nichts möglich. Dank der kollegialen Initiative des Überzwerg-Theaters konnte wenigstens in dessen Hof gespielt werden. Wir wollten wissen, wie es im TiV jetzt aussieht und haben den künstlerischen Leiter, Dietmar Blume, die Organisationschefin Jutta Roth und den Dramaturgen Robert Karge befragt.

Seit Monaten ist das Theater im Viertel wegen Corona geschlossen. Wie ist die Moral im Team?

Dietmar Blume: Wir hoffen und kämpfen bis zum letzten Konzert.
Jutta Roth: Die Schließung des TiV hat uns März und April in eine Schockstarre versetzt. Niemand wusste, wann und vor allem, wie es weitergeht. Die Fixkosten liefen weiter, und wir konnten keinen einzigen Cent einnehmen. Im Mai haben wir Kurzarbeit beantragt. Danach haben Robert und ich gefühlt eine Million Förderanträge geschrieben und gehofft. Bob Ziegenbalgs Angebot, die Überzwerg-Bühne bespielen zu dürfen, war das erste Licht am Horizont. Es war einfach unbeschreiblich schön, dort wieder Publikum zu erleben.

Robert Karge: Nach einer Phase der allseitigen Verunsicherung ist jetzt das Motto „Augen auf und durch“ bestimmend. Hilfreich und moralfördernd in den vergangenen Monaten waren vor allem: der unermüdliche Einsatz von Jutta Roth, die solidarische Bereitstellung von Aufführungsterminen durch das Team des Theaters Überzwerg, aber nicht zuletzt die gute Resonanz des Publikums auf unsere Aufführungen dort im Innenhof. All das hat uns darin bestärkt, ab Oktober trotz aller Einschränkungen einen Neustart zu beginnen. Schließlich gilt es ja, die einzige Bühne der freien Szene als lebendigen Spielort wiederzugewinnen.

Die Möglichkeiten, im Hof der Überzwerge zu spielen, sind nun aber vorüber. Es wir auch kühler draußen. Was soll nun werden?

Dietmar Blume: Da das Netzwerk der Freien Szene im November in Völklingen spielt (SZ vom 7. September), müssen wir für unsere Zuschauer in Saarbrücken die Kunst hochhalten. Wir spielen im TiV!
Jutta Roth: Dietmar Blume und Robert Karge werden Stücke auswählen, die sich auf unserer Bühne im Hinblick auf Schauspieleranzahl, Bühnenbild etc problemlos realisieren lassen. Die kommende Spielzeit eröffnen wir mit „Travis Pine – ein Mann des Volkes“. Da wird Dietmar Blume Puppen als Akteure auftreten lassen.

Robert Karge: Wir werden jede Möglichkeit nutzen, die Bühne des TiV zu bespielen. Parallel gehen wir auf die Suche nach größeren Spielorten für Veranstaltungen, die mehr Raum erfordern.

Das TiV wird von einem Verein geführt, vieles basiert auf freiwilliger Arbeit, und dazu sind viele TiVler nicht gerade Teenager. Wie gestaltet sich da die Zusammenarbeit? Findet man überhaupt noch genug Ehrenamtliche, die sich dem Risiko aussetzen?

Dietmar Blume: Der Kern verhindert die Atom-Spaltung.
Jutta Roth: Wie in vielen Vereinen ist auch im TiV der „Nachwuchs“ ein Problem. Wir haben in den letzten zwei Jahren einige neue, junge Mitglieder gewinnen können. Es wäre wunderbar, wenn sich aufgrund dieses Artikels noch weitere Interessierte finden. Während Corona müssen wir mindestens doppelt so viele ehrenamtliche Veranstaltungsbetreuer pro Vorstellung stellen als vorher. Dass ein solches Engagement für die bis Dezember geplanten 27 Veranstaltungen kräftezehrend sein wird, kann sich jeder vorstellen.

Robert Karge: Genau dieses Problem müssen wir in mehrfacher Hinsicht angehen: Jüngere Künstlerinnen und Künstler für Aufführungen im TiV gewinnen, Kontakte mit Theater AGs, Spielgruppen etc. knüpfen. Wir hoffen schließlich, dass der Club akTiV, und der Kinderclub auf Sicht wieder stattfinden können. Auch auf diesen Wegen bemühen wir uns, sowohl die Vereinsmitglieder wie auch die ehrenamtlich Tätigen zu „verjüngen“ wie auch ein jüngeres Publikum zu gewinnen. All dies setzt natürlich ein aktuelles, engagiertes und auch komödiantisches Programm voraus. Eben so wie „Travis Pine“, das die Stimmung in den USA vor den Präsidentschaftswahlen auf einen bösen Punkt bringt.

Das TiV ist der einzige ausgewiesene Spielort der freien Szene in der Landeshauptstadt. Die Stadt Saarbrücken finanziert das Theater, indem es die Räume stellt und die Nebenkosten übernimmt. Wie gestaltet sich da die Zusammenarbeit unter der neuen Führung im Rathaus?

Dietmar Blume: Bleibt spannend.

Robert Karge: Die Gespräche mit der Stadt stehen unmittelbar bevor, so dass eine Antwort ziemlich spekulativ ist. Wir gehen jedoch grundsätzlich davon aus, dass der einzige Spielort der freien Szene, die gerade in Saarbrücken und im Saarland auf ausgesprochen hohem Niveau und mit einem erstaunlichen Spektrum agiert, unverzichtbar ist.

Jutta Roth: Ich hoffe, dass wir auf offene Ohren stoßen und finanzielle Zusagen erhalten. Das TiV ist die einzige ausgewiesene Bühne der freien Szene in Saarbrücken. Wir haben in den letzten Jahren ein breites Spektrum jenseits des Mainstream gezeigt und damit die Kulturlandschaft Saarbrückens und des Saarlandes bereichert. Es wäre jammerschade, wenn wir nun schließen müssten.

Wie länge läuft der Vertrag mit der Stadt noch? Besteht Sicherheit, dass das TiV weiter existieren kann, auch wenn Corona noch eine Weile wüten sollte?

Dietmar Blume: Es gibt kein Ende.

Robert Karge: Vielleicht wissen wir im Laufe dieses Monats mehr.

Jutta Roth: Der Vertrag mit der Stadt ist unbefristet. Aber Sicherheit, dass wir überleben, wenn die Pandemie richtig wütet? Nein, die haben wir nicht. Wir müssen spielen können und das am besten vor voll besetzen Rängen. Ohne Zuschüsse seitens Stadt und Land und ohne die privaten Sponsorengelder überstehen wir die

Pandemie nicht.

 Jutta Roth, die erste Vorsitzende des TiV.

Jutta Roth, die erste Vorsitzende des TiV.

Foto: tiv/Christoph Spanier
 Das Theater im Viertel am Landwehrplatz ist durch Corona in Schwierigkeiten geraten. Bühne und Zuschauerraum waren kaum zu nutzen, weil zu klein. Jetzt wagt man einen Neustart. 

Das Theater im Viertel am Landwehrplatz ist durch Corona in Schwierigkeiten geraten. Bühne und Zuschauerraum waren kaum zu nutzen, weil zu klein. Jetzt wagt man einen Neustart. 

Foto: Jutta Roth

Einen größeren Spielort hat das TiV noch für zwei Open-air-Termine. Im Innenhof der Stadtgalerie hat am 18. September „InTheEnd“, eine Tanzperformance von Mohammad Ali Deeb und Thomas Engelnd Premiere. Im Oktober gibt es dort Konzerte mit Ro Gebhardt und Savoy Truffle.
www.dastiv.de

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