Aus der Luft ein Schiff, am Boden eine Schnitzeljagd

Steinrausch von oben, auf dem Stadtplan von Saarlouis, sieht aus wie das Oberdeck eines Kreuzfahrtschiffes. Hat das damit zu tun, dass der Architekt, Hans Bernhard Reichow, aus Hamburg kam? Eine Ringstraße, die Kurt-Schumacher-Allee und Konrad-Adenauer-Allee heißt, zeichnet den Umriss des Schiffs, ein bogenförmiger Weg an der Berliner Allee markiert die Brücke.



Von oben sieht alles sehr geordnet aus. Aber auf dem Boden raubt dieser Plan manchem den letzten Nerv, wenn er sich nicht auskennt und ohne Navi das Freibad sucht. Oder die Steinrauschhalle. Oder das Haus Miteinander der Generationen. Oder die Feuerwache. Oder die Grundschule und die krachneue Kinderkrippe. Oder gar einen Privathaushalt in einer der vielen Stichsträßchen. Eine Schnitzeljagd. Die Planer, die den achten Saarlouiser Stadtteil ab 1967 bauten, kriegten das nicht wirklich praktischer hin als Jahrhunderte Geschichte, die das benachbarte Roden mit einem Gassen-Gewirr versorgt hat.

"Selbst ich habe manchmal noch Schwierigkeiten, das eine oder andere Haus zu finden, und ich wohne schon seit 25 Jahren hier", sagt Dieter Bund. Er ist Vorsitzender der Ortsinteressengemeinschaft Steinrausch (OIG). Von der Ringstraße gehen Sackgassen ab, und von denen dann Stichstraßen. Das hat, sagt Bund, den Vorteil, der damit erreicht werden sollte: Im Inneren des Steinrauschs sei es ruhig.

1962 beschloss der Stadtrat Saarlouis den Bau des neuen Stadtteils, am 15. November 1967 war erster Spatenstich. Ein Jahr später war erster Spatenstich für die Ford-Werke, die nah am Steinrausch liegen. Die Ford-Arbeiter würden Wohnraum brauchen, war die richtige Annahme beim Bau des Steinrausch.

Immer schon war der Stadtteil auf Familien ausgerichtet: mit zwar eher kleinen Grundstücken (weshalb hier oben auch kaum angebaut werden kann), dafür aber großen Grünflächen, eine regelrechte grüne Zunge zwischen den Alleen der fünf Kilometer langen Ringstraße. Viele Familien sind in der katholischen Kirche, im Pfarrzentrum St. Johannes, aktiv.

In diesem Zentrum, ebenso im Haus der Generationen von Stadt und evangelischer Kirche und rund um die Steinrauschhalle konzentrieren sich die Aktivitäten des Stadtteils.

Vor sechs Jahre erst wurde die Ortsinteressengemeinschaft gegründet. "Seitdem arbeiten die Vereine zusammen", bilanziert Bund. Eine Nikolauswanderung für Kinder gibt es nun, neue Feste, das Maibaumsetzen. Das ältere Steinrauschfest hingegen wurde eingestellt, weil, so sagen Beteiligte, sie da mit roten Zahlen rausgingen.

Inzwischen sind die Erstkäufer in die Jahre gekommen. Generationswechsel ist auch auf dem Steinrausch ein großes Thema. Neue Bewohner sind längst in die Hochhäuser eingezogen, unter ihnen viele ausländischer Herkunft. "In den Hochhäusern ist sie Fluktuation eher größer", sagt Bund. Ansonsten habe sich nicht wirklich viel verändert, seit er hier lebe, sagt der Sportlehrer; und das ist schon die halbe Zeit der bisherigen Existenz des Stadtteils mit rund 4000 Einwohnern.

Der Steinrausch ist systematisch als reines Wohngebiet geplant worden. Alle öffentlichen Funktionsbauten liegen an der breiten Ringstraße. Inmitten der Wohnbebauung befindet sich ein eher bescheidenes Einkaufszentrum. Immerhin mit Einkaufsmarkt, Kiosk, Sparkassen-Filiale und Apotheke.

Wie immer, wenn am Reißbrett geplant und dann einheitlich umgesetzt wird, wirken sich Fehler deutlicher aus als anderswo. Eine solche Fehleinschätzung war die Annahme, die zukunftsträchtigste Heizung sei die mit Nachtspeicheröfen. Jahrzehnte danach sind sie wohl fast alle ausgewechselt.

Im Ganzen jedoch ist der Steinrausch ein gelungenes Beispiel dafür, ein städtebauliches Ziel auch tatsächlich zu erreichen.

Das Ortsfoto gibt es zum Herunterladen unter www.sztipp.de/dorffoto, Preis: 0,99 Euro. Zu sehen ist es auch auf der Facebook-Seite: facebook.de/saarbrueckerzeitung.sls; Abzüge vom Foto können Sie nur schriftlich bestellen: SZ, Adlerstraße 3, 66740 Saarlouis; oder redsls@sz-sb.de (Preis auf Anfrage).

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