„Ansehen der Politiker wirkt als Motivationsbremse“

Saarbrücken · Ist die Arbeit von Stadträten anständig vergütet und transparent für die Öffentlichkeit? Darüber hat SZ-Redakteur Fabian Bosse mit dem Politikwissenschaftler Oscar W. Gabriel gesprochen.

Saarbrücker Stadträte bekommen zwischen 4422,88 Euro und 16 381,68 Euro im Jahr für ihre Arbeit im Stadtrat, in Ausschüssen und Aufsichtsräten. Ist das eigentlich viel oder wenig?

Oscar W. Gabriel: Das kann man so pauschal nicht sagen, nicht zuletzt deshalb weil die genannten Bezüge sich aus sehr unterschiedlichen Elementen zusammensetzen. Die in Deutschland gezahlten Aufwandsentschädigungen für die Mitgliedschaft im Stadtrat und in den Ausschüssen sind der verantwortungsvollen Aufgabe angemessen. Das Problem der Mitgliedschaft in Aufsichtsräten würde ich nicht in erster Linie in der Höhe Aufwandsentschädigung, sondern viel grundsätzlicher sehen.

Sondern?

Oscar W. Gabriel: Eine Mitgliedschaft in den Aufsichtsräten kommunaler oder öffentlicher Unternehmen halte ich nicht wegen der Höhe der Tantiemen für problematisch, sondern wegen der mit solchen Mitgliedschaften verbundenen Interessenkonflikte. Es gibt für die Mitgliedschaft in diesen Gremien keine allgemein akzeptierten Kriterien, ich fände es aber sinnvoll, wenn Stadt- und Gemeinderäte sowie Kreistage sich selbst Regeln gäben, unter welchen Voraussetzungen solche Mitgliedschaften akzeptabel sind und wie sie dotiert werden.



Gibt es eigentlich so etwas wie einen Standard? Wie viel sollten Stadträte bekommen, damit dieses Ehrenamt gut ausgebildete Fachkräfte ausfüllen?

Oscar W. Gabriel: Die Höhe der Entschädigungen steht für mich nicht im Mittelpunkt. Die Aussicht auf eine Aufwandsentschädigung wird kaum jemanden dazu motivieren, ein zeitaufwändiges Amt zu übernehmen. Viel wichtiger ist es, nichtmaterielle Anreize zur Übernahme politischer Mandate zu setzen. Das nicht gerechtfertigte schlechte Ansehen der Parteien und Politiker in der Öffentlichkeit wirkt als eine Motivationsbremse allererster Güteklasse. Ehrenamtliche Ratsmitglieder müssen sich zudem mit einer hauptberuflich arbeitenden Verwaltung und aktivistischen Bürgergruppen auseinandersetzen, die alles besser wissen als die gewählten Vertreter. Respekt in der Öffentlichkeit, Freistellungsregelungen und Aus- und Weiterbildungsangebote sind wichtiger für die Arbeit der Ratsmitglieder als die Höhe der Aufwandsentschädigungen.

Wie ist das eigentlich mit Transparenz in der Kommunalpolitik. Müssten Politiker hier nicht auch ihre Einkünfte offenlegen, so wie das Bundestagsabgeordnete auch machen müssen?

Oscar W. Gabriel: Transparenz ist eine wichtige Grundlage für Vertrauen. Deshalb liegt es eigentlich im eigenen Interesse der Politik, in der Offenlegung wirtschaftlicher Abhängigkeiten ein Maximum an Transparenz zu praktizieren.

Alle Parteien im Stadtrat fordern von ihren Fraktionsmitgliedern, dass sie einen Teil ihrer Einnahmen an die Partei abführen (SPD z. B. 30 Prozent) Ist es rechtens, dass Parteien von ihren Mandatsträgern öffentliches Geld einziehen und in die Parteikasse fließen lassen? Ist das illegale Parteienfinanzierung ?

Oscar W. Gabriel: Die rechtliche Seite interessiert mich weniger als die politische Würdigung dieses Sachverhaltes. Auch hier ist zu differenzieren. Wenn Ratsmitglieder einen Teil ihrer Aufwandsentschädigung für die Ratsarbeit an die Fraktion abführen, um damit zum Beispiel die Infrastruktur der Fraktionsarbeit zu finanzieren, ist das völlig in Ordnung, weil es der Arbeit der Ratsmitglieder zu Gute kommt. Eine verdeckte Parteienfinanzierung über derartige Abgaben halte ich für problematisch. Das gleiche gilt für Bezüge aus Aufsichtsratstätigkeit. Bevor man das bewertet, müsste allerdings geklärt sein, wie die Abgaben tatsächlich verwendet werden.

Momentan teilen die etablierten Parteien Aufsichtsratsmandate und Ausschüsse fast ausschließlich unter sich auf. Müsste das nicht besser verteilt sein?

Oscar W. Gabriel: Die Verteilung der Ausschusssitze orientiert sich an der Stärke der Fraktionen. Einer Verflechtung von Politik und Wirtschaft durch die politisch motivierte Vergabe von Aufsichtsratssitzen stehe ich kritisch gegenüber. Das wird auch nicht dadurch besser, dass alle Parteien und Wählergruppen ein Stück vom Kuchen abbekommen.

Viele Kommunen stehen vor der Zwangsverwaltung durch die Kommunalaufsicht. Auch Saarbrücken ist überschuldet. Sind die Arbeitsfelder zu komplex für Kommunalpolitiker geworden?

Oscar W. Gabriel: Das glaube ich eigentlich nicht, das Problem liegt eher darin, dass der politische Wettbewerb um kommunale Mandate auf Grund der sinkenden Mitgliederzahlen der Parteien und der negativen Anreize für die Übernahme eines kommunalen Mandats nicht optimal funktioniert. Auch die kommunale Verschuldung trägt dazu bei, die Übernahme eines Ratsmandats unattraktiver zu machen, weil es nur noch wenig zu gestalten gibt.

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Zur PersonProf. em. Dr. Oscar W. Gabriel wurde 1947 in Daun geboren. Von 1974 bis 2012 arbeitete er an den Unis in Mainz, Bamberg und Stuttgart. Seine Schwerpunkte sind politisches Vertrauen, Unterstützung und Partizipation. fab

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