Ali Salmi und die Compagnie Osmosis in Saarbrücken ausgezeichnet Ali Salmi, der Grenzgänger und sein Laster

Saarbrücken · Probefahrt für ein grenzüberschreitendes Kunst-Projekt. Ali Salmi und seine Compagnie Osmosis besuchten Szene-Kneipen in Saarbrücken. Der Choreograf hat da drei besondere Vorlieben und auch sonst viel Spannendes zu bieten.

 Ali Salmi und sein Camion im Nauwieser Viertel.

Ali Salmi und sein Camion im Nauwieser Viertel.

Foto: Silvia Buss

Kürzlich hat Ali Salmi wieder mal eine Auszeichnung erhalten. Beim grenzüberschreitenden Künstlerwettbewerb des Regionalverbands „Grenze/Frontière 2021“ errang der Choreograf und Kopf der in Forbach und Briey ansässigen Compagnie Osmosis den mit 500 Euro dotierten dritten Preis.

Salmi, von allen Künstlern des französischen Nachbar-Départments wohl einer der regsten Grenzgänger, bekam den Preis für sein Projekt, „Grenze – Frontière. Body Landscapes 3.0“. Jetzt machte er seinen ersten Probelauf. Von Forbach über die Goldene Bremm bis nach Saarbrücken. Zu seinen Lieblings-Szenekneipen Terminus, Jules Vernes und der Stadtschenke.

Probefahrt müsste man besser sagen, denn was sich da bewegt, ist ein „Camion“, ein LKW. Auf der Rückseite besteht er aus einer Leinwand, auf die von innen fortlaufend Fotos von Salmis choreografischen Aktionen gebeamt werden.

Kreiert hat Salmi diese fahrende Diashow während des Corona-Lockdowns, als die Kulturszene keine Auftritte mehr machen durfte. „Die Idee war, dass wir alles in eine Kiste packen und so beweisen: Wenn man will, kann doch über die Grenze gehen, um sich mit anderen zu treffen“ sagt Almi.

So ein Transporter transportiere ja normalerweise Handelsgüter, erklärt er. Und für diese habe ja während des Lockdowns weiterhin Freizügigkeit bestanden. „Warum dürfen Waren überall hin, und wir Menschen dürfen nicht über die Grenze?“, fragt Salmi, Sohn algerischer Einwanderer, rhetorisch und findet das natürlich ungerecht.

Deshalb hat er den Transporter der Compagnie, der sonst nur das technische Equipment befördert, mit der Leinwand ausgestattet, innen batteriebetriebene Beamer und Lautsprecher eingebaut und so künstlerische Auftritte in Gestalt von Fotografien über die Grenze „geschmuggelt“. Die Bilder hat der Saarbrücker Fotograf Tom Riedel geschossen, der auf dem Beifahrersitz mitfährt und alle Aktionen Salmis mit der Kamera begleitet.

Viele davon haben in Saarbrücken stattgefunden. So gut wie nie auf Bühnen, fast immer im öffentlichen Raum oder in besonderen bebauten Räumen, denn Salmi, der zuerst in Nancy Architektur studierte, bevor er sich dem Design-Studium und dem Tanz zuwandte, findet es spannender, sich künstlerisch am Alltag, der Realität zu reiben und in diese nüchternen, oft industriellen Räume Poesie hineinzutragen.

2015 etwa zog er mit Tänzern, Projektoren und Radfahrerinnen durchs Nauwieser Viertel, tanzte 2017 auf dem Grubengelände in Petite-Rosselle, 2018 auf Fußgängerampel-Übergängen am Jules Verne, 2019 auf den Betonreliefs in der Mensa.

Für seine Projekte engagiert Salmi nicht nur Tänzerinnen und Tänzer, auch Musiker, Fotografen, Filmer, Djs, Modestylisten, sogar mal einen Stahlarbeiter. Das Interdisziplinäre findet er bereichernd.

„Grenze – Frontière Body Landscapes ist übrigens nicht das erste Projekt, das Salmi während der Pandemie auf die Beine stellte. Als die Theater schließen mussten, Auftritte vor Publikum verboten waren, ging er mit Tänzern in Hotelzimmern und lieferte deren Tanz dort live per stream in die Wohnungen, auf die Endgeräte des Publikums – wofür er von der Region Grand Est und auch von Poprat und Union Stifung mit einer Auszeichnung bedacht wurde. Im März 21, immer noch Lockdown, beamte Salmi diese Hotel-Mitschnitte auf die Fenster der Brasserie Terminus und tanzte innen solo dazu.

Corona scheint Salmi geradezu kreative Schübe zu verpassen. „Ich glaube, diese Pandemie hat uns gezwungen innezuhalten“, sagt er. „Entweder du schläfst oder du machst was. Vorher haben wir in einem relativen Komfort gedöst, Corona hat uns auf unsere Verantwortlichkeit gestoßen. Ich nehme es jedenfalls als einen Anstoß“.

In seinem Probenraum, einer Lagerhalle in einer Forbacher Rue mit dem für Salmis Kämpfernatur passenden Namen Bataille (Schlacht, Kampf), trommelte er also seine „Künstlerfamilie“ zusammen, um wie in einem Laboratorium Neues auszuprobieren.

Zu welchem Thema? Wie so oft bei ihm geht es um Wichtiges, Zeitfragen. Nach der Industriearbeit jetzt darum, dass, wie Salmi es sagt: „wir Künstler, Tänzer den Klimawandel verarbeiten, den Leuten die Augen öffnen, für das was passiert und wie wir dieses Desaster in Poesie umwandeln können.“

 Tanz in der Uni-Mensa: Ali Salmi erprobte unlängst auch gemeinsam mit Musikern in der Saarbrücker Uni-Mensa die Möglichkeiten der künstlerischen Inenarchitektur von Otto Herbert Hajek.

Tanz in der Uni-Mensa: Ali Salmi erprobte unlängst auch gemeinsam mit Musikern in der Saarbrücker Uni-Mensa die Möglichkeiten der künstlerischen Inenarchitektur von Otto Herbert Hajek.

Foto: Rainer Hartz
 Am Saarbrücker Terminus am Gerberplatz machten Ali Salmi und seine  Compagnie Osmosis während Corona Theater auf Abstand.

Am Saarbrücker Terminus am Gerberplatz machten Ali Salmi und seine  Compagnie Osmosis während Corona Theater auf Abstand.

Foto: Iris Maria Maurer
 Eine Performance mit Ali Salmi.

Eine Performance mit Ali Salmi.

Foto: Tom Riedel

„Climax“ wird das neue Stück heißen, für das er mit der Truppe bereits in Residenzen auf dem ehemaligen Grubengelände Petite-Rosselle und dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte geprobt hat. Doch jetzt reist er erst einmal auf Einladung des Institut Français nach Istanbul, zum Internationalen Theaterfestival, um dort „Waterfloor“ zu zeigen, ein älteres Projekt, das sich mit der globalen Wasserknappheit beschäftigt.
http://osmosiscie.com/

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