Tanz Eine Kreuzung wird zur Theaterbühne

Saarbrücken · Warum einfach über die Straße gehen, wenn man  tanzen kann? Ali Salmi und die Compagnie Osmosis machten es vor.

 Die Compagnie Osmosie machte die Kreuzung zur Bühne. Die Zuschauer waren begeistert.

Die Compagnie Osmosie machte die Kreuzung zur Bühne. Die Zuschauer waren begeistert.

Foto: Tom Riedel

Was ist denn da los? Die Autofahrer, die am Freitagabend die Kreuzung Mainzer-/Paul-Marien-Straße passieren wollten, staunten nicht schlecht. Vor ihnen gingen die Fußgänger nicht einfach normalen Schrittes über die Fußgängerampel, sondern tanzten bei Grün von der einen Seite zur anderen. Und das sehr gekonnt. In federnden Schritten eilten sie aufeinander zu, drehten sich miteinander, bauten sich im Trio zu lebenden Skulpturen auf oder setzten sich auch schon mal erschöpft auf ein Stück Pappe. Sobald die Fußgängerampel wieder auf Rot sprang, wechselten sie zum benachbarten Fußgängerübergang, der Grün hatte, schwangen sich um den Ampelmast und tanzten dort weiter. Verfolgt wurden sie bei ihrem Treiben von einem halben Dutzend Fotografen.

„Ich glaub, das ist Perspectives“, flüsterte eine Passantin ihrer Freundin zu. Aber nein! Die über 100 jungen Leute, die sich vor der Kneipe Jules Verne auf dem Bürgersteig drängten, wussten es besser. Denn viele von ihnen wohnten diesem seltsamen Ereignis nicht zu ersten Mal bei und waren durch Ankündigungen in den sozialen Netzwerken im Bilde. „Bodies Landscapes“ nennt der in Forbach ansässige Choreograf und Tänzer Ali Salmi sein Projekt, zu dem er am Freitag und Samstag schon zum vierten Mal an diese Kreuzung eingeladen hatte.

„Wenn wir sonst im öffentlich auftreten, wird der Stadtverkehr stillgelegt und alles abgesperrt“, erklärt er. „Wir wollten es mal andersherum machen, uns unter den normalen Bedingungen in den Straßenraum einbringen.“ „Wir“, das waren nicht nur Ali Salmi und die beiden Tänzer seiner Compagnie Osmosis. Bei diesem experimentellem Urban Street Dance wirkten weitere Kreative und ausgesuchte Gäste mit. Eine Kung-Fu-Sportlerin etwa, die Salmi als Tänzerin bei Rave-Partys aufgefallen war. Ein Modedesign-Team hatte der Gruppe extravagante weiße und schwarze Kleidung geschneidert und half beim Kostümwechsel auf offener Straße. Zwei DJs standen im Jules Verne am Plattenteller und sorgten für einen abwechslungsreichen Soundtrack. Plötzlich stellte sich auch mal ein Kontrabassist an eine der Ampeln und strich in der Dunkelheit sehr elegisch „Here comes the sun“ von den Beatles. Das lockte sogar die eingefleischten Rollenspieler vom Dragonland aus ihrem Laden.

Immer blieben auch Paare und Gruppen, die auf Nachtlebentour vorbeiziehen wollten, irritiert und fasziniert stehen. Ab und zu drehten auch zwei urbane Gestalten auf ihren Klapprädern, die mit Lichterketten umwickelt wie Weihnachtsbäume leuchteten, ihre Runden über die Ampeln. Wer gehört zu den Künstlern, wer ist nur zufällig unter sie geraten? Das war oft die Frage. Keine Frage hingegen war, dass die Zuschauer von der Performance, die eine langweilige Ampelkreuzung in eine Art Theaterbühne verwandelte, begeistert waren.

„Es sind wie zwei Welten, die man übereinanderschaltet“, sagte eine junge Frau. Poesie meets Alltag. „Die sind mutig“, fand ihre Begleiterin. In der Tat. Denn man konnte ja nicht sicher sein, ob abbiegende Autolenker kulturempfänglich sind oder beim Warten vor der grünen Fußgängerampel nicht aggressiv reagieren würden. Doch bis auf einen SUV-Fahrer, der unwillig hupte, was von den Zuschauern mit spöttischem Johlen quittiert wurde, blieben alle geduldig. Auch die Polizei, die nach der ersten Viertelstunde auftauchte, ging wieder. Für Ali Salmi, der mit seinen interdisziplinären Outdoor-Tanzproduktionen international und auch schon bei den Perspectives gastierte, sind die Interventionen an der Mainzer-Straßen-Kreuzung eine Art Testlauf für eine neue Produktion. Mit dieser werde er später auf Tournee gehen, wie er der SZ sagte. Die ersten Städte wie Straßburg, Mulhouse und Metz hätten bereits Interesse an den Bodies Landscapes angemeldet.

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