Stadtrat „Mit der SPD ist zu rechnen!“ Wirklich? Ganz im Ernst?

Für die einen war das gestern in der Saabrücker Congresshalle eine Stadtratssitzung. Für die anderen eine Art Therapiegruppensitzung. Die anderen waren die Stadtverordneten der SPD. Dass die Sozialdemokraten eine eigene Kandidatin zur Besetzung der Leitungsstelle im Dezernat für Wirtschaft, Soziales und Digitalisierung ins Rennen schickten, ist ein normaler Vorgang.

 Martin Rolshausen

Martin Rolshausen

Foto: SZ/Robby Lorenz

Demokratie lebt von alternativen Angeboten, zwischen denen sich die Wählenden entscheiden können. Was die Saarbrücker SPD seit ihrem Machtverlust im Stadtrat und an der Rathausspitze veranstaltet, wirkt aber eher wie Selbstbeschwörung.

Die Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP wirkt stabil. Sie wird also vermutlich in den kommenden vier Jahren den Ton angeben im Stadtrat. Der Oberbürgermeister von der CDU ist auf zehn Jahre gewählt. Das ist für eine SPD, die Saarbrücken in den vergangenen Jahrzehnten teilweise im Alleingang, teilweise in unterschiedlichen Konstellationen immer irgendwie mitregiert hat, eine ungewohnte Situation.

Die nächste Kommunalwahl ist in vier Jahren. Die SPD hätte also genug Zeit innezuhalten, sich neu zu sortieren und darüber nachzudenken, wie es dazu kommen konnte, dass sie nicht mehr stärkste Partei ist, keine Bündnispartner im Stadtrat gefunden und alle Chefsessel im Rathaus verloren hat. Tut sie aber nicht.

Als die SPD im Dezember zur Wahl der Bürgermeisterin durch den Stadtrat Christine Jung als Gegenkandidatin zur Grünen Barbara Meyer-Gluche nominierte, wirkte das zunächst wie ein ernstzunehmendes Angebot an CDU und FDP: Lasst uns eine Frau wählen, die Euch als Wirtschaftspolitikerin näher ist als die Grüne. Offenbar wurde aber nicht ernsthaft versucht, Stadtverordnete von CDU und FDP hinter den Kulissen zum „Umkippen“ zu bewegen.

Im Gegenteil: Die Nominierung Jungs war Show. Und die Mehrheitskoalition war regelrecht erleichtert, dass die SPD eine Parteifrau aufgestellt und eben nicht versucht hat, durch das Aufstellen eines parteiunabhängigen Kandidaten einen Keil zwischen CDU, Grüne und FDP zu treiben.

Dass auch Esther Rippel kein ernst zu nehmendes Angebot an den Stadtrat ist, musste der SPD klar gewesen sein. Aber es geht da wohl gerade eher um etwas anders. „Die SPD-Fraktion hat sehr gutes Personal“, sagte der Vorsitzende von deren Stadtratsfraktion, Mirco Bertucci. Die stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Josephine Ortleb  teilte zur Nominierung Rippels mit: „Mit der SPD ist zu rechnen.“ „Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass wir uns aufgegeben haben“, erklärte ein Sozialdemokrat hinter vorgehaltener Hand. Das klingt nicht nach ernsthafter Ursachenforschung für die verlorene Kommunalwahl. Es klingt nach Selbstvergewisserung. Nach einer Durchhalte-Parole in die Partei hinein. Nach außen wirkt dieses „Wir haben es nicht verdient, verloren zu haben“ trotzig. Die SPD tut sich und der Stadt, in der sie gebraucht wird,  damit keinen Gefallen.

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