Kolumne So kann’s gehen Was James Bond über die Seele seiner Fans verrät

Es gibt nur Gut und Böse. Nichts dazwischen. Unverwundbarer Held gegen unsympathischen Bösewicht: Das Weltbild der James-Bond-Filme ist ähnlich einfach wie bei Asterix. Doch was sagt das über die Psyche von Bond-Fans aus?

 Alexander Stallmann

Alexander Stallmann

Foto: SZ/Robby Lorenz

Es sind wirklich bewegte Zeiten, in denen wir leben. Die Volksparteien sind in einer Dauerkrise. Die Welt droht aufgrund der globalen Erwärmung zu kollabieren. Digitalisierung, Flüchtlingskrise, Fake News, Rechtspopulismus – es ist mächtig was los auf dem Erdball. Vieles wirkt unkontrollierbarer, schneller und komplizierter als noch vor wenigen Jahren. Einige sind von dem Gefühl geplagt, dass die gesellschaftliche Ordnung, die über Jahrzehnte als unumstößlich galt, ins Wanken gerät. Um diesem ganzen Trubel zu entfliehen, braucht man manchmal einfach was Unbeschwertes. Nicht, dass das falsch verstanden wird: Veränderung ist nicht grundsätzlich schlecht. Und es ist selbstverständlich wichtig, sich mit den elementaren Fragen unserer Zukunft auseinanderzusetzen  - und sich zu engagieren. Doch gerade wer etwas bewirken will, muss auch hin und wieder ein wenig runterfahren und Energie tanken. Ich hab vieles ausprobiert: Sport, Meditation, Massagen. Tut alles gut. Aber nichts hilft so sehr wie eine Folge der Serie „Die 2“ (original: The Persuaders!). Sobald die Titelmusik von John Barry läuft, weiß ich, dass Toni Curtis und Roger Moore den Laden im Griff haben. Und zwar mit einer Lockerheit, die mich alle Probleme der Welt – zumindest kurz – vergessen lässt. Ganz ähnlich wirken James-Bond-Filme bei mir. Auch wenn die in aller Regel etwas rasanter sind.

Doch seit einigen Tagen bin ich ins Grübeln geraten. Ich habe einen bekannten Kabarettisten sinngemäß sagen hören, dass James Bond im Grunde unser Bild von der Welt widerspiegelt. Er brettert in Luxuskarren, ausgestattet mit teuren technischen Spielereien, durch die 3. Welt und macht alles nieder, was ihm in den Weg kommt. Lässt sich nicht ganz abstreiten. Doch was sagt das über mich aus? Entspannen mich diese Filme etwa, weil sie mir ein ganz simples Weltbild zeigen, nach dem ich mich tief im Inneren zurücksehne? Bin ich ganz entgegen meines Selbstbildes rückwärtsgewandt und mit Veränderungen und neuen Herausforderungen überfordert? Allein bei dem Gedanken könnte ich glatt zum Wutbürger werden. Es muss einen anderen Grund dafür geben, dass diese Filme in mir ein Wohlgefühl auslösen. Dann kam der gestrige Abend: Wir wollten den James-Bond-Klassiker Goldfinger schauen. Ich sträubte mich. Legte meiner Freundin mein Seelenleben offen und erklärte, dass ich erst den Grund dafür finden muss, weshalb der Film in mir ein Gefühl der heilen Welt erzeugt. Sie sagte etwas verwundert: „Sean Connery ist dein Lieblingsschauspieler. Er spielt die Hauptrolle. John Barry ist dein Lieblingskomponist. Er hat den Titelsong komponiert. Shirley Bassey ist deine Lieblingssängerin. Sie singt den Titelsong – vielleicht hat’s damit was zu tun.“ Diese Worte spendeten mir ein Quantum Trost. Schauen wir den Film, dachte ich, man lebt schließlich nur zweimal. Er ist einfach der Spion, den ich liebe. Doch nun stehe ich bereits vor dem nächsten Problem: Was sagt es bloß über mich aus, dass ich heute Abend zur Entspannung „Verdammt in alle Ewigkeit“ schauen will?

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