Gedenktag für ein Satzzeichen

So kann's gehen · Es gibt Minderheiten, für die muss man sich einfach einsetzen, findet SZ-Redakteurin Angelika Fertsch.

Mal ehrlich: Wer benutzt denn noch das S-e-m-i-ko-l-o-n? Diesen Strichpunkt, der einfach zusehends in Vergessenheit gerät. Ich kenne gerade mal zwei Menschen, die das lustige Satzzeichen mit Hingabe, beziehungsweise gelegentlich, benutzen.
Eigentlich sieht es aus wie ein gekrümmtes Würmchen, das sich windet, gekrönt von einem Mini-Mini-Köpfchen, zart, als könnte es vom nächsten Wind umgepustet werden. Warum die Misere so ist, wie sie ist, kann keiner so genau sagen. Das Semikolon steht, gefühlt, kurz vorm finalen Todesstoß.Dabei widmet das Online-Lexikon Wikipedia dem Semikolon ganze Absätze: Der Strichpunkt kann gleichrangige (nebengeordnete) Teilsätze oder Wortgruppen voneinander abgrenzen. Und: Mit dem Semikolon drückt man einen höheren Grad der Abgrenzung als mit dem Komma und einen geringeren Grad der Abgrenzung als mit dem Punkt aus. Außerdem, wer hätte das gedacht: In vielen Programmiersprachen dient das Semikolon als Trennzeichen und schließt Anweisungen ab (Beispiel: C, Java) oder trennt Anweisungen voneinander. Alles klar?

Ich werde jedenfalls für das Überleben des Semikolon kämpfen. Vielleicht gründe ich sogar eine Gruppe Gleichgesinnter. Man könnte T-Shirt-Rücken bedrucken mit tausend Semikolons, die ergeben ein verrücktes, graphisches Muster. Vorne auf der Brust könnte man fragen "Und Du?". Oder man führt einen "Tag zur Erinnerung an ein sterbendes Satzzeichen" ein, etwa den 29. Februar. Das überfordert einen dann nicht, weil man ihn nur alle vier Jahre begehen müsste. Und dem Semikolon wäre doch geholfen. Aussterben durch Ignoranz ist ein hartes, unverdientes Schicksal.

Jetzt habe ich doch glatt wieder einen Text ganz ohne geschrieben. Soll nie mehr passieren; das schwöre ich. Damit das Semikolon nicht vom gleichen Schicksal ereilt wird wie der Genitiv. Der ist nämlich auch stark gefährdet. Fast schon in der Versenkung verschwunden, beziehungsweise vom Dativ aufgefressen.

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