Serie Ausbildung 2019 „Ich bin der MacGyver des Unternehmens“

Saarbrücken · Milena Puka lernt bei der Firma Schwerelosigkite den Beruf einer Kauffrau im E-Commerce.

 Milena Puka ist als Azubi zur Kauffrau im E-Commerce nicht nur für das Online-Geschäft des Händlers Schwerelosigkite zuständig, sie hilft auch bei Produktauswahl und Marketing und pflegt die Kundenkontakte.

Milena Puka ist als Azubi zur Kauffrau im E-Commerce nicht nur für das Online-Geschäft des Händlers Schwerelosigkite zuständig, sie hilft auch bei Produktauswahl und Marketing und pflegt die Kundenkontakte.

Foto: Rich Serra

Milena Puka ist Auszubildende zur Kauffrau im E-Commerce. Wer bei diesem Begriff nur an Computer denkt, liegt erst mal falsch. „Ich bin der MacGyver des Unternehmens“, sagt die 35-Jährige. Sprich, sie muss ein Alleskönner sein, der unterschiedlichste Aufgaben erfüllt.

Bei Schwerelosigkite, einem Kleidungsgeschäft in der Mainzer Straße macht Milena Puka seit rund einem Jahr ihre Ausbildung als Kauffrau mit dem Schwerpunkt Online-Handel. Verkauft werden hier Accessoires wie Taschen oder Gürtel, die aus alten Surf-Kites gezaubert wurden, also Drachen, mit denen Surfer über die Wellen getragen werden. Auch andere sportliche Bekleidung wie Pullover oder Badehosen gibt es. Das Markenzeichen von Schwerelosigkite sind kleine individuelle Kite-Flicken, die die gewöhnlichen Kleidungsstücke zu Unikaten machen.

Hinter dem Ladengeschäft mit der hippen Sportkleidung, vorbei am Lager, arbeitet die junge Auszubildende. Mit Europaletten gezimmert, ist hier ein kleiner Arbeitsbereich entstanden. Dort steht aber wider Erwarten nicht nur ein Computer – aneinandergereiht hängen einige Stoffmuster an einer Gaderobe über ihrem Schreibtisch. Puka vertreibt die Klamotten nicht nur. Sie hilft die Stoffe für neue Outfits auszuwählen, trägt neue Stücke Probe und bemängelt, wenn es etwas zu Ändern gibt. Sie kümmert sich um die Produktbeschreibungen, dann macht sie auch noch Werbung für die neuen Designs – es scheint, als falle nur das Nähen in die Hände von Anderen.

Die Ausbildung zum Kaufmann beziehungsweise zur Kauffrau im E-Commerce ist brandneu. Erst seit 1. August 2018 wird sie in Deutschland angeboten und ergänzt bereits bestehende Ausbildungsberufe wie den Kaufmann für Büromanagement, den Einzelhandelskaufmann oder den Kaufmann im Großhandel. Einzige Schule im Saarland, die den neuen Bereich anbietet, ist das KBBZ Halberg. Dort ist Joachim Weiß zuständig. 23 Schüler zählt der erste Jahrgang, zu dem auch Puka gehört. Eine sehr gut gefüllte Klasse, findet Weiß: „Der beste Start eines Ausbildungsberufs seit 2006.“ Damals kam nach seinem Bekunden der Kaufmann im Dialogmanagement neu dazu. Die Klasse ist bunt gemischt. Das gefällt Puka.

Auch für die Schule ist der neue Bereich eine Herausforderung. Die Prüfung, die die Azubis nach drei Jahren absolvieren müssen, „können wir jetzt noch gar nicht aufsetzen“, sagt Klassenlehrerin Ariane Gerhart, zu dynamisch sei der Bereich. Die Branche wandelt sich. Deshalb hospitieren die Lehrer auch in den Betrieben. Der Bereich ist noch im Aufbau. Das macht es spannend. Die Unternehmen können vom Wissen der Azubis profitieren. Viele Unternehmen haben noch gar keinen Online-Shop, die Schüler können den Unternehmen was beibringen und den Online-Auftritt mit aufbauen, findet Gerhart.

Genau das findet auch Puka spannend. Eigentlich hat sie Jura studiert. Hatte schon Teile des ersten Staatsexamens fertig. Dann habe sie festgestellt, dass sie vom Typ nicht in die Rechtswissenschaft passt. Nebenbei hat sie da bereits bei Schwerelosigkite gejobbt. Und obwohl ihr Hobby nicht das Surfen, sondern Crossfit ist, kann sie sich mit dem Laden identifizieren. „Mit der Zeit lebt man das“, sagt sie – von Kopf bis Fuß in den Klamotten ihres Arbeitgebers gekleidet.

Milena Puka wusste also genau, was sie erwartet. Viele ihrer Mitschüler hingegen hätten hingegen zum Teil falsche Vorstellungen gehabt, sagt sie. Wer im E-Commerce arbeitet, sitzt nicht nur am Computer. „Man erlebt das Unternehmen als Ganzes.“ Er ist die Schnittstelle zwischen Online- und stationärem Handel, zwischen Marketing und IT. Auch um die Fensterdeko kommt sie manchmal nicht herum. Und der Kontakt zu den Kunden gehört dazu. Etwa bei Reklamationen und Retouren. Oder beim Vermarkten von neuen Kollektionen in den Sozialen Netzwerken.

Ihr Chef, Andreas Bedersdorfer, der das Unternehmen gemeinsam mit einem Freund 2005 ins Leben gerufen hat, hat vollstes Vertrauen in seine Auszubildende. Sie sei in jeden Arbeitsschritt des Unternehmens eingebunden und „darf nicht nur Kaffee kochen“, scherzt er. „Du machst das. Du weißt, was der Kunde erwartet“, sagt er mit Zuversicht. Denn auch wenn der kaufmännische Beruf sich in den vergangenen Jahren verändert hat. Eine Regel gilt laut Bedersdorfer nach wie vor: „Der Kunde ist König“.

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