Brexit-Sorgen Boris Johnson schreckt Saar-Wirtschaft auf

Saarbrücken · Der neue britische Premier könnte mit seinen Brexit-Plänen die Absatzschwierigkeiten hiesiger Firmen auf der Insel verschärfen, befürchtet die IHK. Unternehmen wie Ford in Saarlouis betrachten die Entwicklung mit Sorge.

 Ein Großteil der Autos, die Ford in Saarlouis fertigt, geht nach Großbritannien. Ein harter Brexit könnte fatale Folgen für das Werk haben.

Ein Großteil der Autos, die Ford in Saarlouis fertigt, geht nach Großbritannien. Ein harter Brexit könnte fatale Folgen für das Werk haben.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Vor ein paar Wochen hatte Heino Klingen die Hoffnung, dass es in Großbritannien doch noch eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der Europäischen Union geben könnte. „Diese Hoffnung habe ich jetzt nicht mehr“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer des Saarlandes (IHK). Der Grund ist die Wahl von Boris Johnson zum neuen britischen Premierminister. Klingen befürchtet, dass Johnson mit seiner Haltung in der Brexit-Frage die Absatzschwierigkeiten der saarländischen Wirtschaft auf der Insel verschärfen wird. Denn notfalls will Johnson die EU ohne Vertrag verlassen.

Die Wahrscheinlichkeit eines No-Deal-Brexits mit Zöllen und Zollkontrollen hat sich laut Klingen mit Johnsons Wahl erhöht. Er rechnet mit „massiven negativen Folgen“ für das Saarland. Dabei sei es ohnehin schon dramatisch, was sich in den letzten Jahren im bilateralen Handel zwischen dem Saarland und Großbritannien abgespielt habe.

So sieht es auch Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD). „Ein harter Brexit wäre ein harter Schlag für die exportorientierte Saar-Wirtschaft. Leider ist das mit Boris Johnson wahrscheinlicher geworden, auch wenn es immer noch das Beste wäre, der Brexit würde nicht stattfinden“, sagt Rehlinger.

Das Vereinigte Königreich war bis 2016 der wichtigste Abnehmer für saarländische Exporte. „Im Jahr 2015, also vor dem Brexit-Referendum, hatten wir für 2,7 Milliarden Euro Waren dorthin geliefert“, sagt IHK-Chef Klingen. Im vergangenen Jahr seien es nur noch 1,9 Milliarden gewesen – ein Minus von rund 28 Prozent. Die Folge: Das Vereinigte Königreich wurde hinter Frankreich nur noch zum zweitwichtigsten Abnehmer für das Saarland.

In diesem Jahr wurden nach Angaben der IHK bis einschließlich Mai Waren im Wert von 0,73 Milliarden Euro exportiert. „Wenn wir das aufs ganze Jahr hochrechnen, kommen wir vielleicht auf 1,5 oder 1,6 Milliarden Euro – das wäre noch einmal ein deutlicher Rückgang“, sagt Klingen.

Vor allem Unternehmen aus der Automobilbranche betrachten laut Klingen die Entwicklung mit Sorge – speziell Ford in Saarlouis, wo sowieso schon Arbeitsplätze wegfallen (wir berichteten). Bei einem ungeordneten Brexit müsste Ford eine weitere bittere Pille schlucken, befürchtet der IHK-Chef. Denn Großbritannien ist für das Ford-Werk in Saarlouis derzeit der wichtigste Auslandsmarkt. „Und wenn es Ford nicht gut geht, dann sind auch andere in Saarlouis und Umgebung davon betroffen“, sagt Klingen.

Sorgen bereitet die Entwicklung auch Martin Schlechter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU). Auch bei einem harten Brexit müsse die deutsche und die EU-Politik alles dafür tun, dass die Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien auch weiterhin auf einem soliden und verlässlichen Fundament stehen, fordert Schlechter.

Wie sehr das Saarland von Großbritannien abhängig ist, verdeutlicht auch eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Demnach wickelt das Saarland 8,9 Prozent seines Außenhandels mit dem Vereinigten Königreich ab – so groß ist der Anteil in keinem anderen Bundesland. Auf der Exportseite allein seien es sogar 12,4 Prozent, heißt es in der Studie. Der Anteil von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen an den saarländischen Exporten in das Vereinigte Königreich liegt laut IW bei fast 80 Prozent. Auf der Einfuhrseite seien es im Jahr 2018 noch 40 Prozent gewesen. Gegenüber 2018 habe es bei den Exporten einen Rückgang um fast 30 Prozent gegeben, bei den Einfuhren sei es nahezu zu einer Halbierung gekommen.

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