Diskussion im Saarland Die Pflicht zum Meister bleibt umstritten

Saarbrücken · Die Zulassungsbedingungen für neue Handwerksbetriebe werden wieder verschärft. Im Saarland fallen die Reaktionen gemischt aus.

 Fliesenleger benötigen seit 15 Jahren keinen Meisterbrief mehr, um einen Betrieb zu eröffnen.

Fliesenleger benötigen seit 15 Jahren keinen Meisterbrief mehr, um einen Betrieb zu eröffnen.

Foto: dpa/Martin Schutt

Die Meisterpflicht für Handwerker hat in Deutschland eine bewegte Geschichte hinter sich. Zwar besteht sie in abgewandelter Form seit dem Mittelalter, seitdem wurde sie jedoch je nach politischem Klima immer wieder aufgehoben und erneut eingeführt. Die letzte Änderung gab es im Jahr 2004: Die damalige rot-grüne Bundesregierung schaffte die Meisterpflicht in 53 Berufen ab, in 41 anderen blieb sie bestehen. Handwerker wie Fliesenleger, Raumausstatter oder Goldschmiede benötigen seitdem keinen Meisterbrief mehr, um einen eigenen Betrieb zu führen. Die Politik versprach sich davon mehr Wettbewerb und Unternehmensgründungen. Die schon damals umstrittene Reform sorgt seit ihrer Einführung regelmäßig für Kritik. Jetzt soll die Meisterpflicht für die betroffenen Branchen erneut eingeführt werden (wir berichteten) – und auch diesmal gehen die Meinungen auseinander.

Die Befürworter argumentieren mit einer besseren Qualität des Handwerks durch den Meisterbrief. „In den zulassungsfreien Gewerken wie beispielsweise Fliesenleger kann seit der Deregulierung jeder einfach loslegen, ohne dass er dafür irgendeinen Qualifikationsnachweis vorlegen muss“, sagt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). „Inzwischen sind einige unterwegs, die sich zwar als Handwerker betiteln, aber gar nicht ausgebildet sind.“ Zwar habe die Zahl der Unternehmen seit dem Wegfall der Meisterpflicht zugenommen, viele von ihnen seien aber Einmannbetriebe, die weder selbst ausbilden, noch Sozialversicherungsabgaben leisten würden. Oftmals seien die Firmen von der Umsatzsteuer befreit, weil sie angäben, weniger als 17 500 Euro Jahresumsatz zu erwirtschaften. „Sie sind nicht für das Alter abgesichert und auch nicht bei Krankheit oder Unfällen“, sagt Wollseifer. „Dadurch können sie ganz andere Preise kalkulieren.“ Viele der neuen Betriebe würden zudem schnell wieder schließen, Kunden hätten daher bei Qualitätsmängeln schlechte Karten.

Ähnliches beobachtet auch Arnd Klein-Zirbes, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer des Saarlandes. Seit dem Wegfall der Meisterpflicht sei die Zahl der zulassungsfreien Handwerksbetriebe im Saarland zwar insgesamt von 1000 auf 2500 gestiegen, während die der Betriebe mit Meisterpflicht von 7800 auf 7400 gesunken sei. Bei den zulassungsfreien Firmen gebe es aber große Schwankungen: „Derzeit melden sich rund 400 Unternehmen jährlich neu an, in annähernd gleicher Zahl melden sich Betriebe aber auch wieder ab.“

Zumindest die Streitfälle, bei denen die Handwerkskammer Gutachter zu Geschädigten oder Gerichten schickt, haben laut Klein-Zirbes ebenfalls zugenommen. Bei den Fliesenlegern sei beispielsweise ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Die saarländische Verbraucherzentrale hält sich mit einer Einschätzung eher bedeckt, da keine genauen Zahlen erfasst würden. Merklich zugenommen hätten die Beschwerden nach dem Wegfall der Meisterpflicht dort aber nicht.

Die Pläne zur Rückvermeisterung kommen nicht überall gut an. Neben Vertretern von FDP und Grünen sprechen sich auch der Berufsverband unabhängiger Handwerker (BUH) und die Monopolkommission gegen eine Wiedereinführung aus. Die Monopolkommission, die die Bundesregierung berät, argumentiert unter anderem damit, dass in der Praxis auch in Meisterbetrieben viele Arbeiten von Gesellen und Lehrlingen durchgeführt würden. Es sei außerdem fraglich, ob der Rückgang der Auszubildenden auf die Abschaffung der Meisterpflicht zurückzuführen sei.

Das Problem sei nicht der Mangel an Ausbildungsplätzen, sagt auch BUH-Vorstandschef Jonas Kuckuk. Das Handwerk sei generell unattraktiv geworden, 40 Prozent der Azubis wechselten daher nach der Ausbildung in andere Branchen. „Unterm Strich würde eine Wiederausweitung des Meisterzwangs vor allem den Fachkräftemangel weiter verschärfen.“ Kuckuk kritisiert besonders die Aussagen von ZDH-Präsident Wollseifer zu Handwerkern mit weniger als 17 500 Euro Jahresumsatz. Er spricht von einer „gezielten Diffamierungskampagne“ gegen kleine Betriebe ohne Meisterbrief.

Auch Stefan Linke, Landesinnungsmeister der Raumausstatter, zeigt sich skeptisch. „Mir drängt sich der Eindruck auf, als wäre der Wunsch nach einer Zulassungspflicht eine Sache einer Funktionärsriege“, so Linke in der Fachzeitschrift Wohnhandwerker. „Die Meisterpflicht bringt sicher Vorteile, aber sie ist kein Allheilmittel.“ So besäßen Betriebe ohne Meister, die nach 2004 gegründet worden seien, ohnehin Bestandsschutz, sagt Linke. „Daher ist auch nicht zu erwarten, dass sich Wettbewerbs- und Ausbildungssituation durch die Rückvermeisterung ändern oder verbessern werden.“ Änderungen würden sich daher „wenn überhaupt erst bei der nächsten Generation auswirken“, sagt Linke. „Das Kind ist jetzt sowieso in den Brunnen gefallen.“

Außerdem habe sich die Qualität der Meisterschulen seit dem Wegfall der Meisterpflicht stark verbessert. „Die müssen jetzt um ihre Schüler kämpfen“, sagt Linke. Damit sei ein Meisterbetrieb auch für Kunden attraktiver geworden. „Wer jetzt einen Meisterbrief hat, kann gezielt damit werben und hat damit ein Alleinstellungsmerkmal.“

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