Einkochen ist im Trend Altes Wissen ums Einkochen weitergeben

Homburg · Die Facebook-Gruppe rund ums Einkochen von Sylvia und Rainer Schumacher aus Homburg hat gerade in der Corona-Krise enormen Zuspruch erfahren. 40 000 Mitglieder hat die Gruppe inzwischen. Und ins Fernsehen haben es die beiden auch geschafft.

Die Vorratsregale des Ehepaars Schumacher sind gut gefüllt.

Die Vorratsregale des Ehepaars Schumacher sind gut gefüllt.

Foto: Jennifer Klein

Einkochen macht Spaß, ist abwechslungsreich und – unter Beachtung einiger Regeln – auch gar nicht schwierig. Das ist die Botschaft, die Sylvia und Rainer Schumacher mit ihrer Facebook-Seite „Einkochen und leckere Küche mit Sylvia“ vermitteln wollen.

Das Homburger Ehepaar teilt die Passion fürs Einkochen: Beide haben sich – wen wundert’s ? – über eine Kochgruppe bei Facebook kennengelernt.

Inzwischen ist ihre eigene Facebook-Gruppe „Einkochen und leckere Küche mit Sylvia“ auf über 40 000 Mitglieder auf der ganzen Welt angewachsen (vor einem Jahr waren es noch rund 14 000; wir berichteten).

„Gruppen-Muddi“ Sylvia Schumacher will über das Forum früher weit verbreitetes Wissen um das Haltbarmachen von Lebensmitteln bewahren und weiter geben, wie sie sagt. Lebensmittel durch Hitze in Gläsern haltbar machen – so wie sie es selbst bei ihrer Oma immer gesehen hat, „da war das ganz selbstverständlich: Marmelade, Kompott, Sauerkraut, Fleisch, Fisch, alles wurde eingemacht“, erzählt sie.

Erst in den 1970er Jahren, als die Tiefkühltruhen aufkamen, und immer mehr Supermärkte Tiefkühlkost verkauften, geriet das Wissen ums Einmachen in Vergessenheit. Richtig Eingekochtes halte sich jahrelang, sagt Sylvia Schumacher. Viele, die zu der Gruppe stoßen, sagen „Ja, meine Oma hat das früher auch gemacht, aber sie lebt nicht mehr, ich kann sie nicht mehr fragen, und ich würde gerne wissen, wie Einkochen geht“.

Einkochprofis: Sylvia und Rainer Schumacher.

Einkochprofis: Sylvia und Rainer Schumacher.

Foto: Jennifer Klein

Seit der Corona-Krise hat das Thema und damit die Gruppe noch einmal deutlich mehr Zuspruch bekommen. Da kehren sehr viele „back to the roots, zu den Wurzeln zurück“, sagt Rainer Schumacher. Da sind viele Leute, die ein Stück Sicherheit suchen, die sich angesichts von Hamsterkäufen, leeren Supermarktregalen, eingeschränkten Ausgangsmöglichkeiten einen Vorrat anlegen wollen, entsprechend ihren Bedürfnissen – und das geht auch in einer kleinen Stadtwohnung. Die reichliche Obsternte dieses Sommers hat ebenfalls einen guten Schub gegeben – wer einkocht, hat den ganzen Winter über noch ein bisschen „Sommer im Einmachglas“.

Aber auch Menschen, die wegen Corona im Homeoffice arbeiten und dafür schnelle Mahlzeiten vorbereiten wollen, sind neu in die Gruppe gekommen. Oder Camper und Wohnmobilisten, die ihr Lieblingsessen und einen Vorrat mit auf Reisen nehmen wollen. Und noch ein Aspekt: Wer Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien hat, kann beim Eingekochten selbst bestimmen, was ins Glas kommt – von der selbstgemachten Tomatensauce bis zu Gulasch oder Kuchen.

Die Schumachers sind auch engagiert bei der Lebensmittelrettung, Foodsharing Saarland, und fungieren auch als „Abholstation“ für rund 70 bis 80 weitere Haushalte. „Das sind so viele gute Lebensmittel, die viel zu schade zum Wegwerfen sind“, sagt Rainer Schumacher. Dabei kann es schon mal sein, dass mehrere Kilo Rote Beete oder Äpfel auf einmal anfallen – das muss auch alles verarbeitet werden.

In der Gruppe gibt es zahlreiche Tipps für die unterschiedlichsten Zubereitungen – „unsere Mitglieder haben da sehr viele kreative Ideen, und wenn eine Frage auftaucht, steht Muddi Sylvia oder eine der Moderatoren mit Rat und Tat parat“. Sie kümmern sich um die Anfragen und darum, dass die Gruppenregeln eingehalten werden: „Die Atmosphäre und der Umgangston sind freundlich und familiär, Humor wird groß geschrieben“. Zum Beispiel beim Thema „Gläser mit Eingekochtem auf den Kopf stellen oder nicht“:  „Das wird von uns nicht empfohlen, da es keine Vorteile, eher Nachteile bringt. Sollten Mitglieder dies aber schreiben oder abbilden, werden wir höchstens aufklären, keinesfalls aber kritisieren oder löschen. Hier herrscht ‚Drehfreiheit’“, so Rainer Schumacher.

Nicht einkochen lässt sich nur sehr weniges: Salat beispielsweise, die Blätter würden zu matschig. Für häufig auftretende Fragen hat Rainer Leitfaden oder Checklisten erstellt, auch eine Rezeptsammlung gibt es. Und für Einkoch-Einsteiger eine Start-Anleitung.

„Muddi Sylvias“ Erfahrungsschatz und Wissen hat schon vielen geholfen. Beispielsweise im Fall eines schier verzweifelten Ehepaars aus Kirrberg, dem eine ganze Partie Eingekochtes schlecht geworden war, obwohl sie sich an die Einkoch-Temperatur und –zeiten des Glasherstellers gehalten hatten. „Aber da stimmten die Angaben hinten und vorne nicht, das war zu kurz“, erzählt Sylvia Schumacher.

Da das Thema Einkochen offensichtlich viele und immer mehr Menschen bewegt, ist inzwischen auch das Fernsehen auf das rührige Ehepaar und seine Gruppe aufmerksam geworden, Mitte Oktober war ein ZDF-Fernsehteam bei den Schumachers vor Ort. Drei Tage herrschte Ausnahmezustand „von Küche bis Keller“, dann war der Dreh im Kasten, inklusive Lebensmittelrettung in einem großen Supermarkt.  Catrin Deiters, eine der Moderatoren der Facebook-Gruppe, unterstützte Sylvia beim Einkochen in der Küche. „Das waren sehr aufregende Tage“, berichtet das Ehepaar Schumacher. Eher das ganze Drumherum, inhaltlich habe man den Leuten vom Fernsehen „das erzählt, was wir unseren Gruppenmitgliedern ja auch tagtäglich erzählen, da mussten wir uns nicht besonders vorbereiten“.

 Sylvia Schumacher (r.) und Catrin Deiters (M.) im Einsatz.  Verena Garrett und Sacha Seibert vom ZDF begleiteten sie „von Küche bis Keller“. Foto: R. Schumacher

Sylvia Schumacher (r.) und Catrin Deiters (M.) im Einsatz.  Verena Garrett und Sacha Seibert vom ZDF begleiteten sie „von Küche bis Keller“. Foto: R. Schumacher

Foto: Rainer Schumacher

„Schier erschlagen“ waren die beiden dann aber in der Folge von der Flut an Anfragen nach Aufnahme in die Gruppe nach der Ausstrahlung des Berichtes. Und gerührt von dem vielen positiven Zuspruch – eine große Anerkennung für Sylvia und ihr enormes Wissen aus rund 40 Jahren Einkoch-Erfahrung, „Sylviepedia“ sagt Rainer Schumacher mit einem liebevollen Schmunzeln.

Bleibt denn noch Zeit, um selbst einzukochen? Ja, natürlich, derzeit ist Herbstgemüse dran – und Erbseneintopf. Und weil selbst bei bestens organisierten Einkochprofis in all dem Treiben mal ein Etikett abgehen oder übersehen werden kann, gibt es bei den Schumachers im Vorratskeller ein Regal mit Gläsern ohne Etikett, das Rainer augenzwinkernd die „Etagere surprise“ nennt, immer gut für ein Überraschungsmenü.

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