Nager-Alarm Wenn die Ratten durch die Gärten spazieren

Bexbach · Wie in vielen anderen Städten, so sind auch in Bexbach zunehmend Ratten zu beobachten. So der Eindruck von Leserreporter Bernhard Baltes, Anwohner der Kolpingstraße in der Stadtmitte. Auch beim Nabu sind vermehrt Anfragen eingegangen.

 Wo Menschen leben, fühlen sich auch Ratten wohl. Inzwischen gibt es gerade in Großstädten mehr Ratten als Einwohner.

Wo Menschen leben, fühlen sich auch Ratten wohl. Inzwischen gibt es gerade in Großstädten mehr Ratten als Einwohner.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Sommerzeit bringt neben stimmungsaufhellendem Sonnenschein und lauen Abenden auch unerwünschte Gäste: Ratten. Für die ist der Aloys-Nesseler-Platz in der Stadtmitte anscheinend ein echter „Wohlfühlplatz“, so der Eindruck von Leserreporter Bernhard Baltes aus Bexbach. Der Anwohner der angrenzenden Kolpingstraße hat nicht nur zahlreiche Rattenlöcher am Rand seines Grundstücks gefunden - Ratten leben in einem Gangsystem aus engen Tunneln, die sie gegraben haben und tasten zur Orientierung ihre Umgebung mit ihren Schnurrhaaren ab. Zudem hat Baltes beobachtet, „dass just zu der Zeit, wenn die Anwohner im Sommer in ihren Gärten sitzen, die Ratten ihren Nachwuchs versorgen müssen. Und da sind die angrenzenden Gärten ein idealer Platz, nach Fressbarem zu suchen, und nicht nur nachts. Nein, auch am Tage spazieren die lieben Tierchen durch die Gärten, oft in Reih und Glied“, so Baltes.

„Ekelratten“ oder putzige Gesellen

Im Film „Ratatouille“ sind die Ratten putzige und schlaue Gesellen, die auch hervorragend kochen. In Indien werden Ratten verehrt: In Deshnok, nahe der pakistanischen Grenze, gibt es den hinduistischen Karni-Mata-Tempel, in dem schon seit dem 14. Jahrhundert Ratten gehuldigt wird. Mittlerweile werden hier rund 20 000 Nager gehalten und gefüttert, weil dem Glauben nach die Seelen der Verstorbenen in den Tieren wiedergeboren werden. Läuft eine Ratte über die Füße, bedeutet das Glück. Und auch hierzulande gibt es Tierfreunde, die Farbratten, eine spezielle Züchtung, als Haustier halten und ihnen nicht nur Intelligenz, sondern auch beeindruckende soziale Fähigkeiten attestieren. Raten sind also längst nicht nur „Ekelratten“.

Trotzdem sind die meisten Begriffe, die mit Ratten zusammenhängen, überwiegend negativ besetzt:  „Rattenloch“ für eine üble Absteige, „Rattenschwanz“ für unangenehme Folgen eines Ereignisses, „Rattenkönig“ für ein großes Durcheinander.

 Zahlreiche Rattenlöcher wie dieses hat Bernhard Baltes auf seinem Gelände und in der Umgebung gefunden.

Zahlreiche Rattenlöcher wie dieses hat Bernhard Baltes auf seinem Gelände und in der Umgebung gefunden.

Foto: Bernhard Baltes

Als Überträger von Krankheiten sind Ratten nicht umsonst seit Jahrhunderten gefürchtet. „Es geht ja nicht nur darum, dass die Nager nicht gerade eine Zierde für die Stadt sind. Sie sind ja auch ein Risikofaktor“, sagt Bernhard Baltes. Denn fest steht, dass Ratten auch heute noch Krankheiten übertragen können. Die Nagetiere scheiden Krankheitserreger über den Speichel, Urin oder Kot aus. Menschen können sich anstecken, wenn sie zum Beispiel gebissen werden oder Staub einatmen, der mit Ausscheidungen der Tiere belastet ist. Deshalb ist die Stadtverwaltung durch das Infektionsschutzgesetz dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Rattenbekämpfung zu übernehmen; auf Privatgrundstücken ist der Eigentümer für die Schädlingsbekämpfung verantwortlich.

Für Giftköder sind Fachleute zuständig

Auch in Bexbach wird eine Spezialfirma mit der Rattenbekämpfung beauftragt, wie der Erste Beigeordnete Wolfgang Imbsweiler auf unsere Anfrage mitteilt. Im Detail seien - wie Baltes von Joachim Gros vom Ordnungsamt erfahren hat – in Bexbach im Zweitraum vom 20. bis 24. Mai in den Kanalschächten Köder mit dem langsam wirkenden Gift ausgebracht worden, die Kontrolle und Nachbelegung erfolgte in der Zeit vom 9. bis 19. Juli - in Bexbach-Mitte 73 Köder. „Eine Nachbelegung erfolgt nur dort, wo die Köder angefressen oder komplett weggefressen waren“, so heißt es weiter. Zur besseren Überprüfung wird bei jedem Auslegeschacht der Kanaldeckel rot markiert. Die Firma kümmere sich auch um die ordnungsgemäße Entsorgung der verendeten Tiere.

Die Giftköder tun zwar ihre Wirkung – allerdings nur bedingt. Wanderratten sind sie in der Lage, Giftköder recht schnell zu erkennen und zu meiden, wobei sie ihre Artgenossen sogar davor warnen. Und Ratten lernen schnell, sie schicken zum Teil Vorkoster aus, die neue Nahrungsquellen austesten. Deshalb seien derlei Kampagnen „eigentlich Geldverschwendung – Wanderratten sind schlau und gleichen Verluste binnen kürzester Zeit wieder aus“, erklärt Martin Baus vom Naturschutzbund (Nabu) Altstadt. Da die Köder in die Kanalisation eingebracht würden, seien durch das Gift kaum andere Tiere gefährdet.

„Die Wanderratte ist ja nicht nur der Kulturfolger schlechthin, sondern immer enger mit den Menschen und seiner Lebensweise verzahnt – nicht von ungefähr kommen auf einen Menschen ein bis zwei der Tiere, in größeren urbanen Einheiten können es sogar noch viel mehr sein.  Will heißen: Giftköder sind vielleicht in der Lage, einzelne Tiere zu töten, aber das Problem wird dadurch auch nicht ansatzweise gelöst.“

 Auch Gelbe Säcke, die im Außenbereich gelagert werden, können Ratten anziehen.

Auch Gelbe Säcke, die im Außenbereich gelagert werden, können Ratten anziehen.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Auch beim Nabu Altstadt seien vermehrt Anfragen zu dem Thema eingegangen, so Baus, und es sei auch sein Eindruck, dass es gerade in Wohngebieten deutlich mehr Ratten gebe als früher. „Das liegt vielleicht auch daran, dass die Ratten früher mehr in den Kanälen lebten und heute zunehmend oberirdisch auf Futtersuche gehen.“ So wisse er von einem Fall, wo die Ratten es auf gelbe Säcke abgesehen hatten – „obwohl die zugebunden waren. Am nächsten Morgen waren die Säcke zerfetzt und die Ratten haben getanzt“.

Auch die Bürger sind gefragt

Auch wenn sich die Stadt mithilfe der Fachfirma bemühe, Abhilfe zu schaffen, sei es wichtig, sich nicht allein auf die Giftköder zu verlassen, erklärt Wolfgang Imbsweiler. So können die Bürger ebenfalls dafür Sorge tragen, dass Ratten kein leichtes Spiel haben, indem sie mögliche Futterquellen unzugänglich machen: „Keine Speisereste über die Toilette und damit das Kanalnetz entsorgen, keine Essensreste unachtsam wegwerfen oder auf den Kompost“, so Imbsweilers Aufruf. „Denn wenn Essensreste nicht sachgemäß im Restmüll, sondern durch die Spüle oder das WC entsorgt werden und so ins Kanalnetz gelangen, dienen sie als Lockstoffe für die Ratten. Die siedeln dann in der Nähe der Futterquelle, in der Hoffnung, dort noch mehr Nahrung zu finden.“

Gleiches gilt für Komposthaufen, offene (Bio-) Mülltonnen oder gelbe Säcke mit Nahrungsverpackungen oder Speiseresten, sie sind ebenso mögliche „Anziehungspunkte“ wie leicht zugängliche Lagerstellen für Tierfutter, zum Beispiel in der offenen Garage. Auch das Angebot von Unterschlupfmöglichkeiten für Ratten, die sich zum Beispiel in offen gelagertem Unrat ergeben können, kann minimiert werden.

Ein Patentrezept gibt es nicht

Und während auf dem Land noch Mäusebussarde, Turmfalken, Schleiereulen oder Wiesel als Jäger und natürliche Feinde die Ratten dezimieren, ist das in der Stadt eher nicht der Fall. „Es gibt auch Hunde, die auf den Rattenfang geprägt sind – etwa der Bordagero. Aber auch all das reicht nicht für eine wirksame Bekämpfung. Als mitunter zweckmäßig haben sich akustische Vergrämungsgeräte erwiesen: Die hohen Töne (Ultraschall), die sie aussenden, mögen Ratten nicht und verschwinden – allerdings nicht weit, sozusagen in Nachbars Garten“, sagt Martin Baus. Ein Patentrezept gebe es schlicht nicht, am aussichtsreichsten sei noch die Kombination der verschiedenen Maßnahmen. Denn Tierliebe hin oder her: Wander- oder  Hausratten wollen die meisten Bürger bitte nicht in Haus und Garten haben.

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