Interview mit Dirigent Sébastien Rouland Noch näher ran ans Konzertpublikum

Saarbrücken · Der Terminkalender von Sébastien Rouland ist prallgefüllt. Der Generalmusikdirektor des Saarländischen Staatstheaters hat mit seinem Orchester viel vor.

 Sébastien Rouland im Bühnenbild von Tschaikowskys Ballett „Der Nussknacker“.

Sébastien Rouland im Bühnenbild von Tschaikowskys Ballett „Der Nussknacker“.

Foto: Kerstin Krämer/KERSTIN KRAEMER

Sébastien Rouland ist ein vielbeschäftigter Mann. Momentan dirigiert der Generalmusikdirektor des Saarländischen Staatstheaters (SST) Tschaikowskys Ballett „Der Nussknacker“ und probt Händels Zauber-Oper „Alcina“, die am 4. Dezember Premiere feiert. Parallel bereitet er das neue Halbjahr vor, wenn neben Bizets „Carmen“ auch Wagners „Tristan und Isolde“ auf dem Spielplan steht.

Ursprünglich hätte der ganze „Ring“ aufgeführt werden sollen: „Wir waren mitten in den Endproben zu ‚Rheingold’, als Corona kam“, sagt Rouland und seufzt. Das werde aber nachgeholt, verspricht er. Parallel fordern die Sinfoniekonzerte seine Aufmerksamkeit. Die widmen sich in der Spielzeit 2021/22 dem Motto „Natur“. Am 28./29. November steht in der Congresshalle schon das nächste auf dem Spielplan: Unter dem Titel „Winterträume“ dirigiert Rouland beim dritten Sinfoniekonzert Poulencs „Konzert g-Moll für Orgel, Streicher und Pauken“; Solist ist Christian Schmitt, Orgelbotschafter des Saarlands und einer der international gefragtesten Konzert-Organisten.

Zudem pflegt Rouland Aktivitäten außerhalb des SST: Im Juli gastierte er in Israel, leitete ein Galakonzert in Jerusalem sowie Meisterklassen im dortigen Opernstudio. Und für die Zukunft hat er unter anderem Einladungen nach Bulgarien und Italien – Ende November kommenden Jahres wird er in Göteborg „Hoffmanns Erzählungen“ dirigieren.

Am SST profitiere er davon, dass er musikalisch den gleichen Geschmack habe wie Intendant Bodo Busse, erzählt Rouland. Seit rund 20 Jahren gilt der Franzose, der zunächst Cello studierte, sich jedoch wegen einer Verletzung auf den Taktstock konzentrierte, als einer der vielseitigsten Dirigenten seiner Generation: Roulands Repertoire reicht von Alter Musik bis zur Moderne; mit Interpretationen von Werken von Rameau, Offenbach, Massenet oder Poulenc hat er sich international immer wieder als begeisterter Verfechter französischer Musik bewiesen. Seine Wurzeln liegen im Barock: Allein Glucks „Armide“ habe er bestimmt über 70 Mal dirigiert, erzählt Rouland.

Dieser Oper verdankt er auch seine erste Produktion in Deutschland: Der heutige SST-Intendant Bodo Busse hatte ihn in Luzern entdeckt und 2002 nach Wiesbaden eingeladen. Die beiden hielten den Kontakt, 2018 holte Busse ihn nach Saarbrücken. Just sei sein Vertrag verlängert worden, freut sich Rouland: Neben der Qualität des Staatsorchesters, der kollegialen Atmosphäre am Haus und der Flexibilität des ganzen Apparats schätzt er die freundliche Mentalität der Saarländer sowie natürlich die Nähe zu seiner Heimat Frankreich, wo er mit seiner Familie auch wohnt.

Mit Händels 1735 uraufgeführter „Alcina“ probt Sébastien Rouland nun eine weitere Barockoper, mit der er bestens vertraut ist – eines seiner Lieblingswerke jener Ära. Jede Arie sei so speziell, dass man jegliches Zeitgefühl verliere, schwärmt Rouland; zudem sei die kleine Besetzung eine gute Orchesterschule und obendrein „perfekt für pandemische Zeiten“. Zwar orientiere er sich an der historisch informierten Aufführungspraxis, aber trocken werde es nicht, signalisiert er. So schlank das Ganze musikalisch daher komme, umso opulenter und fantastischer werde es visuell: Die Oper klinkt sich ins konzertante „Natur“-Motto ein und gönnt sich als Augenschmaus eine Drehbühne mit Berg und Wasserfall. Und damit ordentlich Bewegung in die Sache kommt, verkörpert das Jugendtanzensemble „iMove“ in Tierkostümen das Gefolge der urgewaltigen Zauberin Alcina.

„Das Problem bei Barockopern ist ja nicht die Musik“, erklärt Rouland, „die ist alles andere als langweilig.“ Die Crux sei meist eine vor Angst gelähmte Regie, die nicht wisse, wie sie derlei ansprechend inszenieren solle. Da darf das Publikum nun also erwartungsfroh seine Scheu ablegen. Denn in der Hinsicht, weiß Rouland, ergehe es der Alten Musik nicht besser als der Neuen – im Schauspiel dasselbe: „Die Leute gehen am liebsten in ein Stück, das sie gut kennen.“ Um Berührungsängste und Vorurteile abzubauen, möchte er daher gern die Vermittlungsarbeit intensivieren und beispielsweise die Endproben für Zuschauer öffnen, was jedoch nach wie vor an Corona scheitere.

Zusammen mit Orchestermanager Alfred Korn plant Rouland außerdem Kooperationen mit Schulen und anderen Institutionen; generell will er rausgehen mit dem Orchester, emotionaler werden. Auch nach akustisch geeigneten Kirchen streckt man die Fühler aus: Anfang Oktober spielte das Staatsorchester bereits in der Ludwigskirche in Saarbrücken.

Gastspiele sollen auf jeden Fall intensiviert werden – sofern es die Pandemie und der Spielplan zulassen. Im Frühjahr 2022 dürfen nun hoffentlich wieder Instrumentenkoffer gepackt werden: Zuerst geht’s am 5. März ins CAPE (Centre des Arts Pluriels) im luxemburgischen Ettelbruck.

Danach fiebert Rouland einem Konzert entgegen, das bereits dieses Jahr hätte stattfinden sollen: Am 12. April gastiert er mit dem Staatsorchester im illustren Pariser Théâtre des Champs-Élysées, mit einem zur Hauptstadt der Liebe passenden romantischen Programm.

Dass das Staatsorchester während der Zwangspause sein Niveau gehalten habe, davon soll man sich auch bei der Reihe „Showcase“ überzeugen können, die vom früheren Orchestermanager Stefan Eschelbach initiiert wurde. Hier öffnet sich das Große Haus für ganz unterschiedliche Musik-Stile, aktuell von Astor Piazzollas Tango Nuevo bis zu Chansons à la Edith Piaf, und auch für Gastdirigenten – die Operngala mit Star-Tenor José Cura am 13. Februar will Rouland selbst leiten.

3. Sinfoniekonzert „Winterträume“: Sonntag, 11 Uhr, und Montag, 19.30 Uhr, in der Congresshalle Saarbrücken. Karten: Tel. (06 81) 3 09 24 86.
www.staatstheater.saarland

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