Konstantin Wecker in Saarbrücken „Die Leut’ soll’n heulen!“

Saarbrücken · Musik, Poesie, Protest – Konstantin Wecker hat am Samstag in Saarbrücken ein umjubeltes Konzert gegeben. Ein besonderes Bonbon: Man konnte dem „alten Anarcho“ lauschen, wie er als zwölfjähriger Sopran „La Traviata“ sang.

 Den „Willy“ hatte er wieder dabei: Konstantin Wecker am Samstag in der Saarbrücker Congresshalle.

Den „Willy“ hatte er wieder dabei: Konstantin Wecker am Samstag in der Saarbrücker Congresshalle.

Foto: Sebastian Dingler

Am Anfang gibt’s erstmal eine Breitseite in Richtung rechts. Da packt Konstantin Wecker bei seinem Konzert in der Congresshalle noch mal den „Willy“ aus, die Ballade über einen von Neonazis erschlagenen Linken. Er hätte nicht gedacht, dass das Lied noch mal so aktuell werden würde, sagt er. Doch nur der Refrain ist von dem Song übriggeblieben, der Wecker 1977 bekannt machte. Statt Strophen spricht er am Samstagabend nur Text zu seiner Klavierbegleitung, Zeilen wie: „Bei alldem berufen wir uns gebetsmühlenartig auf unsere christlich-abendländischen Werte, die ja alle orientalischer Herkunft sind – jedenfalls wüsste ich nicht, dass die Bibel in Straßburg oder Saarbrücken geschrieben worden wäre.“ Oder: „Gaulands Vogelschiss ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, das zuvor schon zum Rand gefüllt war mit Herzlosigkeit und Verharmlosung der Nazi-Diktatur.“

Nach einem weiteren Politsong, „Den Parolen keine Chance“, erklärt Wecker, jetzt habe er ja seinen (wohlbekannten) politischen Standpunkt klargestellt, man dürfe sich nun auf einen poetischen Abend freuen. Das ist natürlich nur ein Scherz, denn der 1947 geborene Sänger äußert als „alter Anarcho“ auch im weiteren Verlauf seine Sicht der Dinge. 1968 war er im idealen Alter für den Protest gegen den „Muff unter den Talaren“,  und davon ist er bis heute geprägt. Er hoffe bezüglich der „Fridays for Future“-Bewegung auf ein neues ’68. Doch der Klimaschutz ist hier weniger Thema als der immerwährende Kampf gegen rechts. So kommt er nach der Pause mit dem Song „Das Leben will lebendig sein“ auf die Bühne – das Lied sei entstanden, nachdem in Chemnitz „tausende Neonazis Ausländer gejagt haben“.

Und doch gibt es neben dem politischen Wecker auch den romantischen, den poetischen und den humorvollen Wecker. Nicht zu vergessen, dass er ein von der Klassik stark beeinflusster Komponist und Sänger ist, der musikalisch schon immer etwas mehr zu bieten hatte als seine Kollegen Reinhard Mey und Hannes Wader. Für den Spaß an der Musik hat Wecker sich seinen Lieblingspianisten Jo Barnikel und die Cellistin Fany Kammerlander mitgebracht. Mit Barnikel liefert er sich spielerische Tastenduelle, Kammerlander dagegen darf auch mal ein Duett mit Wecker singen.

Zwischen den Songs, darunter auch viele Liebeslieder, liest Wecker aus eigenen Büchern, rezitiert Gedichte und erzählt Geschichten aus der wilden Vergangenheit. So etwa, dass er in den Neunzigern so weit unten gewesen sei, dass er statt der Textzeile „bist endlich wieder du“ immer „bist endlich wieder zu“ gesungen habe. Damals war der Musiker kokainsüchtig.

Noch weiter zurück geht es bei einer Tonbandaufnahme von 1959: Da hört man tatsächlich den 12-jährigen Konstantin, wie er im schönsten Sopran die Violetta aus „La Traviata“ singt – sagenhaft. Dem 2001 verstorbenen Vater, dem eine Karriere als Opernsänger versagt geblieben war, hat Wecker ein sehr anrührendes Gedicht geschrieben – doch Tränen gibt’s bei ihm nicht. Da habe er nämlich einst die Lektion eines seiner Musikprofessoren verinnerlicht: „Ned du sollst heulen, die Leut’ soll’n heulen!“. Es ist jedenfalls ein vergnüglicher Mix aus Musik, Protest und Poesie, den Wecker den etwa 800 Zuhörern bietet. Die lassen ihn am Ende kaum gehen und stehen immer wieder auf zum Applaudieren. Mit der besinnlichen Ballade „Schlendern“ schickt er die Leute nachhause – und wer weiß, vielleicht ist bei dem ein oder anderen doch eine Träne geflossen.

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