Alte-Musik-Star in Merzig Der erfrischende Geist des 18. Jahrhunderts

Merzig/Mettlach · Am Freitag gehen die Mettlacher Kammermusiktage zu Ende. Ein Finale mit Paukenschlag, denn Alte-Musik-Guru Reinhard Goebel wird zu Gast sein. Es ist aber auch der Schlusspunkt einer Saison, nach der Veranstalter Joachim Arnold gewisse Lehren ziehen muss.

 In Taten (als Dirigent) und in Worten immer ein Genuss: Alte-Musik-pezialist Reinhard Goebel ist am Freitag mit einem kleinen Ensemble im Merziger Zeltpalast zu Gast. 

In Taten (als Dirigent) und in Worten immer ein Genuss: Alte-Musik-pezialist Reinhard Goebel ist am Freitag mit einem kleinen Ensemble im Merziger Zeltpalast zu Gast. 

Foto: Wolf Silveri/M & T Saar/Wolf Silveri

Der Mann ist nicht bloß als Dirigent ein Ereignis. Große Gazetten priesen ihn schon mal als „Ikone der Alten Musik“ oder auch als „Erleuchtung in einem Meer der Mittelmäßigkeit“. Völlig zurecht natürlich. Nur, dass diese Lichtgestalt so ganz und gar nicht ikonenhaft daherkommt. Schon weil der Star am Pult, der seit 2010 auch Professor für Historische Aufführungspraxis am Salzburger Mozarteum ist und ein exzellenter Geiger überdies, immer klare Kante redet. Apropos Pultstar? Sowas verbittet sich der kernige Siegerländer gleich schon mal: „Ich bin Teil vom Orchester. Das Orchester spielt, nicht der Pultstar.“ Womit der Dirigent en passant auch das schillernde Bild, das viele seiner Kollegen selbst von sich zu pflegen pflegen, zurechtrückt.

Nicht mal Goebel selbst aber würde bestreiten, dass er für die historische Aufführungspraxis Bedeutendes geleistet hat. Kurz gesagt also, Musik der Bach-Ära etwa, tatsächlich so und mit solchen Instrumenten zu spielen, wie es zu Zeiten des Thomas-Kantors üblich war. Und die musiklalischen Strukturen nicht im romantischen Streicherbad zu ersäufen. Sein Ensemble Musica Antiqua Köln setzte da über drei Jahrzehnte hinweg mit Konzerten und Aufnahmen Maßstäbe in diesem Bereich. Aber Goebel, Jahrgang 1952, war und ist auch viel als Dirigent bei philharmonischen Orchestern von Rang zu Gast (darunter auch die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken  Kaiserslautern), wo er sozusagen den Spirit des 18. Jahrhunderts höchst erfrischend verbreitet.

Heute gehört denn das Wissen um diese Form des Musizierens auch in Sinfonieorchestern zum guten Ton. Mittlerweile stößt man sogar, nach Renaissance und Barock, bis weit in die Romantik und fast bis ins 20. Jahrhundert vor, um „informierter“ in Sachen Zeit- und Musizierumstände zu spielen. Goebel allerdings sieht das kritisch: Für ihn ist das 18. das Jahrhundert der Wahl.  

In Merziger Zeltpalast  nun, wohin die Mettlacher Kammermusiktage pandemiebedingt ausweichen mussten, bleibt das Programm am Freitag (Konzertbeginn: 19 Uhr) ganz in Goebels Sinn fokussiert bei Georg Philipp Telemann und Johann Sebastian Bach. Mit einem kompakten Ensemble, bei dem auch die küntlerische Leiterin der Kammermusiktage, Franziska Hölscher, als Soloviolinistin zu hören sein wird.  Es lohnt aber, schon um 18 Uhr da zu sein: Denn Reinhard Goebel stellt sich dann  im Künstlergespräch.   

Mit diesem Konzert enden die Kammermusiktage von Musik & Theater Saar (M & T) für 2021, die Franziska Hölscher und M & T-Chef Joachim Arnold jetzt schon zum zweiten Mal der Pandemie abgetrotzt haben, trotz unklarer Planungslage also ins Risiko gegangen sind.

 Musik & Theater Saar-Chef Joachim Arnold ist zufrieden mit der Kammermusik-Saison – trotz der Corona-Einschränkungen.

Musik & Theater Saar-Chef Joachim Arnold ist zufrieden mit der Kammermusik-Saison – trotz der Corona-Einschränkungen.

Foto: Musik und Theater Saar GmbH

Und Arnold zeigt sich zufrieden. Statt der üblicherweise 2000 Zuschauer, die die Reihe hat, wenn sie an ihrem Stammsitz, der Alten Mettlacher Abtei, stattfinden kann, waren es dieses Jahr zwar nur rund 1500 Gäste. Aber von denen kam „sehr viel positive Rückmeldung“, sagt Arnold. Dennoch, „unsere Besucher vermissen einfach die Alte Abtei, es gibt eine große Sehnsucht nach diesem besonderen Ort“, resümiert der Kulturveranstalter. Doch mit rund 200 Plätzen ist der historische Saal in Mettlach einfach zu klein angesichts der Hygieneregeln, die Abstand fordern. Zwar hätte das Gros der Gäste den Ausweichort, den Merziger Zeltpalast, akzeptiert, aber es seien auch Stammgäste fortgeblieben, so Arnold. Zugleich habe man feststellen müssen: Obwohl das große Zelt andere Formate möglich gemacht habe, wie etwa die Soirée mit Schauspielstar Matthias Brandt, gäbe es eben doch ein Publikum, dass Kammermusik pur wolle. „Ein Beethoven-Streichquartett ist eben ein Beethoven-Streichquartett, da kann man nicht noch irgendwelche Aktionen dazu machen“, meint Joachim Arnold. Und dies sei eben „die DNA der Kammermusiktage“. Zu viel Genmanipulationsversuche seien da eher schädlich.

Gelernt habe man auch, dass es nichts bringe, die Wochenenden mit Konzertangeboten zu überfrachten. Der Sonntagmorgen passe den Gästen offenbar am besten, sagt der Kultuveranstalter. Darauf wolle man sich den nächsten Jahren wieder mehr konzentrieren. Was sich auch auf den Nenner bringen lässt: Man will insbesondere das Stammpublikum der Traditionsreihe im Blick behalten.

In einem Punkt aber bleibt der M & T-Chef hart und konsequent modern, obwohl immer noch Beschwerden von Gästen kämen, die ihre Karten gerne klassisch kaufen und zum Konzert ein Programmheft in Händen halten möchten. „Ich drucke keine Programmhefte mehr“, sagt Arnold kategorisch. Da wird er die Zeit nicht zurückdrehen. An anderer Stelle aber sind Veranstalter und Gäste zu 100 Prozent einer Meinung: „Hoffentlich können die Kammermusiktage 2022 wieder in der Alten Abtei stattfinden.“

Konzert: Reinhard Goebel und Freunde, Freitag, 24. September, 19 Uhr, Zeltpalast Merzig. Karten im Internet.

                  

        

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