Richtungsweisendes Verfahren zur Doppelbesteuerung Saar-Rentnerin klagt vor dem Bundesfinanzhof

München/Saarbrücken · Das richtungsweisende Verfahren zur Doppelbesteuerung wird am Mittwoch in München verhandelt — mit möglichen Folgen für deutschlandweit 142 000 offene Rentnerklagen.

 Der Bundesfinanzhof in München verhandelt am Mittwoch die Klage einer Saarländerin um eine mögliche Doppelbesteuerung der Rente.

Der Bundesfinanzhof in München verhandelt am Mittwoch die Klage einer Saarländerin um eine mögliche Doppelbesteuerung der Rente.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hat am morgigen Mittwoch ein Streitthema mit einer möglicherweise weitreichenden Folgewirkung auf der Tagesordnung: Die Frage, ob der Bund die Renten zu Unrecht doppelt besteuert.

Denn dagegen wehrt sich eine Seniorin aus Saarbrücken. Nachdem ihr Eilverfahren Ende April vor dem Finanzgericht des Saarlandes gescheitert war (wir berichteten), zieht die 66-Jährige im Streit um eine Doppelbesteuerung ihrer Rente nun vor die nächste Instanz und hat – wie ein zweiter Kläger auch – Beschwerde beim Bundesfinanzhof eingereicht. Je nach Ausgang könnten auf den Bundeshaushalt Belastungen in Milliardenhöhe zukommen. In den beiden Verfahren geht es zwar um viele kleinteilig wirkende Fragen. Doch die mündliche Verhandlung am Mittwoch und die noch in diesem Monat erwartete Entscheidung haben wegen der möglichen Folgen eine enorme Dimension.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein Systemwechsel: Seit dem Jahr 2005 wird schrittweise ein immer größerer Anteil der Renten besteuert. Im Gegenzug können Erwerbstätige einen immer höheren Anteil ihrer Altersvorsorgebeiträge von der Steuer absetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat aber bereits im Jahr 2002 verboten, dass in Folge der Umstellung versteuerte Rentenbeiträge bei Auszahlung der Altersbezüge nochmals der Steuer unterliegen. Doch genau davon sind nach Angaben von Braun alle, die seit 2005 in Rente gegangen sind, betroffen.

Noch im März vergangenen Jahres hatte der Steuerberater Heinrich Braun, der die Seniorin vor Gericht vertritt, gemeinsam mit dem Saarbrücker Finanzmathematiker Klaus Schindler eine Formel vorgelegt, mit der für jeden Rentner errechnet werden kann, wie hoch der Anteil der Altersbezüge ist, der zweifach besteuert wird. Damals hatte der Steuerfachmann eine erste Musterklage aus dem Saarland auf den Weg gebracht (Az. 3 K 1072/20). Der Fall liegt bereits seit Monaten beim Finanzgericht. Bis Mitte Dezember hatten sich nach Angaben des  Finanzministeriums insgesamt rund 2000 Rentner dieser Musterklage angeschlossen. Im Januar kam dann über ein Eilverfahren der Ende April vor dem Finanzgericht des Saarlandes verhandelte Fall hinzu. Für die Rentnerin geht es dabei nicht um Kleinkram: Nach den Berechnungen von Braun und Schindler wird die Saarbrücker Rentnerin bis zu ihrem Lebensende insgesamt rund 23 900 Euro doppelt versteuert haben.

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) unterstützt die Verfahren und sieht eine Doppelbesteuerung vieler Rentner, vor der das Bundesfinanzministerium die Augen verschließe. "Da die Politik nicht handelt, muss das Thema jetzt vor Gericht gelöst werden", erklärte BdSt-Präsident Reiner Holznagel im Vorfeld der Verhandlung. Der Bund der Steuerzahler jedenfalls erwartet einen Erfolg: „Wir sind gemeinsam mit den klagenden Senioren von den Argumenten überzeugt, andernfalls würden wir die Verfahren nicht begleiten.“ Rein statistisch stehen die Chancen nicht schlecht: In etwa 40 Prozent der Verfahren vor dem Bundesfinanzhof verlieren die Finanzämter.

Aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums vom April auf eine FDP-Anfrage geht hervor, dass deutschlandweit derzeit 142 000 Einsprüche von Rentnern gegen eine mögliche Doppelbesteuerung anhängig sind. Fast alle diese Verfahren ruhen derzeit mit Blick auf die erwartete Münchner Entscheidung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort