Lernen über Youtube „Online-Medien sind für Schüler eine riesengroße Chance“

Saarbrücken · Was machen Jugendliche mit Medien und was machen Medien mit Jugendlichen? Diesen Fragen geht Karin Bickelmann seit vielen Jahren nach – auch als Leiterin des Medienkompetenzzentrums der Landesmedienanstalt Saar.

  Karin Bickelmann leitet das Medienkompetenzzentrum der Landesmedienanstalt im Saarland.

Karin Bickelmann leitet das Medienkompetenzzentrum der Landesmedienanstalt im Saarland.

Foto: LMS/ Carsten Simon/Carsten Simon

Frau Bickelmann, wie gut oder schlecht sind Youtube-Inhalte? 

BICKELMANN Man findet wie bei Wikipedia alles Mögliche. Der entscheidende Unterschied: Bei Wikipedia werden die Inhalte vor der Veröffentlichung redaktionell geprüft. Bei Youtube kann jeder einen Kanal aufmachen und reinstellen, was er möchte. Die Bewertung geschieht höchstens durch Abonnentenzahlen. Und das sagt nichts über Qualität oder Korrektheit aus.

Wie unterscheide ich als Laie seriöse von unseriösen Inhalten?

BICKELMANN Das ist schwierig. Ich würde ins Impressum schauen und gucken, wer hinter den Inhalten steckt. Ich kann dann sehen, welche Art von Einrichtung dahintersteckt, ob es eine Organisation ist oder ob es sich beispielsweise um eine Kooperation mit einer staatlichen Institution handelt. Wenn es nur eine Privatperson ist, zu der ich sonst nichts finde, wäre ich sehr vorsichtig.

Würde eine Kennzeichnungspflicht für geprüfte Inhalte helfen?

BICKELMANN Ja. Wobei dann natürlich die Frage aufkommt, ob die Jugendlichen das dann akzeptieren. Denn Youtube ist nun mal der Trendsetter, und Qualität bemisst sich nach der Zahl der Klicks und Abonnenten.

Und wie bewerten Sie das?

BICKELMANN Die Jugendlichen selber finden es natürlich toll. Und es gibt ja auch Schutzmechanismen wie Kinder-Suchmaschinen oder das Angebot Youtube Kids. Da wissen die Eltern, dass ihre Kinder nicht auf ungeeignete Inhalte stoßen. Für die Kleineren ist das ein sinnvolles Angebot. Jugendliche darf ich aber damit nicht abspeisen. Die sollten schon selbst Maßstäbe dafür entwickeln, wie sie Netzinhalte verifizieren können. Das ist ja genau das, was wir mit der Medienkompetenzvermittlung versuchen.

Wie versuchen Sie das?

BICKELMANN Wir klären in Schulen über Social Media auf, haben aber auch Online-Elternabende eingerichtet. Wir hatten dieses Jahr schon einen zum Thema Youtube. Und wir machen Lehrerfortbildungen.

Die Lehrer sind ein gutes Stichwort: Sollten alle angehenden Pädagogen nachweisen können, dass sie fit sind im Umgang mit Youtube und Co?

BICKELMANN Ja, es wäre auf jeden Fall sinnvoll, das schon in der Lehrerausbildung zu verankern. Das größte pädagogische Prinzip ist, die Kinder dort abzuholen, wo sie sind. Und sie sind nun mal bei Youtube. Lehrer müssen ihnen Werkzeuge an die Hand geben, um die Medien zu benutzen und sich nicht von ihnen benutzen zu lassen. 

Der saarländische Philologenverband warnt davor, dass die Online-Plattformen zum Lückenfüller für das werden könnten, was überlastete Schulen nicht mehr leisten können. Teilen Sie diese Befürchtung?

BICKELMANN Also ich sehe es als riesengroße Chance. Jeder weiß, dass eine Lehrkraft nicht die Zeit hat, jedem Kind alles eins zu eins zu erklären. Es gibt auch unter den Schülern verschiedene Lerntypen. All diesen Lerntypen kann eine Lehrkraft nie zu 100 Prozent gerecht werden. Dann ist es umso besser, wenn es ein ergänzendes Angebot gibt.

Sie sprechen von Angebot. Das klingt sehr positiv. Sehen Sie keine Gefahren?

BICKELMANN Doch, wie bei jedem Angebot auch. Und da sind zu Hause die Eltern gefragt. Das Herantasten an die sozialen Medien ist vergleichbar mit den ersten Metern auf dem Fahrrad: erst im Innenhof und auf dem Übungsplatz, bevor ich mein Kind auf der Straße fahren lasse.

Handhaben Sie das zu Hause genauso? Und klappt das?

BICKELMANN Ja, ich versuche es. Es klappt mal mehr, mal weniger. Aber mein Sohn ist immer wieder für den ein oder anderen Tipp ganz dankbar.

Was denken Sie über das umstrittene Video des Youtubers Rezo?

BICKELMANN Ein zweischneidiges Schwert. Grundsätzlich ist es gut, dass ein Influencer einen Meinungsbildungsprozess angestoßen hat. So merken die Jugendlichen: Politik ist auch was für uns. Dass die etablierten Parteien sich so draufgestürzt haben, ist noch mal eine andere Sache. Es ist jedenfalls gut, dass sie es aufgegriffen haben. Die Influencer nehmen nun mal Einfluss auf die Jugendlichen. Und deshalb muss man darauf eingehen. Ignorieren funktioniert nicht.

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