Ein Dorf und seine Kerb
Niederbexbach. "Straußbuwe, wemm iss die Kerb?" Unser!, "Straußbuwe, wemm iss die Kerb?" Unser! Straußbuwe, wemm iss die Kerb?" Unser! In Niederbexbach kennt fast jeder diese Fragen und diese Antworten. Dieses Wortspiel des Kerweparrers mit den Straußbuwe und ihre Määde hat Geschichte
Niederbexbach. "Straußbuwe, wemm iss die Kerb?" Unser!, "Straußbuwe, wemm iss die Kerb?" Unser! Straußbuwe, wemm iss die Kerb?" Unser! In Niederbexbach kennt fast jeder diese Fragen und diese Antworten. Dieses Wortspiel des Kerweparrers mit den Straußbuwe und ihre Määde hat Geschichte. Auch das weitere Wortspiel unter dem Strauß am Giebel "ihrer Heim-Gaststätte Zur Eiche" in der Bliestalstraße ist bestens bekannt: "Die Kerb soll lewe - " ruft der Kerweparrer. "Hoch, hoch, hoch!" schallt es ihm von den Straußbuwe - manchmal nur noch aus heißeren Kehlen - entgegen.
Kerweredd beim Bärwel
In Niederbexbach wird in disem Jahr wieder vom Samstag, 5. November, bis Montag, 7. November, die Kerb gefeiert. Höhepunkt ist am Sonntag, 6. November, die Kerweredd vor der Wirtschaft "Zur Eiche". Tage zuvor haben die Straßbuwe und ihre Määde den Kerwestrauß geschlagen, der in oft mühevoller Kleinarbeit mit bunten Bändern beim abendlichen "Bändschesknibbele" in ihrer "Straßbuwe-Wertschaft" geschmückt wurde. Bärbel Korst, Inhaberin der Gaststätte "Zur Eiche", sagt: "In diesem Jahr gibt es 50 Straßbuwe- und Määde bei uns." Sie muss es wissen, denn seit über 50 Jahren sind in dieser Niederbexbacher Wirtschaft Straßbuwe "zuhause". Als Institution galt bereits ihre Mutter Ida Gerhardt, die überall in der Gegend nur bekannt war als "Ess Idsche". Wenn "Ess Bärwel", so wird die heutige Wirtin genannt, sich erinnert, dann kommen ihr die "wilden 1950er und die 1960er" in den Sinn. Damals "lebten" sozusagen die Straußbuwe über Tage in ihrer Kneipe. Schon Tage vor der Kerb herrschte ein Treiben dort. Es wurde geschlachtet, das Bier in Fässern wurde noch auf Pferdewagen angeliefert; dazu kamen Eisstangen, die zur Kühlung der Getränke und der Speisen dienten. In Zeiten von Kühlschränken kaum noch vorstellbar. Es wurde geputzt und gewienert.
Schließlich kamen über die Kerb neben den zahlreichen Gästen auch Verwandte und Bekannte zu Besuch. Die alle wollten beköstigt werden. Hinzu kamen die Bedienungen, die meist aus dem Kuseler Musikantenland stammten. Dort kamen auch die Musikkappellen her. "Als meine Mutter Mitte der fünfziger Jahre die 24-köpfige Bigband Rote Rhythmiker von Samstagabend bis zum Hammel-Ausstanzen und Kerb-Begräbnis am Mittwoch im Saal spielen lies, war das eine Sensation." Damals gab es in dem Bauern- und Arbeiterdorf noch fünf Gaststätten. Heute wird die Kerb am Samstag, uim 14 Uhr, mit einem Fußballspiel des SV Niederbexbach "Auf der Platte" eröffnet; dann sorgt dort die Gruppe "The Best Days" für Stimmung. In der Bliestalhalle findet am Abend mit "The Bruise" ein Rock-Konzert statt. Sonntags ist Straußbuwetag, montags war und ist Frühschoppen, der früher oft auch mal bis anderntags dauern konnte. Wie einst ziehen auch heute noch die Straußbuwe von Haus zu Haus, um zu sammeln. Das Hammel-Austanzen, das einst symbolisch dazu diente, dass man auch über Winter etwas zu essen hatte, und das Begraben der Kerb sind passé.
Der Kerwebrauch in dem Dorf ist mehrere hundert Jahre alt (siehe Infokasten). Vom Ursprung hat sich über all die Zeiten noch einiges bewahrt: die Straußbuwe und ihre Määde, der Umzug mit dem Kerwestrauß, der am Stammlokal befestigt wird, die Kerweredd auf der Leiter vor der Gaststätte der Straußbuwe. Von großem Interesse ist seit jeher die Kerweredd. Dabei klettert der sogenannte Kerweparre auf eine Leiter unterhalb des zuvor aufgehängten Straußes. Dort gibt es Anekdoten, Wahres, Unwahres und Lustiges aus dem Dorfleben des abgelaufenen Jahres.
In Niederbexbach, deren Einheimische aufgrund der früheren Landwirtschaft "Malzochsen" genannt werden, gibt es auch heute noch kaum eine Familie, die nicht im Laufe der Zeit als Straußbu oder Määde am bunten Treiben teilgenommen hat. So manche Ehe fand "uff de Kerb" ihren Anfang.
Auf einen Blick
Der Kerwebrauch geht auf das Martinisingen vor über 400 Jahren zurück. Es ist ein alter protestantischer Brauch, der vor allem am Geburtstag des Martin Luther (geb. 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; gest. 18. Februar 1546 ebenda) gepflegt wurde und wird. In der Gegend um Niederbexbach mischen sich in diesem Brauch mehrere Ursprungselemente. Traditionell war der 10. November der Tag, an dem Landarbeiter und Dienstpersonal über Winter entlassen wurden. Für diese weitgehend besitzlosen Bevölkerungsschichten galt es nun, die kalte Jahreszeit ohne eigenes Einkommen zu überstehen. Einen Beitrag dazu leisteten dann vor allem die Kinder, die von Haus zu Haus zogen und insbesondere bei wohlhabenden Bauern und Bürgern um Gaben, vor allem um Lebensmittel, bettelten. jkn