Stolz, mit Nachwuchszentren zu konkurrieren

Zweibrücken. Im zweiten Anlauf in der 3. Handball-Liga hat der SV 64 Zweibrücken souverän den Klassenverbleib geschafft. Auch die A-Jugend bleibt in der Bundesliga. ´Trainer Stefan Bullacher sprach mit Merkur-Redakteurin Svenja Kissel über die Erfolge und die damit zusammenhängenden Veränderungen für den Verein.

 In seiner 20. Trainersaison beim SV 64 hat Stefan Bullacher den Verbleib in Liga drei geschafft. Foto: mw

In seiner 20. Trainersaison beim SV 64 hat Stefan Bullacher den Verbleib in Liga drei geschafft. Foto: mw

Foto: mw

Herr Bullacher, Ihre Mannschaft hat sich mit zwei Niederlagen aus der Drittliga-Saison verabschiedet. Täuscht das etwas über die eigentlich erfolgreiche Saison hinweg?

Stefan Bullacher: Das Saisonfinale zu Hause will man immer gewinnen, weil der letzte Eindruck hängen bleibt. Das hat uns allen schon ein bisschen weh getan. Wir haben uns durch unser unglaubliches Verletzungspech sozusagen auf der letzten Rille durchs Ziel geschleppt. Die Jungs wissen aber, dass sie eine fantastische Saison gespielt haben und dass der Einbruch zum Ende personellen Gründen geschuldet war.

Welches Fazit ziehen Sie nach dieser Spielzeit, in der die erste Mannschaft nach dem Aufstieg in die Weststaffel recht früh den Klassenverbleib gesichert und zudem den Saarlandpokal-Titel verteidigt hat?

Bullacher: Das Fazit ist sehr positiv. Wir haben unser Saisonziel, den Klassenerhalt, mit Platz sieben mehr als übertroffen. Wir waren eine eingeschworene Einheit, haben uns von Niederlagen nicht aus der Ruhe bringen lassen und viele Spieler haben sich hinsichtlich Persönlichkeit und Leistungsvermögen weiter entwickelt.

Woran machen Sie diesen Erfolg fest? Was war anders im Vergleich zum ersten Aufstiegsjahr in die Südstaffel der 3. Liga vor zwei Jahren, an deren Ende der direkte Wiederabstieg stand?

Bullacher: Vor zwei Jahren mussten wir viel Lehrgeld bezahlen. Diese Erfahrungen haben wir mitgenommen. Wir waren viel unaufgeregter und vielleicht ein bisschen "positiv" respektloser. Wir hatten keine Angst vor großen Namen und die Leistungsträger sind in den vergangen zwei Jahren reifer geworden.

Wo lagen in der abgelaufenen Saison die Stärken im Team?

Bullacher: Der Schlüssel zum Erfolg war meist eine stabile Abwehr mit oft überragenden Torwartleistungen. Dadurch konnten wir bei Ballgewinn viele "einfache" Tore durch unser schnelles Gegenstoßspiel erzielen. Vor allem hatten wir Gewinnertypen im Team, die nie aufgeben, immer an den Sieg glauben und bei misslungenen Aktionen nicht mit sich hadern. Das sind Jungs, die selbst Akzente setzen wollen und sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Diese positive Energie hat sich auf ihre Mitspieler übertragen. Unser Kapitän Aris Wöschler ist ein Paradebeispiel.

In der kommenden Runde wird sich das Gesicht der Mannschaft verändern. Jerome Müller, Björn Zintel, Jonas Denk und Michael Mathieu werden nicht mehr für den SV 64 auflaufen. Wie schwer wiegen diese Abgänge?

Bullacher: Jerome und Björn haben eine Bundesliga-Karriere vor sich. Da kann man sich leicht vorstellen, dass solche Qualität nur schwer zu ersetzen ist. Neben den Abgängen von Jonas und Michael bedrücken uns noch die schweren Verletzungen von Kubo Balaz (Knorpelschaden) und Erik Pohland (Kreuzbandriss). Das ist sicherlich eine schwere Hypothek.

Trotz des Wehmuts, macht es Sie auch stolz, wenn Spieler wie Müller und Zintel, die beide in Liga zwei wechseln, von höherklassigen Vereinen umworben werden?

Bullacher: Beide hatten auch schon konkrete Angebote aus der 1. Bundesliga, haben sich aber sinnvoll für eine "Step by Step"-Karriere entschieden. Dass unsere Förderung mit den Nachwuchszentren der großen Bundesligavereine konkurrieren kann, macht uns natürlich sehr stolz. Wir haben gemeinsam viele emotionale Momente erlebt, die bleiben und uns für immer verbinden. Die Herzlichkeit des Abschieds ist größer als der Wehmut.

Haben Sie so kurz nach dem Ende der Saison bereits einen Plan für die kommende Drittliga-Spielzeit im Kopf? Wie sehr wird sich die Mannschaft verstärken müssen, um erneut den Ligaverbleib zu schaffen?

Bullacher: Es haben sich einige gute Spieler selbst angetragen, deren finanzielle Vorstellungen für uns nicht darstellbar sind. Wir bleiben uns treu und bauen auch in Zukunft auf unsere eigene Jugend und Talente im Umkreis. Mit Max Sema aus der Landesliga und David Kromer, ein Student aus Kaiserslautern, haben wir bereits zwei junge Hoffnungsträger für unser Projekt gewinnen können. Die Kaderplanung ist noch nicht abgeschlossen. Wir halten weiter die Augen offen und werden sicher keine finanziellen Dummheiten dabei machen. 3. Liga mit dem kleinsten Etat aller Vereine ist möglich - das haben wir in diesem Jahr bewiesen.

Macht es der Klassenverbleib leichter, an neue Spieler heranzukommen?

Bullacher: Auf jeden Fall, allerdings nur bei Spielern, die eine sportliche Herausforderung suchen und sich weiter entwickeln wollen. Leistungsstarken Spielern, die vor allem Wert auf den Gehaltsscheck legen, ist die Klasse egal. Zurzeit ist es problematisch, weil wir durch den späten Abgang von Jerome (Ende Februar) und den Verletzungen von Kubo und Erik ein zeitliches Fenster verpasst haben, bei dem sich Spieler neu orientieren. Die Plattform 3.Liga bringt aber auch unsere Jungs in den Fokus finanzstarker Vereine . Deshalb ist es auch ein Erfolg, dass sich die meistens unserer Spieler, trotz guter Angebote, entschieden haben, bei uns zu bleiben.

Wie groß ist das Potenzial an Nachwuchsspielern für die erste Mannschaft aus der eigenen A-Jugend, die weiter in der JBLH aufläuft, sowie der B-Jugend, die gerade erst im Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft scheiterte?

Bullacher: In diesen Jahrgängen sind außergewöhnlich viele Talente, denen ich den Sprung zutraue. Die Jungs wissen aber, dass die 3. Liga keine Spielwiese ist, auf der sie automatisch mitmischen können, nur weil sie in der Jugend Erfolg haben. Wenn sie sich in dieser Halbprofiliga, mit ehemaligen Erst- und Zweitligaspielern messen wollen, reicht das Talent allein nicht. Sie müssen bereit sein, mehr zu tun als anderen.

Sie stehen dafür, junge Spieler früh in die erste Mannschaft zu integrieren. Wer gehört für Sie bei den Nachwuchsspielern zu den Gewinnern dieser Runde?

Bullacher: Neben Jerome und Björn, die ja auch noch Jugendspieler sind, was oft vergessen wird, hat sich vor allem Robin Egelhof in den Vordergrund gespielt. Aber auch Yannic Klöckner, Nils Wöschler und Patrick Bach haben gezeigt, dass sie Potenzial für die Zukunft haben.

Sie gehen nun in Ihre 21. Trainersaison beim SV 64. Wie sehr hat sich die Arbeit in dem Verein mit einer Drittliga-Männermannschaft, einem Oberliga-Damenteam, einer A-Jugend-Bundesligamannschaft sowie weiteren zahlreichen Teams im Spielbetrieb, darunter vielen in der Oberliga, hinsichtlich des finanziellen, organisatorischen und auch sportlichen Aufwands in dieser langen Zeit verändert?

Bullacher: Oh Gott, das ist gefühlt so, als ob ich mindestens fünfmal den Verein gewechselt hätte. Wir haben 1995 bei den Männern in der Verbandsliga und mit einer E-Jugend angefangen. Mit den vielen Schritten des sportlichen Erfolgs ist auch schrittweise der organisatorische und finanzielle Aufwand gestiegen. Der Verein ist mit den Gegebenheiten von 95 nicht mehr zu vergleichen. Geblieben sind allerdings die liebenswerten Menschen und die familiäre Atmosphäre.

In den vergangenen Jahren hat der SV 64 zahlreiche Erfolge im Aktiven- und Nachwuchsbereich gefeiert. Was setzen Sie sich für die Zukunft noch für Ziele?

Bullacher: Dass wir weiter am Maximum arbeiten, was für uns möglich ist. Es ist wichtig, Ziele zu haben und sie immer wieder neu zu definieren, denn wie ein Sprichwort sagt: "Wer nicht weiß, wo er hin will, muss sich nicht wundern, wenn er ganz woanders rauskommt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort