Abwehrspieler zeigen viele Schwächen Das Abwehrchaos gegen Oranje hinterlässt Spuren

Belfast · Beim 2:4 gegen die Niederlande zeigte sich, wie weit die Nachfolger von Hummels und Boateng vom höchsten Innenverteidiger-Niveau noch entfernt sind.

  Unglücksrabe Jonathan Tah (r.) schoss in seiner Heimatstadt Hamburg sein erstes Eigentor als Profi.

Unglücksrabe Jonathan Tah (r.) schoss in seiner Heimatstadt Hamburg sein erstes Eigentor als Profi.

Foto: AP/Martin Meissner

Mats Hummels versteht sich als kluger Kopf auf hintersinnige Botschaften. „Toller Test heute in Cottbus bei einer besonderen Atmosphäre“, twitterte der ausgemusterte Ex-Weltmeister nach dem 5:0 mit Borussia Dortmund in der Lausitz – just in dem Moment, als der überhaupt nicht tolle Fußballabend der Nationalmannschaft in Hamburg gegen die Niederlande gerade mit einem krachenden 2:4 nach 1:0-Halbzeitführung endete. Vier Gegentore in einer Halbzeit hatte das DFB-Team beim legendären 4:4 am 16. Oktober 2012 in Berlin gegen Schweden kassiert, als die deutsche Elf ein 4:0 verspielte.

Der erste Fehlschlag in der EM-Qualifikation löste wegen der Patzer und Unsicherheiten der Dreierkette um den besonders überforderten Eigentorschützen Jonathan Tah prompt eine Abwehrdebatte aus – und reflexhafte Rufe nach Hummels. „Dazu ist alles gesagt“, sagte Joachim Löw erwartbar der „Bild“-Zeitung. Der 30-Jährige bleibt natürlich Ex-Nationalspieler. Trotzdem schleppte Löw das Abwehr­thema und den Hummels-Geist mit nach Belfast zur nächsten Reifeprüfung seines Umbruch-Teams am Montagabend (20.45 Uhr/RTL) gegen die kampfstarken Nordiren.

Löw war über das gesamte Wochenende bemüht, seine Abwehrkräfte, die er Richtung EM-Endrunde 2020 aufbauen will, zu schützen. Er braucht neben dem gesetzten Münchner Niklas Süle entweder Matthias Ginter oder Tah im Zentrum einer Viererkette, die er nach dem Fehlerabend der Dreierreihe gegen starke Holländer im Windsor Park formieren dürfte. „Qualitätsmängel haben wir keine“, erklärte Löw energisch: „Das stellen die Spieler Woche für Woche unter Beweis.“

Gegen Oranje war Deutschlands Defensive nicht abwehrbereit. Speziell für den gebürtigen Hamburger Tah war es vor den Augen der Familie und vieler Freunde ein Alptraum­abend. Sein siebtes Länderspiel war ein einziges Desaster, mit dem ersten Eigentor seiner Profilaufbahn als unglücklichem Höhepunkt. „Wir können viel lernen aus dem Spiel“, sagte der 1,95-Meter-Hüne.

Tah, Ginter, Süle – jeder Innendecker hatte Anteil an mindestens einem Gegentor. Auch die Außen Lukas Klostermann und Nico Schulz waren sehr anfällig. Allein Manuel Neuer agierte fehlerfrei und hielt in seinem 89. Länderspiel stark. „Wir haben bewusst eine junge Mannschaft“, sagte Real-Madrid-Star Toni Kroos zum gewollten Umbruch. Der braucht Zeit – und die Spieler Vertrauen.

Ob Süle (24), Ginter (25), Tah (23) oder der nach einer Knie-OP diesmal fehlende Antonio Rüdiger (26) jemals das Weltklasseniveau erreichen werden, das Hummels und Boateng auf dem Höhepunkt des WM-Triumphes 2014 verkörperten, scheint fraglich. Die Orientierungsgröße sind aber längst andere: Die starke Innenverteidigung der Niederländer bildeten Virgil van Dijk, Champions-League-Sieger mit Liverpool und Europas Fußballer des Jahres, sowie der 20 Jahre junge Matthijs de Ligt, der gerade für über 80 Millionen Euro von Ajax Amsterdam zu Juventus Turin gewechselt ist.

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