Viel Schweinefett hält warm und schmeckt

Riegelsberg/Asuncion. Um die Familie meiner Cousine zu besuchen, begab ich mich für ein Wochenende ins paraguayische Hinterland, das "Interior" - und damit in ein anderes Jahrhundert

 Kaum zu heizende Hütten und der Brunnen: Beatrice Latz testete das Landleben in Paraguay.

Kaum zu heizende Hütten und der Brunnen: Beatrice Latz testete das Landleben in Paraguay.

Riegelsberg/Asuncion. Um die Familie meiner Cousine zu besuchen, begab ich mich für ein Wochenende ins paraguayische Hinterland, das "Interior" - und damit in ein anderes Jahrhundert.Der mit lateinamerikanischer Musik und Mentalität prall gefüllte Bus sowie die Aussicht über das unendlich flache, mit Rindern, Palmen und Hügeln gespickte Land versprach schon auf der Hinfahrt so einiges. Meine Vorfreude, Paraguay pur zu erleben, war riesengroß. Nach etwa drei Stunden erreichten wir eine weit verstreute Ansammlung von Hütten - das Dorf stellte sich als unser Ziel heraus. Während wir uns über Sandpisten weiterbewegten, kreuzten spielende Kinder, Ochsen- und Pferdegespanne unseren Weg. Meine Cousine ordnete jedem die passende Verwandtschaftsbeziehung zu: Dieser ganze Flecken Land scheint zur Familie zur gehören. Als wir schließlich unsere Hütten erreichten, gab es auch schon, nach einer schnellen aber herzlichen Begrüßung auf Guarani, das Abendessen: ein fettiger, mit Borsten verzierter Schweinebauchlappen, der ein Gemisch aus Innereien umhüllt und über dem Feuer gebrüht wird. Das Wasser dazu holten wir im Garten aus dem Brunnen. Das Essen war unbeschreiblich anders… und lecker!

Da es fast Minusgrade hatte und es sowohl an dichten Wänden als auch Heizungen fehlte, verließen wir bis in die tiefe Nacht nicht unsere Feuerstelle. Ich blieb jedoch die meiste Zeit, nicht nur wegen meiner mangelnden Guarani-Kenntnisse, sprachlos. Meine Gedanken überschlugen sich. Es liegt einfach zu nahe, mein Leben mit dem dieser Menschen zu vergleichen. Meine Cousine ist 19 und hat ihre ersten zwölf Lebensjahre an diesem Ort verbracht, ohne fließendes Wasser. Ein Kühlschrank ist neben einer Neonröhre das einzige elektrische Gerät. Die Familie ernährt sich von dem, was das riesige Grundstück hergibt. In diesem Sinne ist die Familie sogar reich. Meine Cousine arbeitet aber sehr hart in einem Hotel, um die Vierzimmerwohnung ihrer Familie in einem Vorort von Asuncion mitzufinanzieren. An ein Studium kann sie, trotz ihres Schulabschlusses, nicht denken.

So saßen wir also die ganze Nacht zusammen, und erst als wir zu Bett gingen, brachte mich die Kälte auf andere Gedanken. Ich lag unter drei Wolldecken, meiner Regenjacke und einer Jeans, die schlicht und einfach nicht mehr als fünfte Hose passte. Die Zimmer waren jedoch alles andere als gut isoliert, und so war es mir einfach zu kalt. Zum Glück merkte meine Cousine gegen 2 Uhr meinen schlaflosen Frust und hielt mich warm. Der nächste Tag begann demzufolge mit einem "Viel Fett macht auch warm!", heißt: Zwischen Morgenkaffee und Mittagessen baute ich gerne ein bisschen Reis mit Fleisch ein.

Für das "Asado", das traditionelle Sonntagsgrillen (hier in Paraguay ohne Schwenkrost) räumten wir schließlich den Kuhstall und legten zwei Schweinehälften auf das Feuer.

Die Rückfahrt auf einer der einzigen vier asphltierten Autorouten gestaltete sich recht abenteuerlich: Sieben Leute quetschten sich in einen Minijeep. Auf dem Vordersitz eine Großmutter, die das "Bewegtwerden" offensichtlich gar nicht gewöhnt ist. Wir schlafen, lachen, kümmern uns um die Oma und kaufen am Straßenrand ein. Das alles wiederrum bei dröhnender lateinamerikanischer Musik und Aussicht - Paraguay pur!

Hintergrund

 Hauptsache heiß! Die Hütte mit der Kochstelle bot in eiskalter Nacht wenigstens etwas Wärme. Fotos: Beatrice Latz

Hauptsache heiß! Die Hütte mit der Kochstelle bot in eiskalter Nacht wenigstens etwas Wärme. Fotos: Beatrice Latz

 Beatrice Latz mit zwei ihrer paraguayischen Cousinen. Die Bäume im Hintergrund zeigen, dass es in Paraguay sehr windig sein kann.

Beatrice Latz mit zwei ihrer paraguayischen Cousinen. Die Bäume im Hintergrund zeigen, dass es in Paraguay sehr windig sein kann.

Guaraní ist die Sprache der indigenen Ureinwohner Paraguays, deren Volk ebenfalls den Namen Guaraní trägt. Die große Mehrzahl der Paraguayer sind Mestizen mit spanischen und guaranischen Vorfahren. Heutzutage sind nur noch etwa ein Prozent der Paraguayer tatsächlich Guaraní, dennoch ist Guaraní die zweite Amtssprache des Landes (neben Spanisch), die auch von vier Fünftel der Bevölkerung beherrscht wird. Auf dem "Interior", dem "inneren" Land zwischen den drei großen Grenzstädten Asuncion, Encarnacion und Ciudad del Este, wird fast nur Guaraní gesprochen. Die Alltagssprache in den großen Städten selbst ist dagegen Spanisch oder Jopara, das ist eine Mischsprache. Auch im Deutschen haben übrigens Guaraní-Wörter einzug gefunden, wie etwa Jaguar, Ananas oder Piranha.

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