Markus Tressel „Ich gehe dorthin, wo es weh tut“

Saarbrücken · In einer Serie stellt die SZ die Bundestagsabgeordneten aus dem Saarland vor. Teil 2: Markus Tressel (Grüne).

Seit 2009 sitzt Markus Tressel für die Grünen im Bundestag und hat festgestellt: „Das Klima ist rauer geworden.“

Seit 2009 sitzt Markus Tressel für die Grünen im Bundestag und hat festgestellt: „Das Klima ist rauer geworden.“

Foto: Alle Rechte beim Dt. Bundestag/Achim Melde

Markus Tressel hat sein ganzes bisheriges Leben lang in der Politik, oder zumindest politiknah, gearbeitet. Seit fast einem Vierteljahrhundert ist er Mitglied bei den Grünen – mit gerade einmal 17 Jahren trat er bei. Das Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften schmiss er mit 23, um Landesgeschäftsführer der Partei zu werden (irgendwann will er es aber abschließen: Zwei Prüfungen und die Abschlussarbeit fehlen noch). Nach Stationen als hauptamtlicher Politischer Geschäftsführer und Fraktionsgeschäftsführer zog er 2009 schließlich in den Bundestag ein. Ein Berufspolitiker im wahrsten Sinne des Wortes.

Weiß so jemand überhaupt, was den „Otto Normalbürger“ bewegt? „Ich bin geerdet, und ich gehe dorthin, wo es weh tut“, sagt der 41-Jährige. Er fährt dann zum Beispiel eine Nacht lang mit der Polizei mit oder begleitet Pfleger während ihrer Schicht im Krankenhaus. Dabei wollte der Saarlouiser eigentlich nie Politiker werden. „Ich bin den Menschen zugewandt, aber ich bin niemand, der gerne auf zehn Volksfeste an einem Wochenende geht, wie Peter Müller es getan hat.“ Ihm liege die inhaltliche Arbeit mehr als das „Verkaufen nach außen“, sagt er. Viele Reden und Anträge schreibt er bis heute selbst.

Er ist Obmann des Tourismus-Ausschusses im Bundestag und Fraktionssprecher für ländliche Räume. Für nachhaltiges Reisen, Ökotourismus und einen starken Reisemarkt in Deutschland setzt er sich ein – und jettet beinahe jede Woche mit dem Flieger von Berlin ins Saarland und zurück. Hat man da als Grüner kein schlechtes Gewissen? „Na klar. Ich würde lieber die Bahn nehmen, aber dann wäre ich sieben Stunden unterwegs statt drei.“ Dann könnte er nicht nur die wenige Freizeit mit seiner Familie vergessen, sondern auch die Termine im Wahlkreis, die am Wochenende auf ihn warten. „Das Saarland ist beim Fernverkehr leider völlig abgehängt.“ Seit Jahren kämpft er für eine bessere Anbindung.

Die Entwicklung des ländlichen Raums ist für Tressel „das Megathema der Zukunft“. Immer mehr Menschen ziehen in die Städte, die Dörfer veröden. Die Politik müsse sich verstärkt der Frage widmen, wie das Leben der Menschen im ländlichen Raum gestaltet werden kann: Wie muss die Verkehrsanbindung gestaltet sein, wie die Gesundheits- und Nahversorgung? Tressel sieht es als Erfolg seiner Fraktion, dass die Frage gleichwertiger Lebensverhältnisse inzwischen auf der politischen Agenda steht. „Wir haben vergangenes Jahr vorgeschlagen, die regionale Daseinsvorsorge zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern zu machen.“ Vor kurzem hat die Bundesregierung nun eine Kommission eingesetzt, die bis 2020 Vorschläge für gleichwertige Lebensverhältnisse erarbeiten soll.

Ein Thema, das auch für das Saarland von großer Bedeutung sei, so Tressel, da es wegen des demografischen Wandels besonders von der Verödung der Ortskerne betroffen sei. Es ist nicht das einzige Thema, das er mit Blick auf das Saarland verfolgt. Seit Jahren stellt er hartnäckig immer wieder Anfragen zum militärischen Fluglärm über dem Land. Durch Anfragen von ihm kam erst ans Licht, dass im Saarland viele Autobahn-Brücken sanierungsbedürftig sind und dass die Landesregierung über Jahre hinweg Millionen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau liegen ließ.

Seit neun Jahren sitzt er nun im Bundestag, doch ewig will er das nicht machen. Für das Familienleben mit seiner Frau und den zwei und sieben Jahre alten Söhnen ist das ständige Pendeln eine Belastung. Zudem sei das Klima rauer geworden, sagt er. „Die Anfeindungen haben zugenommen.“ Morddrohungen hat er erhalten, Unbekannte warfen Bierflaschen gegen sein Haus – ganz zu schweigen von den Hasskommentaren im Netz. „Die Leute glauben, sich in der Deckung eines sozialen Netzwerks eher gehen lassen zu können.“ In den nächsten zehn Jahren werde er sicher etwas Neues anfangen, sagt er. Er könnte sich vorstellen, für eine NGO zu arbeiten, die Wissen über politische Prozesse vermittelt.

Und was macht ein Berufspolitiker, wenn er doch mal etwas freie Zeit übrig hat? Tressel verbringt sie mit seiner Familie, schippert im Segelboot über den Bostalsee oder fährt mit einem seiner acht Fahrräder („Ich bin ein Fahrrad-Freak“) übers Land. Oder – und das hätte man ihm gar nicht zugetraut – er steht in der Küche, backt Brot, macht Wurst oder kocht einen ganzen Eimer Zwetschgen ein.

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