Anwohner in Lauterbach sorgen sich wegen Hochwasser Fünf Überschwemmungen in gut vier Wochen

Lauterbach · Sorge, Zorn, Hilflosigkeit: Lauterbach-Anrainer klagen, dass sich Hochwasser häufen und immer stärker werden. Sie fühlen sich allein gelassen.

 Lauterbach-Hochwasser am Abend des 4. Juli 2018: Überschwemmte Gärten an der Lauterbacher Hauptstraße, im Teilstück zwischen Dellwieser Weg und Wiesenstraße – Folge eines Unwetter-Regens. Normalerweise ist der Bach nur ein halbmeterbreites Rinnsal. 

Lauterbach-Hochwasser am Abend des 4. Juli 2018: Überschwemmte Gärten an der Lauterbacher Hauptstraße, im Teilstück zwischen Dellwieser Weg und Wiesenstraße – Folge eines Unwetter-Regens. Normalerweise ist der Bach nur ein halbmeterbreites Rinnsal. 

Foto: Anja Marien

Als es am Mittwochabend voriger Woche gewitterte und Unwetter-Regen über der Region niederging, bekam auch Lauterbach kräftig was ab: „Land unter“ hieß es in der Nähe des Lauterbachs (wir haben berichtet).

Mit einer Mischung aus Zorn, Besorgnis und Hilflosigkeit hat sich Anja Marien an die SZ-Redaktion gewendet. Sie ist Lauterbach-Anrainerin, wohnt an der Hauptstraße im Abschnitt zwischen Dellwieser Weg und Wiesenstraße. Die Anlieger, schreibt sie in ihrer Mail, fühlen sich „von der Kommunalpolitik im Stich gelassen“. Denn die braune Brühe strömte nicht zum erstenmal in diesem Jahr in die Gärten am Lauterbach: Es sei das fünfte Mal binnen vier Wochen, dass das Gewässer über die Ufer getreten sei. Und es ist nie nur Regen, der sich in die Grundstücke ergießt: Das Wasser ist verschmutzt mit Fäkalien und „Kloakenmüll“, denn bei Starkregen läuft die Kanalisation im benachbarten lothringischen Carling über, Dreckbrühe fließt in den Bach.

Carling, schreibt Marien, müsse sein Bassin mit einem feineren Filter versehen, um wenigstens Toilettenpapier, Damenbinden und Sonstiges am Wegschwimmen zu hindern. Aber die Kommune sage, sie habe bereits alles getan und für mehr kein Geld. „Man kann uns doch nicht alleine lassen und zusehen, wie Woche für Woche unser Grund und Boden erneut kontaminiert wird“, schreibt sie fast verzweifelt.

Am Telefon präzisiert sie die Überschwemmungs-Termine. Das Unwetter Anfang Juni, das die Obere Saar schwer traf, ist am Warndt vorbeigezogen. Aber am 9., 11. und 12. Juni, dann wieder am 4. Juli, trat der Lauterbach über die Ufer. Zuvor, am 24. Mai, gab es nach Mariens Auskunft bereits ein kleineres Hochwasser. Was sie besonders beunruhigt: Bei jeder dieser Überschwemmungen sei das Wasser näher an die Häuser gerückt. „Beim letzten Mal stand es im Hof“, sagt sie. Und wenn es kommt, kommt es sehr rasch: „Das geht binnen Sekunden.“ Sie fühlt sich erinnert an das Schlammunglück von 1978 (siehe „Info“).

Fünf Stunden habe sie am Samstag gebraucht fürs Aufräumen: übelriechenden Schlamm vom Boden abrechen und abspülen, Klopapier, Tampons, Binden, Zigarettenkippen auflesen und aus den Zaunmaschen klauben. Und der Gestank sei immer noch da, von Garten-Genuss könne nicht die Rede sein.

Zaun? Den gibt es bei den meisten Lauterbach-Anwohnern. Ebenso kleine Stege und Brücken über den Bach. Denn das Gewässer läuft mitten durch die Grundstücke, zerschneidet sie. Und irgendwie müssen ja Menschen, Kinderwagen, Rasenmäher von A nach B. Aber die Einbauten machen die Lage nicht besser: Sie stauen die Flut und halten Mitgespültes fest. Deshalb ist es nach dem Wasserrecht Pflicht, mit Einbauten aller Art Abstand zu halten von Gewässern, fünf Meter auf jeder Seite. „Oh“, sagt Marien überrascht, „das wusste ich nicht.“

Aber auch wenn alle Anrainer brav Abstand hielten, die Grundsatz-Probleme wären damit nicht behoben. In einer großen Studie, grenzüberschreitend, wurden sie vor fast zehn Jahren exakt benannt. Auf französischer Seite reicht die Kanalisation nicht aus, es müsste dort größere Wasserrückhaltebecken geben. Auf deutscher Seite schafft das enge, marode Bachbett zuwenig Wasser weg, der Abfluss gehört verbessert. In Frankreich ist ein wenig passiert, wenngleich noch nicht genug, stellten die Experten 2015 in einer ergänzenden Studie fest. In Deutschland hingegen hat sich noch gar nichts getan, der miserable Abfluss blieb unverändert.

Hilft es, Engstellen und Gegengefälle (das gibt es tatsächlich, auf Google Maps kann man es auch als Laie nachvollziehen) zu beseitigen? Die Fachleute haben einen Computer mit den Daten aus ihren Bach-Vermessungen gefüttert und  Hochwasser in den digitalen Lauterbach geschickt. Ergebnis: Trotz Verbesserungen stünde immer noch halb Lauterbach unter Wasser, der Abfluss reicht nicht – das Bachbett ist einfach zu schmal. Die Experten haben weiter gerechnet: Wie breit müsste das Bachbett werden, um die Anwohner vor Überschwemmungen zu schützen? Und was würde das kosten? Für Hochwasser, wie sie statistisch alle fünf Jahre vorkommen, haben sie eine Lösung gefunden: Bekäme der Bach gleich hinter der Grenze vier Meter Platz und im weiteren Verlauf bis zum Ortsausgang bis zu sieben Meter, kann er eine Fünf-Jahres-Flutwelle schadlos wegschaffen. Und bei heftigeren Hochwasser-Ereignissen, die statistisch seltener eintreten, würde die Verbreiterung die Schäden deutlich mindern. Kostenschätzung seinerzeit: rund 1,5 Millionen Euro.

Der Haken: Man kann das Projekt nicht stückweise verwirklichen. Es funktioniert nur, wenn der drei Kilometer lange Lauterbacher Bach-Abschnitt als Ganzes umgebaut wird. Auch die Anwohner – alle! – müssten mitspielen und Flächen abgeben; 2015 war die Bereitschaft dazu begrenzt. Was Anja Marien, die erst vor drei Jahren zurückkehrte in ihren Heimatort Lauterbach, nicht ganz verstehen kann: „Man muss doch abwägen, was das kleinere Übel ist“, sagt sie nachdenklich.

Aber bisher kann die Stadt Völklingen sowieso nicht aktiv werden. Sie hat kein Geld, braucht Zuschüsse. Und das Land, das sich finanziell engagieren müsste, hat angesichts der Kosten zunächst zögerlich reagiert – und ein weiteres Gutachten angefordert. Das ist dem Vernehmen nach noch nicht ganz fertig.

Auf der Internetseite des saarländischen Umweltministeriums findet man eine interaktive Karte, auf der man hausnummerngenau die Folgen eines 100-Jahre-Hochwassers am Lauterbach ablesen kann.

 Bei einem 100-Jahres-Hochwasser würde der Lauterbach stellenweise ein gut 60 Meter breites Gewässer. Diesen Ausschnitt aus der Online-Karte des Umweltministeriums, die die Risiken zeigt, veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung der Ministeriums-Pressestelle.

Bei einem 100-Jahres-Hochwasser würde der Lauterbach stellenweise ein gut 60 Meter breites Gewässer. Diesen Ausschnitt aus der Online-Karte des Umweltministeriums, die die Risiken zeigt, veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung der Ministeriums-Pressestelle.

Foto: Umweltministerium
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