Bedrückender Unterricht Aussteiger aus Neonazi-Szene unterrichtet Sulzbacher Schüler

Sulzbach · Manuel Bauer hat den Ausstieg geschafft und spricht im Theodor-Heuss-Gymnasium über seine Zeit bei den Rechten. Und über sein neues Leben.

Der Beamer im Bistro des Sulzbacher Theodor-Heuss-Gymnasiums wirft die Powerpointpräsentation an die Wand. Und was die Schülerinnen und Schüler der Klassen 10 und 11 in den nächsten 90 Minuten sehen und hören, ist schwere Kost. Es ist die Geschichte von Manuel Bauer, einem bekannten Aussteiger aus der Neonazi-Szene.

„Ich habe einer schwangeren Frau in den Bauch getreten. Ich habe eine indische Familie mit einem fünfjährigen Mädchen zusammengetreten. Ich habe Leute angestiftet, Straftaten zu begehen.“ Geständnisse, die bei den jungen Zuhörern Wirkung zeigen. Ungläubige Blicke, Entsetzen, auch Furcht ist in den Gesichtern abzulesen. Und die Frage nach dem Warum.

„Nach der Wende herrschte im Osten Anarchie. Gewalt war an der Tagesordnung. Als zwei meiner Freunde sagten, sie seien rechts, war ich es auch. Ich wollte ja dazugehören. Zuerst war ich nur Mitläufer und Mitsäufer“, erzählt Bauer von den Anfängen und seinem Aufstieg in der Szene. Dabei entlarvt er einige der Taktiken, mit denen sich Brandstifter als Biedermänner verkleiden. „Musik ist dabei ein psychologisches Rekrutierungsmittel. Sie weckt Emotionen. Konzerte sind Kontaktbörsen und Geldmaschinen zugleich“, sagt der Sachse.

„Als die Kameraden meine Wohnung ausräuchern wollten, kam es zum Bruch“, erzählt der 40-Jährige, der über die Organisation „Exit“ den Ausstieg geschafft hat und nun mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung eben derartige Vorträge an Schulen hält. Doch genau diese Phase des Umbruchs ist die schwächste in seiner Darstellung. Auch die regen Nachfragen der Schüler bringen hier keine weitere Öffnung des Täters, der nun Aufklärer ist. Er wolle sich bei all seinen Opfern entschuldigen, das sei aber für beide Seiten eine hohe psycholgische Belastung. Zwei Opfer hat er getroffen. Das indische Mädchen sei mittlerweile Anwältin.

Nach seinem Ausstieg 2006 musste Bauer Sachsen verlassen, wurde nach Baden-Württemberg umgesiedelt. Die Betreuung durch einen Psychologen, neue Freunde und Kollegen, aber vor allem seine dreijährige Tochter haben aus dem Neonazi das gemacht, was er früher verabscheut hat: einen Gutmenschen. Für die Sulzbacher Schüler war es Politikunterricht ganz anders. Mit offenen Worten, harten Fakten, teilweise widerlichen Einsichten. Die Botschaft kam aber an, wie Maya Weisenbach wohl für viele Zuhörer feststellte: „Es war beeindruckend, wie offen er darüber reden konnte.“

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