„Stadt hätte mehr sparen können“

Saarbrücken · Weil die Banken nach der Finanzkrise nicht mehr ohne Weiteres Kredite an Kommunen vergeben, will Bürgermeister Ralf Latz den niedrigen Zinssatz für einen weiteren Kredit festschreiben. Darüber müsse er nach einem Votum des Stadtrats mit den Banken verhandeln.

Die Haushaltslage der Stadt wird immer prekärer. 2015 ist Saarbrücken überschuldet, sagt Georg Jungmann (CDU), Staatssekretär im Innenministerium. Das heißt: Die Schulden bei den Banken übersteigen die Werte des städtischen Vermögens. 2014 steht die Stadt mit rund 1,18 Milliarden Euro bei den Banken in der Kreide. Doch die Überschuldung ist im saarländischen Kommunalen Selbstverwaltungsgesetz (KSVG) gar nicht vorgesehen, erklärt Jungmann. Also dürfe er einer überschuldeten Kommune auch keinen Haushalt genehmigen. Im KSVG steht nach Angaben Jungmanns bisher: "Eine Kommune darf nicht überschuldet sein." Dieser Satz solle nun geändert werden und heißen: "Eine Kommune soll nicht überschuldet sein."

Dadurch werde es möglich, der Stadt Saarbrücken einen sogenannten "Sanierungshaushalt" zu genehmigen, erklärt Jungmann. Das Gesetz habe die Landesregierung in den Landtag eingebracht, und es werde eventuell noch vor der Kommunalwahl verabschiedet. Jungmann: "Damit haben wir die rechtliche Möglichkeit, Kommunen Auflagen zu machen. Bisher konnte das Landesverwaltungsamt nur sagen, die Stadt muss sparen, aber nicht wo. Künftig könnte das Amt sagen: Wir sehen hier konkret Einsparpotenzial. Das wird sich aber entwickeln müssen." Die Stadt Saarbrücken werde bei den freiwilligen Ausgaben kürzen müssen.

Jungmann betont, nur weil das neue Gesetz auf dem Weg ist, habe das Innenministerium überhaupt den Haushalt 2014 der Stadt Saarbrücken genehmigt. Die Stadt Friedrichsthal, die seit 2012 überschuldet ist, habe einen Haushaltssanierungsplan aufstellen und das Landesverwaltungsamt (Lava) jede freiwillige Ausgabe genehmigen müssen. Das sei bei der Landeshauptstadt gar nicht möglich, sagt Jungmann: "Das Lava ist schon jetzt an der Grenze der Belastbarkeit."

Warum hat das Gutachten, das die Stadt von 2010 bis Ende 2014 zu Einsparungen von 30 Millionen Euro zwingt, die Überschuldung nicht verhindert? Der Staatssekretär attestiert der Stadt, dass sie gespart hat, doch die Gutachter hätten nie gesagt, mit diesen Einsparungen verhindere Saarbrücken die Überschuldung. Jungmann: "Die Verwaltung hätte weit mehr sparen können."

Die Forderung der Stadt, das Land müsse sie stärker aus dem kommunalen Finanzausgleich unterstützen, lehnt Jungmann ab. Saarbrücken werde beim Hauptkriterium für die Schlüsselzuweisungen, der Einwohnerzahl, besonders berücksichtigt. Diese ist in den Berechnungen höher als tatsächlich, weil die Stadt besondere Belastungen zum Beispiel bei der Reparatur der Straßen habe, die viele Pendler nutzen.

Für Jungmann ist klar: "Jetzt einfach die Schlüsselzuweisungen zu erhöhen, reicht nicht. Wir müssen die Wirtschaftskraft stärken. Das ist eine Landesaufgabe." Der Staatssekretär verweist darauf, dass die saarländischen Kommunen nur auf 70 Prozent der durchschnittlichen Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden in Westdeutschland kämen.

Hat Saarbrücken denn überhaupt eine Chance, das riesige Schuldenproblem zu lösen? Georg Jungmann: "Nein, ohne Hilfe von außen wird das sehr schwer." Bürgermeister Ralf Latz (SPD) fordert eine Verwaltungsreform im Saarland: "Wir leisten uns eine gigantische Verwaltung. Das kann man straffer organisieren." Latz glaubt, die hoch verschuldeten Kommunen könnten viel Geld sparen, wenn nicht jede alles macht, sondern Dienstleistungen konzentriert werden. Er schlägt zum Beispiel vor, die Computerdienstleistungen oder die Personalkostenabrechnung zu zentralisieren. Welche Aufgaben Saarbrücken und die anderen Kommunen übernehmen, müsse in Verhandlungen geklärt werden. Latz fordert, dass hier die Landesregierung und der Saarländische Städte- und Gemeindetag an einem Strang ziehen.

Der Handlungsbedarf werde zunehmen: 2019 laufe der Bund-Länder-Finanzausgleich aus. Dann stehe auch zur Debatte, wohin künftig das Geld aus dem Solidaritätszuschlag fließt, und die Schuldenbremse für Länder und Kommunen trete in Kraft, sagt Latz: "Der Druck wird immer größer." Das mache sich mittlerweile auch daran bemerkbar, dass die Banken nicht mehr ohne Weiteres bereit seien, Kredite zu vergeben - obwohl Saarbrücken wie der Bund noch das höchste Rating "AAA" habe, wie Latz versichert. Die Verwaltung wolle deshalb vom Stadtrat noch vor der Kommunalwahl die Genehmigung, mit den Banken über einen Kredit in Höhe von 100 Millionen Euro zu verhandeln und den derzeit niedrigen Zinssatz festzuschreiben, bevor die Zinsen wieder steigen. Das sei sehr wichtig, weil kürzlich auf eine Kreditanfrage nur wenige Banken reagiert hätten.

Latz betont, dass die Stadt in den vergangenen Jahren viel gespart hat und weitersparen müsse. Er werde aber keine Einrichtungen schließen: "Wir müssen aber zum Beispiel das Filmhaus und die Bibliotheken günstiger organisieren." Beim Angebot für die Bürger will Latz nicht sparen, das gelte auch für die Bürgerämter. Aber selbst wenn die Stadt nur noch die Pflichtaufgaben erledige und auf alle freiwilligen Ausgaben verzichte, bleibe das "Altschulden"-Problem. Latz stellt klar, die Landesregierung könne die Stadt nicht zu Sparmaßnahmen zwingen, wenn die Überschuldung eintritt. Das sei Sache der Kommune. Der Finanzdezernent fordert aber eine stärkere Berücksichtigung der Sonderlasten der Landeshauptstadt und nennt die Straßen und die Berufsfeuerwehr.

Alleine bei den Bundes- und Landesstraßen klaffe trotz der Zuschüsse des Landes ein jährliches Loch von zehn Millionen Euro. Doch die Landesregierung sieht das anders. Kann er noch beim Personal sparen? Latz: "Nein. Wir haben schon Hunderte von Stellen gespart und effektiv abgebaut."

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HintergrundNach einem komplizierten System erhält die Stadt Saarbrücken aus dem kommunalen Finanzausgleich Geld vom Land. 2014 sind das rund 79 Millionen Euro. Diese Zuschüsse richten sich nach dem Bedarf. Nach Angaben des Ministeriums erhält Saarbrücken mehr Geld als andere, weil die Stadt als Oberzentrum eine besondere Bedeutung hat und neben den Einwohnern auch viele Pendler diese Straßen nutzen. Für Letzteres werden der Stadt 3500 Einwohner zusätzlich angerechnet. Und weil die Einwohnerzahl das wichtigste Kriterium für die Verteilung des Landesgeldes ist, bekomme Saarbrücken mehr als andere Kommunen. Das Ministerium sagt gleichzeitig: "Nicht nur die Stadt Saarbrücken trägt Sonderlasten, sondern auch andere Kommunen. Daher können andere Gemeinden ebenfalls und unter Umständen sogar stärker profitieren." sm

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