Sie gibt kranken Kindern Kraft

Saarbrücken · Übermorgen ist im Saarland Tag der Pflege. Wir stellen zwei Frauen vor, die Kranken helfen. Ihre Fürsorge gilt jungen Menschen auf dem Winterberg. Und alten Menschen auf der Auersmacher St.-Barbara-Höhe.

 Stationsleiterin Doris Morlo beobachtet genau, wie es der kleinen Emma geht. Die Zuwendung, die dabei gleichzeitig rüberkommt, entspannt die sechs Monate alte Patientin. Fotos: Oliver Dietze

Stationsleiterin Doris Morlo beobachtet genau, wie es der kleinen Emma geht. Die Zuwendung, die dabei gleichzeitig rüberkommt, entspannt die sechs Monate alte Patientin. Fotos: Oliver Dietze

 Büroarbeit im Schwesternzimmer gehört in jeder Schicht dazu.

Büroarbeit im Schwesternzimmer gehört in jeder Schicht dazu.

 Judith Köhler vor dem Caritas-Seniorenzentrum auf der St.-Barbara-Höhe. Foto: Becker&Bredel

Judith Köhler vor dem Caritas-Seniorenzentrum auf der St.-Barbara-Höhe. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel
 Doris Morlo hilft der Assistenzärztin Sara Fernandes bei einer Blutentnahme.

Doris Morlo hilft der Assistenzärztin Sara Fernandes bei einer Blutentnahme.

Sachte Berührungen, begleitet von leisen Worten - und Emma lacht. Die Stationsleiterin, Kinderkrankenschwester Doris Morlo, lacht mit. Sie hält das sechseinhalb Monate alte Mädchen im Arm. "Beobachten ist ganz wichtig, denn viele Kinder können uns ja noch nicht sagen, was ihnen fehlt." Alles scheint in Ordnung.

Das freut Emmas Mutter Bianca Stockmeier. Sie lebt mit dem Töchterchen seit drei Tagen im Klinikum Saarbrücken. "Ich fühle mich gut integriert", sagt Stockmeier. Morlo will das in ihren frühen Berufsjahren noch undenkbare Miteinander von Kindern, Vätern und Müttern im Krankenhaus nicht missen. Denn: "Wir erreichen die Kinder gut über die Eltern."

Die Stockmeiers haben ein Zimmer auf der Kinderstation C 2. Dort sieht Doris Morlo gegen 10 Uhr nach dem Rechten. Kurz zuvor hat sie Sunny-Fee Muchow besucht und sich angeschaut, ob die Infusion richtig läuft. Papa Mark ist bei dem tapferen Mädchen. Zufrieden? Aber ja. Wenn auch unübersehbar sei, wie viel Arbeit die Leute hier stemmen müssen.

Unterdessen spricht Schwester Doris mit Sunny-Fee. Sie hat einen Milchzahn verschluckt. Die Schwester tröstet das Mädchen. Morlo ist auf der C 2 Chefin eines 30-köpfigen Teams aus Schwestern, Stationshilfen und einer Sekretärin. Ihr Arbeitstag hat um 6 Uhr mit der Stationsübergabe begonnen. Wer ist neu? Wie geht's den Kindern? Wer kümmert sich um wen?

"Wichtig ist das familiäre Klima. Kinder haben ganz feine Antennen. Kommandoton geht hier gar nicht", sagt Morlo. Sie hat 41 Jahre Erfahrung in der Kinderkrankenpflege. Jahrzehnte des Lernens mit zwei Marksteinen liegen hinter ihr: der Aufstieg zur Stationsleiterin im Jahr 2000, die Weiterbildung in Qualitätsmanagement 2007. "Fortbildung ist das A und O. Merke: Die Ausbildung ist vorbei, und erst dann lernt man." Was sie dazulernt, hilft auch anderen. Etwa wenn sie Eltern und Kindern lebenswichtiges Wissen über das richtige Verhalten bei Diabetes vermittelt. 15 Jungen und Mädchen liegen heute auf der C 2. Die Jüngsten sind im Babyalter, der älteste Patient ist 16. Vor jeder der blauen Türen hängen Einmalhandschuhe. Sprüher mit Desinfektionsflüssigkeit sind allgegenwärtig. "Hygiene ist wichtig", sagt Morlo. Sie kommt oft mit den jungen Patienten in Kontakt. Spritzen in und unter die Haut, also etwa Insulin-Injektionen, sind Sache der Schwestern. Blutentnahmen, Spritzen in die Venen und das Anlegen von Infusionsnadeln erledigen die Ärzte.

Was noch wichtig ist? Proben verschicken, Medikamente zusammenstellen. Hinzu kommt therapiebegleitende Pflege. Sie gilt heute dem Frühgeborenen ebenso wie dem chronisch kranken jungen Erwachsenen, der immer wieder im Klinikum auf dem Winterberg Hilfe findet. Frühchen aus der Intensivpflege gilt es aufzupäppeln, bis sie 2000 Gramm wiegen. Kinder mit Epilepsie brauchen sachgerechte Pflege ebenso wie Diabetiker. Unablässig drängt die Welt von draußen mit ihren Anliegen und Sorgen in die C 2. Ständig läutet das Mobiltelefon. "Station C 2, Schwester Doris, guten Tag…" Zuhören, klären. Weiter geht's mit der Pflege. Wo Kinder krank sind, dauert vieles länger oder widersetzt sich Zeitplänen. "Schläft ein Kind kurz vor der Untersuchung, machen wir eben einen neuen Termin." Der Klinikalltag ist hart genug. Nur noch drei bis fünf Tage bleiben die jungen Patienten. Waren Zimmer früher nur einmal pro Woche neu herzurichten, steht das heute dreimal so oft an. "Das ist stressiger - für alle Beteiligten", sagt Morlo. "Das große Problem ist: Man hat nie so viel Zeit, wie wir es uns wünschen würden."

Und nicht immer kommt die Medizin schweren Krankheiten bei. Es ist sehr hart, wenn Kinder sterben. Das ist auf der C 2 selten, kommt aber vor.

Schwer trägt Morlo am Los von Kindern, denen Erwachsene Leid zufügen. "Ich bin traurig über das, was drogenkranke Mütter ihren Kindern aufbürden. Diese Frühchen müssen vorneweg drei Monate bleiben, um das Gift loszuwerden."

Nach und nach mischen sich neue Gesichter unter die Frühschicht-Crew. Wieder folgt ein Sich-Einstimmen auf das, was heute los ist. Unterdessen huschen Kugelschreiber über Unmengen von Papier. Dokumentation bleibt bei der Übergabe ein großes Thema.

Nun, da Morlo ihr Tagwerk einmal mehr verrichtet hat, fragt sie sich angesichts der Berichte über unterfinanzierte Kliniken, ob Politik und Krankenkassen überhaupt wissen, was sie und ihre Kollegen leisten. "Wo ist die Wertschätzung für die Pflege?" Diese Wertschätzung kommt von den Patienten und ihren Eltern.

Die Energie für die nächste Schicht liefern Morlo ihre Familie und die Hobbys, Radfahren und Lesen. "Ich kann rausgehen, und dann bin ich richtig weg. Aber ich fühle mich auch über die Schicht hinaus verantwortlich für diese Station. Denn es ist der richtige Beruf." Nächsten Montag geht's los. 20 Männer und Frauen erweitern im Caritas-Seniorenzentrum St.-Barbara-Höhe ein Jahr lang ihr Wissen über den letzten Abschnitt des Lebens. Dann startet der erste 160-stündige Palliativ-Pflegekurs im Seniorenheim. Die Kurse stehen examinierten Pflegekräften offen, ganz gleich, wo sie arbeiten. Palliativpflege oder Palliative Care ist auf die Bedürfnisse von Menschen ausgerichtet, die unheilbar krank sind oder bald sterben müssen.

Die Kursteilnehmer lernen in einem dafür umgebauten Trakt des Heims. Es riecht noch nach frischer Farbe im Seminarraum, dem Zentrum der vier je einwöchigen Unterrichtsblöcke. Judith Köhler (48) leitet beim Heimträger CTS seit 2005 die Palliative-Care-Kurse wie zuvor am St.-Michaels-Krankenhaus Völklingen. Die Fachkrankenschwester für Onkologie, Schmerz- und Palliativmedizin gehört zum dreiköpfigen Leitungsteam auf der St.-Barbara-Höhe. Gerade in Altenheimen muss das Personal über die sachgerechte Pflege auf dem letzten Lebensabschnitt Bescheid wissen. "Es gibt viele alte Menschen mit fortgeschrittenen Krankheiten. Wichtig sind zum Beispiel guter Rat zur Patientenverfügung und die Anliegen, die Ängste der Kranken und Sterbenden."

Um all das zu erkunden, müssen Pflegende mit ihrem Gegenüber erst einmal ins Gespräch kommen. "Gesprächsführung ist ein großes Thema. Das Tempo und die Inhalte geben die Betroffenen vor." Dabei geht es nicht nur ums Kranksein und ums Sterben, sondern um letzte Lebensqualität. Die Schmerztherapie sowie die Nebenwirkungen von Medikamenten haben ebenso Platz im Lehrplan wie die Behandlung von Atemnot, Übelkeit, Unruhe, Angst oder Verwirrtheit. Dozentin Maria Blatt-Bodewig leitet die Palliativstation der Caritasklinik St. Theresia. Referent Dr. Jürgen Walter kommt vom ambulanten St.-Jakobus-Hospiz. Judith Köhler wird den Pflege-unterricht erteilen. Dort, wo der Tod zum Alltag gehört. Die Freude am Leben aber auch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort