„Lebenslanges Lernen wird zur Normalität“

Weiterbildung ist eine Möglichkeit, sich dem Fortschritt anzupassen, und erhöht Berufschancen. SZ-Redakteur Peter Wagner sprach mit IHK-Präsident Richard Weber und IHK-Hauptgeschäftsführer Volker Giersch.

Herr Weber, Ihr Unternehmen hat Ihnen nach vielen Jahren jetzt ein neues iPhone mit auf den Weg gegeben. Ein praktisches Beispiel für berufliche Weiterbildung?

Weber: Ja, ein Beispiel für learning by doing. Ich lerne gerade neue Benutzermenüs, Smartphone-Funktionen und Apps. Andere lernen eine Fremdsprache. Lernen ist wichtig, trainiert unser Hirn und hält geistig fit. Auch deshalb ist lebenslanges Lernen ein Muss.

Ob das alle so sehen?

Giersch: Vielleicht nicht alle, aber wohl doch die meisten. Denn der Mensch ist von Natur aus neugierig und wissensdurstig. Und je spannender sein Umfeld ist, desto größer ist zumeist auch sein Wissensdurst. Das gilt auch für die Arbeitswelt. Abwechslungsreiche Arbeit, die die Mitarbeiter fordert, regt an zum Lernen, schafft Lernmotivation. Das wissen die Unternehmen. Und sie handeln zumeist auch so.

Herr Weber, Sie haben die Sicherung des Fachkräftebedarfs als die zentrale Herausforderung für das Saarland bezeichnet. Welche Rolle spielt dabei Weiterbildung?

Weber: Eine ganz wichtige! Für die Unternehmen wird es zunehmend schwieriger, qualifizierte Nachwuchskräfte zu gewinnen. Wir müssen gegensteuern, damit der Fachkräftemangel nicht zur Wachstumsbremse wird. Die Wirtschaft braucht Mitarbeiter, die mit Ideen und Wissen dazu beitragen, Betriebsabläufe besser zu gestalten und neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeiter sich ständig weiterbilden - gerade auch die Älteren. Deren Erfahrungsschatz ist unverzichtbar.

Und deshalb, Herr Giersch, setzt die IHK stärker noch als bisher auf berufliche Weiterbildung?

Giersch: Genau so ist es. Wir wollen gemeinsam mit unseren rund 60 Bildungspartnern sicherstellen, dass alle, die an Weiterbildung interessiert sind, hier im Land ein attraktives und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Angebot vorfinden. Und da sind wir bereits auch auf einem guten Weg. Im Frühjahr konnten sich die Besucher unseres Aktionstages wieder davon überzeugen, wie breit gefächert unser Weiterbildungsangebot ist.

Welche Themen stehen heute im Mittelpunkt und welche künftig?

Giersch: Die Nachfrage nach Weiterbildung wächst insbesondere im technisch-gewerblichen Bereich. Die hohe Innovationsdynamik unserer Wirtschaft und der rasche technische Fortschritt erfordern hier eine ständige Fortbildung. Dies gilt etwa für den Bereich der Automatisierungs- und Steuerungstechnik, für die Informations- und Kommunikationstechnik, aber auch für die Logistik. Eine wachsende Bedeutung gewinnen auch Querschnittsthemen wie Qualitätsmanagement oder Energieeffizienz. Und ein weiterer Trend ist erkennbar: Demographiebedingt werden Themen rund um den Bereich Gesundheit und Fitness im Aufwind liegen. Wir haben darauf bereits reagiert: Unser Weiterbildungsangebot umfasst hier beispielsweise Qualifizierungen zur "Fachkraft für betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK)" oder zum "Fitness- und Gesundheitscoach (IHK)".

Wie rechnet sich Weiterbildung für die Mitarbeiter?

Weber: Je höher die Qualifikation, desto besser die beruflichen Chancen. Und es winkt eine höhere Entlohnung. Berufliche Weiterbildung zahlt sich also für beide Seiten aus. Es ist eine Investition mit hoher Rendite.

Giersch: Die Wirtschaft investiert viel in berufliche Weiterbildung, die Unternehmen stellen Mitarbeiter für die Dauer der Lehrgänge frei und übernehmen meist auch die Lehrgangskosten.

Wie sieht es konkret mit Angebot und Nachfrage aus?

Giersch: Seit 2002 ist die Zahl der Teilnehmer an IHK-Zertifikatslehrgängen um etwa 50 Prozent auf 2000 pro Jahr gestiegen. Hinzu kommen 2100 Absolventen im Bereich der beruflichen Aufstiegsfortbildung. Die Abschlüsse hier sind Industrie-Meister, Wirtschaftsfachwirt, Betriebswirt und Bankfachwirt.

Wie hoch ist der Anteil älterer Teilnehmer?

Giersch: Die Zahl der über 45-Jährigen an unseren Zertifikatslehrgängen hat sich in den letzten zehn Jahren von zehn auf 30 Prozent verdreifacht! Das zeigt: Lebenslanges Lernen wird mehr und mehr zur Normalität. Deutlich gestiegen ist übrigens auch der Anteil weiblicher Teilnehmer. Jedes zweite IHK-Zertifikat geht heute an eine Frau.

Sind nicht auch die vielen Geringqualifizierten, die noch arbeitslos sind, ein Potenzial?

Giersch: Ja, dieses Potenzial müssen wir schnellstmöglich heben. Wir müssen Arbeitslose mit geringer Qualifikation fit machen für den Arbeitsmarkt. Wirtschaftsorganisationen, Landesregierung und Arbeitnehmerorganisationen setzen hier im Rahmen der Allianz für Fachkräftesicherung bereits viele Impulse. In der IHK etwa bieten wir gemeinsam mit unseren Bildungspartnern zurzeit mehr als 300 IHK-Zertifikatslehrgänge an - etliche davon gezielt für Geringqualifizierte. Das Angebot ist also groß und vielseitig. Wir müssen darauf hinwirken, dass es künftig noch stärker genutzt wird.

Wie können die Unternehmen stärker dazu bewegt werden, ihre Mitarbeiter fortzubilden?

Weber: Die Unternehmen wissen sehr genau, dass eine vorausschauende Qualifizierung wichtiger denn je ist. Und sie leisten bereits Beachtliches. Weiterbildung ist gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein zentrales Instrument der Personalentwicklung. Die Unternehmen wissen das und werden entsprechend handeln. Sie brauchen keine Motivation von außen. > Serie wird fortgesetzt

Zum Thema:

Auf einen BlickDie Saarbrücker Zeitung beleuchtet in ihrer Serie unterschiedliche Facetten der Weiterbildung im Saarland. Wir stellen Angebote vor, sprechen mit Betroffenen und geben praktische Tipps. Die einzelnen Beiträge erscheinen - in der Regel mittwochs - in den Lokalteilen der SZ. Vorgesehen sind folgende Themen: Teil 1 (bereits erschienen): Das Saarland setzt Akzente (Interview mit Wirtschaftsminister Heiko Maas). Teil 2 (bereits erschienen): Lernen im Grünen: das Bildungszentrum der Arbeitskammer. Teil 3 (bereits erschienen): das Recht auf Weiterbildung (Interview mit Bildungsminister Ulrich Commerçon). Teil 4 (bereits erschienen): erfolgreiche private Alternative: das Festo-Lernzentrum. Teil 5 (bereits erschienen): die Meister-Ausbildung in den Handwerksberufen. Heute Teil 6: Die IHK tut viel (Gespräch mit Richard Weber und Volker Giersch). Teil 7: Die Volkshochschulen: Experten für Vielfalt. Teil 8: Der Arbeitsmarkt braucht qualifizierte Kräfte (Interview mit Jürgen Haßdenteufel, Chef der Agentur für Arbeit Saarland). Teil 9: CEB - Bildung auf Basis christlicher Werte. Teil 10: Die Uni denkt weiter: Fortbildung für die Industrie (Gespräch mit dem Vizepräsidenten für Lehre und Studium, Professor Manfred J. Schmitt). red saarbruecker-zeitung.de/fortbildung

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