Kunst bändigt Industrieklotz

Saarbrücken · In einer Broschüre erläutert die Kunsthistorikerin Petra Wilhelmy, welche Ideen die Architekten und Künstler leiteten, die Mitte der 80er Jahre bei der Modernisierung des Heizkraftwerks Römerbrücke mitwirkten.

Warum steht eigentlich der kleine Tempel mit dem Scheinwerfer so schief auf dem Dach? Und was sollen die rot leuchtenden Dreiecke über den Fenstern bedeuten? Das fragt sich so mancher, der auf dem Rad oder auch im Kanu das Heizkraftwerk Römerbrücke passiert. Erklärungen findet man jetzt in der neuesten Broschüre der Reihe "Architektur und Raum", die das Saarbrücker Kulturamt zusammen mit dem Institut für aktuelle Kunst im Saarland herausgibt.

Auf fast 40 Seiten erläutert darin die Kunsthistorikerin Petra Wilhelmy, welche Ideen die Architekten und Künstler leiteten, die Mitte der 1980er Jahre daran gingen, das Heizkraftwerk zu modernisieren und zu erweitern. Thomas Schütte wollte der "erschreckenden Dimension des riesigen Klotzes künstlerisch entgegenwirken", erfährt man da etwa. Mit den roten Dreiecksgiebeln über den Kesselhausfenstern hat er "ein Piktogramm einer Siedlung" geschaffen, das die Abhängigkeit ihrer Bewohner von der Energie verdeutlicht.

Schütte war einer von fünf international renommierten Künstlern, die der Kurator Kaspar König zur Mitgestaltung ausgewählt hatte. Schütte hatte noch mehr vor, wie eine Zeichnung verrät: Mit einem blauen Wasserlauf und Augen im rechten Teil der Fassade wollte er "zur Wachsamkeit im Umgang des Menschen mit der Natur" auffordern. Was aus finanziellen und architektonischen Gründen nicht umgesetzt worden sei, heißt es. Edvard Allington wiederum wollte mit seinem "Lichttempel" aus Edelstahl auf die Idealisierung der Wissenschaft hinweisen. "Die Menschen glauben an Kraftwerke... sie sind tatsächlich die Symbole unserer Zeit - Wissenschaftsstempel", wird er zitiert.

Hoch anzurechnen ist es der Stadt, dass sie der Kunsthistorikerin deutliche Kritik am städtischen Urban Art-Projekt von 2013 gestattet. Das laufe dem ursprünglichen Konzept zuwider, dass man Kunst nicht als Dekor verwenden sollte, um den Industriebau nur zu "verharmlosen" und zu "kaschieren". Auch auf den beklagenswerten Zustand von Katharina Fritsches "Mühle", die einer Renovierung harrt, weist die Broschüre hin.

Zur Kunst am Bau und im öffentlichen Raum hat das Kulturamt bereits etliche Publikationen in drei verschieden großen Formaten von DinA6 bis DinA4 herausgegeben, die gratis beim Kulturinfo am St. Johanner Markt erhältlich und rege nachgefragt sind. Zwei neue zum Rabbiner-Rülf-Platz sind in Vorbereitung. Zum Download stehen alle Broschüren im Internet.

kunstraum.saarbruecken.de

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