Ist die Schuldenbremse an allem schuld?

Saarbrücken · Das Saarland müsste deutlich mehr Geld für seine Straßen ausgeben. Vor allem für Landstraßen fehlt das Geld. Umstritten ist, inwiefern der Sparkurs das Desaster bei der Fechinger Talbrücke mitverursacht hat.

 Die Brücke ist Teil einer Bundesfernstraße, die vom Land gebaut, aber vom Bund bezahlt wird. Foto: B&B

Die Brücke ist Teil einer Bundesfernstraße, die vom Land gebaut, aber vom Bund bezahlt wird. Foto: B&B

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Das Saarland hat wenig Geld, das ist bekannt. Weil auch beim Straßenbau seit Jahren gespart wird, werden die 1450 Kilometer Landstraße überwiegend nur noch "durch einfache Fahrbahndecken- und Bauwerksinstandsetzungen" in Schuss gehalten. Die Schäden und deren Ursachen werden so nicht beseitigt, das hat die Landesregierung gerade bestätigt. Im Saarland ist fast jede zweite Landstraße marode.

Die plötzliche Vollsperrung der Fechinger Talbrücke hat die Diskussion über marode Straßen nun befeuert. Oskar Lafontaine , Linken-Fraktionschef im Landtag, legte einen Zusammenhang zwischen der Einsturzgefahr der Talbrücke und der Schuldenbremse nahe. "Es darf nicht sein, dass durch den Sanierungsstau infolge der leeren öffentlichen Kassen die Sicherheit der Autofahrer in unserem Land bedroht ist", sagte er. Heiner Flassbeck , einer der führenden linken Ökonomen Deutschlands und 1998/99 unter Lafontaine beamteter Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, sprang seinem einstigen Dienstherrn zur Seite. Ihn erstaune, so schreibt Flassbeck über die Fechinger Talbrücke, dass kaum jemand kritische Fragen stelle. "Man nimmt das wie ein Naturereignis hin und fordert die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren und geduldig auf das Ende der Bauarbeiten zu warten. Niemand fragt, wieso in einem hochentwickelten Industrieland eine Brücke so akut einsturzgefährdet sein kann, dass sie von einer Stunde zur nächsten total gesperrt werden muss." Flassbecks Antwort: Es habe "mit der absurden Politik des Bundesfinanzministers" zu tun, der "eigentlich zurücktreten müsste". Also mit dem Sparen.

Auch aus der Saar-SPD ist Murren über die Schuldenbremse zu vernehmen. Die Saarbrücker SPD-Chefin Isolde Ries hält die Fechinger Talbrücke nur für die "Spitze des Eisbergs". Auf allen Ebenen stehe zu wenig Geld bereit, um die lebenswichtigen Verkehrsadern dauerhaft in Schuss zu halten. "Hier müssen wir auch die Schuldenbremse kritisch hinterfragen", so Ries: "Wenn wir durch schlechte oder nicht existierende Verkehrsverbindungen diejenigen in Mitleidenschaft ziehen, die mit ihrer Arbeit und ihrer unternehmerischen Tätigkeit überhaupt erst das Geld erwirtschaften sollen, mit dem wir den Haushalt sanieren wollen, sparen wir uns im Wortsinne kaputt."

Zwei Tage vor der Vollsperrung der Talbrücke hatte die Verkehrsexpertin der SPD-Landtagsfraktion , Elke Eder-Hippler , die Schuldenbremse mit Blick auf die Investitionen in den Straßenbau als "Infrastrukturbremse" bezeichnet. Dem Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) fehlten jährlich zehn Millionen Euro. Und der frühere Ministerpräsident Reinhard Klimmt gab der SPD im Oktober den Rat: "Eine funktionierende Infrastruktur ist wichtiger als ein ausgeglichener Haushalt."

Auch in der großen Koalition wird eingesehen, dass mehr Geld in die Infrastruktur fließen muss. "Wir werden dort neue Mittel brauchen", sagt CDU-Fraktionschef Tobias Hans . CDU und SPD setzen auf den neuen (noch nicht beschlossenen) Finanzausgleich, der dem Saarland ab 2020 deutlich mehr Geld bescheren soll. "Dann gibt es wieder Spielräume", so SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn .

Wobei man die Dinge nicht durcheinander werfen sollte: Die Fechinger Talbrücke ist Teil der A6 und damit einer Bundesfernstraße. Diese Straßen (Bundesstraßen und Autobahnen ) werden zwar vom Land geplant, gebaut und betrieben - bezahlt werden sie jedoch vom Bund. Und bei den Bundesfernstraßen, heißt es im Saar-Verkehrsministerium, gebe es gar kein Finanzproblem. "Das Geld ist da."

Auf die Autobahnen könnte sich die Sparpolitik des Landes also allenfalls in der Weise auswirken, dass im LfS Ingenieure fehlen, die Sanierungen planen - und das Land deshalb kein Geld vom Bund abrufen kann. Diese Vermutung hegt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Markus Tressel, auf dessen Anfrage im vorigen Jahr herauskam, dass im Saarland überdurchschnittlich viele Autobahn-Brücken sanierungsbedürftig sind.

Saar-Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD ) konterte dies mit dem Vorwurf an die Grünen, unter der grünen Verkehrsministerin Simone Peter (2009-2012) seien zu wenig Pläne gemacht worden, die man heute aus der Schublade ziehen könne, um das vorhandene Bundesgeld auch zu verbauen. Der LfS beschäftigt laut Ministerium 67 Ingenieure und 39 Techniker und Bauwarte. Das sind neun Ingenieure mehr als 2005 - und neun Techniker weniger.

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