„Ich müsste nach diesem Film auch erst mal an die frische Luft“

Saarbrücken · Die achte Ausgabe der „Arbeitskammer Filmtage“, die heute enden, steht unter dem Motto „Mit kritischem Blick“. Unter anderem kam der Streifen „Wir sind jung. Wir sind stark“ auf die Leinwand – und sorgte bei Schülern für betroffene Sprachlosigkeit.

 Drehbuchautor Martin Behnke (links) und Darsteller Joel Basman beim Gespräch in Saarbrücken. Foto: Kerstin Krämer

Drehbuchautor Martin Behnke (links) und Darsteller Joel Basman beim Gespräch in Saarbrücken. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

"Das war jetzt tatsächlich die erste Schülervorstellung, bei der kein einziger eine Frage gestellt hat!" Martin Behnke staunt über das große Schweigen im Kino achteinhalb, trägt die betroffene Sprachlosigkeit der Gymnasiasten aber mit Fassung. Als Drehbuchautor des Streifens "Wir sind jung. Wir sind stark" stellt er sich zusammen mit dem jungen Schweizer Schauspieler Joel Basman nach zwei Schulvorführungen dem jugendlichem Publikum zum Gespräch. Der Film wurde im Rahmen der "Arbeitskammer Filmtage" gezeigt, die heute enden.

Doch offenbar sind die Schüler überfahren bis überfordert: Mit einem "So'n Scheiß guck ich mir nicht an!" verlassen einige den Kinosaal. Solche Reaktionen sind Behnke und Basman gewohnt. Denn "Wir sind jung. Wir sind stark" (Regie: Burhan Qurbani, Deutschland 2013) ist harter Stoff. Der mehr als zwei Stunden lange Spielfilm beruht auf einer wahren Begebenheit und schildert am fiktiven Beispiel einer gelangweilten Gruppe Jugendlicher die ausländerfeindlichen Übergriffe gegen Asylbewerber in einer Plattenbausiedlung in Rostock-Lichtenhagen am 24. August 1992.

Kein Wunder, dass die intensivsten Publikumsgespräche in Rostock und Dresden stattfanden, erzählt Behnke, allerdings mit gemischter Zuhörerschaft. "Das hörte gar nicht mehr auf, und irgendwann haben die Alten mit den Jungen diskutiert. Weil die Leute dort am Thema eben viel näher dran sind." Viele Schüler kämen aber auch erst ins Reden, wenn die Lehrer draußen seien, weiß Behnke. Hier aber trotzen die Neuntklässler hartnäckig den Bemühungen von Moderator Jürgen Meyer (Arbeitskammer). "Wie hat es Euch gefallen? War's anstrengend? Könnte sowas auch bei uns passieren?" Die Jugendlichen antworten einsilbig. "Ganz ehrlich: Ich müsste nach diesem Film auch erst mal an die frische Luft", sagt der 25-jährige Joel Basman, der beim Deutschen Filmpreis für seine Rolle des Draufgängers Robbie als bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurde.

Aber dass niemand ein Autogramm von ihm wollte - Basman lacht: "Sauerei!"

Die nunmehr achte Ausgabe der "Arbeitskammer Filmtage" steht wiederholt unter dem Motto "Mit kritischem Blick" und zeigt in diesem Jahr mit der Kampagne "Arbeitnehmer gegen Rechtsextremismus" Flagge gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs, das sich am 8. Mai zum 70. Mal jährte, erinnerten und erinnern fünf Filme (heute: "Freistatt") an das Unfassbare, zeigen Ursachen und Folgen auf und warnen vor Verharmlosung. Dabei bietet die Kooperationsveranstaltung mit dem Kino achteinhalb vor allem Schulklassen und Jugendgruppen die Möglichkeit, gesellschaftliche Werte kritisch zu hinterfragen.

arbeitskammer.de

kinoachteinhalb.de

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