Das Weihnachtslied ist noch nicht verloren - Musiker und Seelsorger kämpfen für ein bedrohtes Kulturgut

Saarbrücken · Das große Schweigen nach der ersten Strophe bringt ein Stück Kulturerbe in Gefahr: das Weihnachtslied. Aber es hat in unserer Region eifrige Fürsprecher, die neue Lust aufs Mitsingen wecken wollen.

 Damit am Weihnachtsbaum nicht nur die Engel singen, sollen Konzerte auch die Jugend begeistern. Foto: Darios/Fotolia

Damit am Weihnachtsbaum nicht nur die Engel singen, sollen Konzerte auch die Jugend begeistern. Foto: Darios/Fotolia

Foto: Darios/Fotolia

Lichterglanz lässt Augen leuchten. Die Kirchenbänke sind an Weihnachten gefüllt wie selten im Jahr. Das verheißt Chorgesang, der noch weit jenseits der Kirchenmauern zu hören ist. Bei der ersten Strophe, sei sie aus "Tochter Zion" oder "Macht hoch die Tür", haut das noch hin.

Superintendent Christian Weyer weiß, warum: "Diese Lieder sind landauf, landab bekannt. Die kennen zumindest die mittlere und ältere Generation auswendig. Danach wird's eng." Ausgerechnet dort, wo etliche Lieder noch so viel zu bieten haben. Zum Beispiel "Ich steh' an deiner Krippen hier" von Paul Gerhardt , das zu Christian Weyers Favoriten gehört. Der Superintendent kann etliches auswendig, weil es ihn begeistert. Er und Kantor Ulrich Seibert wollen diese Begeisterung weitergeben. Sie laden zum Mitmachen ein beim großen Adventsliedersingen am 21. Dezember in der Ludwigskirche (siehe Stichwort).

Auch Orchesterleiter und Schulmusiker Bernhard Stopp macht sich Gedanken über die Zukunft des Weihnachtsliedes. "Die Melodien sind ja in dieser Zeit en vogue und einer breiten Bevölkerungsschicht bekannt. Die Texte sind das größere Problem." Wohlgemerkt weniger bei den "Premiumliedern", die jeder kenne. "Gefährdet sind auf jeden Fall die alten Lieder, zumal, wenn ihr religiöser Hintergrund nicht vermittelt wird. ,Maria durch ein Dornwald ging' ergibt für jemanden ohne christliche Grundbildung keinen Sinn. Man muss das Stück erklären."

Es lohne sich - gerade bei diesem Stück. "Dass das Weihnachtswunder sogar einen toten Rosenstrauch mitten im Winter blühen lässt, kann man auch Kindern näherbringen." Kombiniert mit dem Comeback des Singens im Zeitalter der Casting-Shows ist das für Stopp ein Grund zur Hoffnung.

Basilika-Kantor Bernhard Leonardy wirbt für ein seiner Ansicht nach gutes Hilfsmittel zum Mitsingen: die "begeisternde Neuausgabe" des Gotteslobs, das den gut 40 Jahre alten Vorgänger ersetzt. Darin seien außer traditionellen Liedern nun "Schätze mit nur entfernt sakralem Charakter" wie "Nun ruhen alle Wälder", "Der Mond ist aufgegangen" und "Tochter Zion". Außerdem stehen Leonardy zufolge zahlreiche Beispiele des neuen geistlichen Liedes in diesem Gotteslob, passend zu Jugendgottesdiensten und Ferienlagern. Womöglich können da mehr Erwachsene, inspiriert von schönen Erinnerungen, mitsingen. Leonardy spricht nicht rundweg von einer Krise des Weihnachtsliedes. "Oft kennt man nur noch Strophe eins, dafür aber eine Fülle von internationalen Weihnachtsliedern mehr. Zwar immer nur bruchstückhaft, aber vielleicht blieb dadurch die Fülle des Gesamtrepertoires ungefähr gleich." Eines versichert Leonardy: Wer am 26. Dezember in die Basilika geht, erweitert sein Repertoire auf jeden Fall.

Zum Thema:

StichwortIn der Ludwigskirche erklingen am Sonntag, 21. Dezember, 17 Uhr, Adventslieder aus fünf Jahrhunderten. Mitsingen erwünscht. Mit dabei: Abteier Blechbläserensemble (Hermeskeil), Ulrich Seibert (Orgel), Otto Deutsch (Moderation).In der Basilika St. Johann gibt Bernhard Leonardy am zweiten Weihnachtstag um 17 Uhr ein Konzert mit Carols, bekannten englischen Weihnachtsliedern. ole

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort