Warnung, bevor die Razzia kam

Riegelsberg · Viele jüdische Familien gab es offenbar nicht in Riegelsberg – doch es gab sie. Im Zuge der „Stolperstein-Diskussion“ (wir berichteten) haben wir uns nach den Schicksalen jüdischer Familien in der NS-Zeit umgehört. Heute geht es um Adele Gross aus der Invalidenstraße: Sie und ihre Kinder (ihr Mann war kein Jude) wurden nie verraten und auch von Nachbarn versteckt.

 Eine der Frauen ist Adele Samuel, die spätere Adele Gross, auch ihre Schwester Amanda Samuel ist dabei, sowie zwei Verkäuferinnen. Die Reihenfolge ist allerdings unbekannt. Das Foto entstand vor dem 1921 eröffneten Geschäft der Geschwister Samuel in der Kirchstraße 20. Das Geschäft existierte bis 1935. Foto: mit freundlicher Genehmigung aus Bergbau, Handel und Gewerbe in Alt-Riegelsberg von Helmut Klein

Eine der Frauen ist Adele Samuel, die spätere Adele Gross, auch ihre Schwester Amanda Samuel ist dabei, sowie zwei Verkäuferinnen. Die Reihenfolge ist allerdings unbekannt. Das Foto entstand vor dem 1921 eröffneten Geschäft der Geschwister Samuel in der Kirchstraße 20. Das Geschäft existierte bis 1935. Foto: mit freundlicher Genehmigung aus Bergbau, Handel und Gewerbe in Alt-Riegelsberg von Helmut Klein

Foto: mit freundlicher Genehmigung aus Bergbau, Handel und Gewerbe in Alt-Riegelsberg von Helmut Klein

Durch Gespräche mit Zeitzeugen und Hobbyhistorikern konnte die Saarbrücker Zeitung zu Tage fördern, dass sich auch in Hilschbach, Überhofen und Güchenbach - später Gemeinde Riegelsberg - einige wenige jüdische Familien angesiedelt hatten - als normale Nachbarn, teils auch als Kaufleute. Viele Juden verließen ab 1933 das Saarland, vermehrt ab 1935 nach der Rückgliederung ans "Reich".

Im Gespräch mit dem Zeitzeugen Leo Hansen konnte die Saarbrücker Zeitung das Schicksal der jüdischen Familie Groß aus der Invalidenstraße in Erfahrung bringen: "So weit ich mich erinnere, war die Ehefrau von Gottfried Gross aus der Invalidenstraße Jüdin", erzählt Leo Hansen. Durch den Hinweis eines Lesers haben wir inzwischen erfahren, dass es sich bei der Ehefrau, Adele Gross, genau um jene Adele Samuel handelt, die mit ihrer Schwester Amanda 1921 in der Kirchstraße ein Geschäft für "Kurz-, Weiß- und Wollwaren und Herrenartikel" eröffnet hatte (wir berichteten im vorigen Teil unserer Reihe).

Leo Hansen berichtet aus seinen Erinnerungen über Adele Gross, geborene Samuel: "Sie ist zum christlichen Glauben konvertiert. Trotzdem war sie nach der Machtergreifung Hitlers nicht sicher. Es gab eine Reihe von Razzien bei der Familie Gross, bei denen Männer in langen Mäntel auftauchten und nach Adele Gross suchten. Doch die Nachbarn haben sie versteckt." Auch im Haus der Familie Gross habe es ein Geheimversteck gegeben. "Der Bruder von Gottfried Gross war in der NSDAP und soll öfter seine Schwägerin vor Razzien gewarnt haben, erzählte man sich im Ort. Gottfried hat für die Wehrmacht empfindliche Elektrogeräte hergestellt. Dies hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass seine Familie verschont blieb", mutmaßt Leo Hansen. Die beiden Söhne Erich und Paul seien zudem schon früh in der Feuerwehr integriert gewesen, auch das, glaubt Hansen, könne zu deren Schutz beigetragen haben. An eine Geschichte, die erzählt wurde, kann sich der Zeitzeuge besonders gut erinnern: "Gottfried Gross hatte einem Bauern aus Etzenhofen eine Maschine repariert. Als Lohn wünschte er sich Naturalien, die sein Sohn Paul bei dem Bauern abholen sollte. Der Bauer reichte Paul einen Sack mit winzigen Kartoffeln, fasste dem Jungen an die Nase und sagte: ‚Na, du kleiner Juddebub‘." Damit habe der Bauer gezeigt, dass er um die jüdischen Wurzeln des Jungen wusste, "letztendlich verpfiffen und damit der Deportation und eventuell der Ermordung ausgesetzt wurde die Familie aber nicht. In Riegelsberg ging es - mit Blick auf diese Geschichte der Familie Gross - anständig zu".



 Leo Hansen (85) und seine Frau Agnes (84) sind Zeitzeugen, die sich an jüdische Bürger in Riegelsberg erinnern. Foto: M. Jungfleisch

Leo Hansen (85) und seine Frau Agnes (84) sind Zeitzeugen, die sich an jüdische Bürger in Riegelsberg erinnern. Foto: M. Jungfleisch

Foto: M. Jungfleisch

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HintergrundEigentlich sollte unsere kleine Reihe über das Leben jüdischer Bürger in Riegelsberg nur drei Teile haben. Doch schon die beiden ersten Berichte stießen auf so großes Interesse, dass unsere Autorin Monika Jungfleisch inzwischen viele weitere Hinweise aus der Leserschaft erhalten hat, so dass noch weitere Teile folgen werden. red

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