Von Riegelsberg über Frankreich in den Tod

Riegelsberg · Viele jüdische Familien gab es offenbar nicht in Riegelsberg – doch es gab sie. Im Zuge der „Stolperstein-Diskussion“ (wir berichteten) haben wir uns bei Heimatkundlern nach den Schicksalen jüdischer Familien in der NS-Zeit erkundigt. Heute geht es um die Familien Neumark, Samuel/Albert, Herz und Kleinhändler. Manche wurden ermordet oder blieben verschollen, andere konnten fliehen.

 Das Kaufhaus der Geschwister Samuel in der Riegelsberger Kirchstraße 20, es existierte von 1921 bis 1935. Links die Schwestern Adele und Amanda Samuel mit zwei Verkäuferinnen, vor der Tür die dritte Schwester, Leonie Albert, mit ihrem Mann. Foto: mit freundlicher Genehmigung aus „Bergbau, Handel und Gewerbe in Alt-Riegelsberg“ von Helmut Klein

Das Kaufhaus der Geschwister Samuel in der Riegelsberger Kirchstraße 20, es existierte von 1921 bis 1935. Links die Schwestern Adele und Amanda Samuel mit zwei Verkäuferinnen, vor der Tür die dritte Schwester, Leonie Albert, mit ihrem Mann. Foto: mit freundlicher Genehmigung aus „Bergbau, Handel und Gewerbe in Alt-Riegelsberg“ von Helmut Klein

Foto: mit freundlicher Genehmigung aus „Bergbau, Handel und Gewerbe in Alt-Riegelsberg“ von Helmut Klein
 Leo Hansen (85) und seine Frau Agnes (84) sind Zeitzeugen, die sich an jüdische Bürger in Riegelsberg erinnern. Foto: M. Jungfleisch

Leo Hansen (85) und seine Frau Agnes (84) sind Zeitzeugen, die sich an jüdische Bürger in Riegelsberg erinnern. Foto: M. Jungfleisch

Foto: M. Jungfleisch

Einfach ist es nicht, Details über jüdisches Leben in der Gemeinde Riegelsberg in Erfahrung zu bringen. In der von dem Historiker und langjährigen Landesarchivar Professor Hans-Walter Herrmann 1979 herausgegebenen Ortschronik Riegelsberg erfährt man nur von einer Familie Neumark aus der Talstraße, Ecke Saarbrücker Straße. Henriette Neumark und ihre Söhne Rudolf und Arthur seien 1935 nach Luxemburg ausgewandert (wir berichteten). Weitere Details konnte die Saarbrücker Zeitung im Gespräch mit Leo Hansen in Erfahrung bringen: "Vom Hörensagen war mir bekannt, dass die Familie von Luxemburg in die USA auswanderte. Mein Sohn hat dazu im Internet recherchiert und herausgefunden, dass es tatsächlich so war." Und, so Hansen, es gab offenbar auch wieder eine Verbindung nach Riegelsberg: "Einer der Söhne soll nach dem Krieg nach Riegelsberg zurückgekommen sein. Hier soll er sich mit dem Fuhrunternehmer Eduard May senior getroffen haben, der 1935 der Mutter das Geschäft für Nähmaschinenhandel abgekauft hat. Der Fuhrunternehmer habe - so erzählt man - dem Sohn daraufhin einen Ausgleich gezahlt dafür, dass er 1935 das Geschäft wohl allzu günstig erworben hatte." Falls diese Geschichte zutrifft, ist sie immerhin ein Beispiel für eine gewisse Fairness.

Von dem Hobbyhistoriker Norbert Krämer erfuhr die Saarbrücker Zeitung, dass in der Kirchstraße eine Familie Samuel ein Textilgeschäft betrieben hatte. Nähere Details dazu listet Helmut Klein in seinem Buch "Bergbau, Handel und Gewerbe in Alt-Riegelsberg" auf: "Die Schwestern Adele und Amanda Samuel eröffneten 1921 in der Kirchstraße 20 ein Geschäft für Kurz-, Weiß- und Wollwaren, Herrenartikel und Arbeitsbekleidung. 1929 übernahm deren Schwester Leonie mit ihrem Ehemann, einem Herrn Albert, die Geschäftsführung. 1935 gab das Ehepaar das Geschäft auf und eröffnete in Püttlingen in der heutigen Pickardstraße neben Café Kühnen ein Schuhgeschäft. Das Geschäft in der Kirchstraße wurde von 1935 bis 1944 von Kläre Aichern fortgeführt." Später wurde in den Räumen die Gaststätte "Backstubb" eingerichtet.

Dass beide jüdische Familien gerade 1935 ihre Geschäfte in Riegelsberg aufgaben, könnte mit der Rückgliederung des Saarlandes 1935 ans "Reich" zusammenhängen. Denn auch im Saarland gab es bereits ab 1933 trotz der Völkerbundverwaltung erste Boykottmaßnahmen gegen jüdische Bürger. Bis 1935 hatte die anti-jüdische Stimmung deutlich zugenommen.

In der "Fortschreibung der Ortschronik Riegelsberg" von Marion Seifert ist zu lesen, dass Leonie Albert 1936 mit Tochter Renate und Sohn Armand nach Nyons im Südosten Frankreichs gezogen war, und dass die Familie Albert im Laufe des Krieges von Frankreich ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde, wo alle Familienmitglieder ermordet wurden.

Was aus Leonie Alberts Schwestern Adele und Amanda Samuel wurde, ist unbekannt. Kleine Informationen über zwei weitere Familien finden sich in der fortgeschriebenen Ortschronik: Eine Familie Herz aus Walpershofen, die in der Herchenbacher Straße wohnte, konnte sich retten, indem sie in die USA auswanderte. Der Witwer Sigismund Kleinhändler zog im März 1937 nach Frankreich. Was anschließend aus ihm wurde, ist unbekannt. > Weiterer Bericht folgt

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