Patisserie in Frankreich eröffnet

Riegelsberg · Am 20. April verlegt der Künstler Gunter Demnig in Riegelsberg Stolpersteine in Gedenken an jüdische Familien. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse zum Schicksal von Leonie Albert, geborene Samuel, und ihrer Familie.

 Leonie Albert wohnte mit ihren Kindern Armand und Renate (genannt Renée) in der Kirchstraße 20. Foto: Sammlung Stefan Gross

Leonie Albert wohnte mit ihren Kindern Armand und Renate (genannt Renée) in der Kirchstraße 20. Foto: Sammlung Stefan Gross

Foto: Sammlung Stefan Gross

Seit Gründung des Aktionsbündnisses "Stolpersteine für Riegelsberg " konnten neue Details über das Schicksal jüdischer Bürger, die zur Zeit des Nationalsozialismus im Ort lebten, ans Licht gebracht werden. So hatte es im Sommer 2014 noch gehießen, dass über den Sohn von Leonie Albert, geborene Samuel, aus der Kirchstraße wenig bekannt sei. Nun wissen wir mehr.

Von den Geschwistern Amanda, Leonie und Adele Samuel hatten Zeitzeugen berichtet, dass sie in der Kirchstraße seit 1921 ein Kurzwarengeschäft betrieben. Adele heiratete den Schlossermeister Gottfried Gross aus der Invalidenstraße. Sie und ihre beiden Söhne Erich und Paul wurden während der NS-Zeit von ihrem Ehemann und von Nachbarn versteckt und beschützt. Sie überlebten unversehrt die Zeit der Judenverfolgung.

Über Püttlingen geflohen

Amanda floh, nach ersten Anfeindungen ab 1933, mit ihrer Familie zuerst nach Püttlingen und dann mit der Familie ihrer Schwester Leonie nach Frankreich. Dort wurden sie 1944 zuerst interniert, dann nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Neueste Recherchen, gestützt auf Akten des saarländischen Landesarchivs und Akten des früheren Landesentschädigungsamtes (LEA) ergaben: Leonie Samuel (Jahrgang 1886) heiratete 1910 in Paris den aus Konstantinopel stammenden Moritz Albert (Jahrgang 1885). 1913 wurde Sohn Armand Raphael in Paris geboren. Moritz wurde während des 1. Weltkrieges als Deutscher in Frankreich interniert. Leonie kehrte 1914 mit ihrem Sohn Armand ins Saargebiet zurück und gründete noch während des Krieges in Burbach, Wilhelmstraße 8, ein Modewarengeschäft.

1919 kehrte Ehemann Moritz aus Frankreich zurück, am 21. Mai 1922 wurde die Tochter Renée (auch Renate genannt) geboren. 1923 verstarb Moritz, 1929 zogen Leonie und ihre beiden Kinder nach Riegelsberg in die Kirchstraße zu ihrer Schwester Amanda und arbeitete im Kaufhaus "Geschwister Samuel" mit.

Armand arbeitete nach Abschluss einer kaufmännischen Lehre im Saarbrücker Kaufhaus "E. Weil Söhne". 1934 trat er ins mütterliche Geschäft in Güchenbach ein. Die Familie emigrierte Anfang 1936 nach Frankreich. Mit der Mutter gründete Armand 1936 in Nyons in der Nähe von Nizza eine Konditorei mit dem Namen "Patisserie Alsacienne", die sie bis 1942 betrieben. 1942 sollte Armand verhaftet werden. Ihm gelang jedoch die Flucht.

Mutter Leonie und Schwester Renée hatten weniger Glück. Sie konnten der Gestapo nicht entkommen. Am 21. Januar 1944 wurden sie interniert und ins Sammellager Drancy gebracht. Am 3. Februar 1944 wurden sie mit Convoi 67 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, ihr Todesdatum ist unbekannt, beide wurden nach dem Krieg, am 8. Mai 1945, für tot erklärt.

Armand heiratete im Juli 1945 Suzanne Gras (Jahrgang 1914) in Nyons. Er hatte sich in den Jahren 1942-45 mit Tuberkulose infiziert, war durch die Verfolgung psychisch krank und bis zu seinem Tod nicht mehr arbeitsfähig.

Laut Melderegisterkarten der Gemeinde Riegelsberg erhielt Armand Albert die deutsche Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung vom 18. April 1959. Die entsprechende Urkunde wurde ihm von der Regierung des Saarlandes, Ministerium des Innern, am 10. Juni 1959 ausgehändigt.

Nach Einbürgerung entschädigt

 Leonie Albert wohnte mit ihren Kindern Armand und Renate (genannt Renée) in der Kirchstraße 20. Foto: Sammlung Stefan Gross

Leonie Albert wohnte mit ihren Kindern Armand und Renate (genannt Renée) in der Kirchstraße 20. Foto: Sammlung Stefan Gross

Foto: Sammlung Stefan Gross
 Eine Spur von Leonie Albert und ihren Kindern ist diese Meldekarte (Ausschnitt) mit der 1959 rückwirkend verzeichneten Einbürgerung. Als Religion ist „israel.“ eingetragen. Foto: monika jungfleisch

Eine Spur von Leonie Albert und ihren Kindern ist diese Meldekarte (Ausschnitt) mit der 1959 rückwirkend verzeichneten Einbürgerung. Als Religion ist „israel.“ eingetragen. Foto: monika jungfleisch

Foto: monika jungfleisch

Mit dieser Einbürgerung wurde es Armand möglich, Entschädigung für das erlittene Leid in der NS-Zeit zu beantragen, da diese Entschädigung an alle Verfolgte des NS-Regimes gezahlt wurde, die bis 1935 im Saargebiet gelebt hatten. Ihm wurde eine Einmal-Zahlung sowie eine monatliche Rente bewilligt, die nach seinem Tod am 13. Dezember 1975 in Nyons auch seiner Witwe weitergezahlt wurde.

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