Oben Winterjacke unten zerrissene Jeans und Stoffschuhe Mode kann gefährlich sein

Die werden sterben. Vermutlich, bevor sie das Auto erreicht haben. Ganz sicher war ich mir nicht – weder, was das Sterben anging, noch wegen des Autos. Die beiden waren noch recht jung. Vielleicht wollen sie ja die Welt retten, dachte ich mir  und nehmen wie ich den Bus oder die Saarbahn.

 Martin Rolshausen

Martin Rolshausen

Foto: SZ/Robby Lorenz

Und vielleicht holen die beiden sich ja nur eine Erkältung und kommen noch mal mit dem Leben davon, man muss ja nicht immer das Schlimmste annehmen, erklärte ich meinem inneren Katastrophenwarnsystem.

Wobei ich gar nicht mehr sagen kann, was mich am meisten irritiert hat. Es ist ein paar Tage her, seit das junge Paar ein paar Meter von mir entfernt die Saarbrücker Bahnhofstraße entlangging – im Partnerlook. „Der Partnerlook ist die Sichtbarmachung der Enteierung des Mannes“, hat Wiglaf Droste mal geschrieben. Aber zum einen ist Wiglaf Drotse wirklich tot. Zum anderen waren die beiden vor mir offensichtlich kein Weicheier, zumindest keine ganzen.

Beide steckten in warmen Jacken mit großen Kapuzen, die mit offenbar künstlichem Fell umrandet warfen. Hätte ich meinen Blick nicht gesenkt, wären die beiden für mich als Menschen auf dem Weg zu einer Expedition ins ewige Eis durchgegangenen. Was passte, denn es war schweinekalt. Aber mein Blick blieb nicht auf Kapuzenhöhe, sondern erfasste auch die dünnen Jeans mit ziemlich großen modischen Löchern und Rissen. Jeans, die über den Knöcheln endeten und ein Stück nackte Haut freigaben. Dazu leichte Stoffschuhe. Oben Winter, unten Frühling. Ich bekam Gänsehaut vom Hinschauen. Und mein Katastrophenwarnsystem sprang wieder an, diesmal mit Ideen für Warnhinweise wie: „Mode gefährdet die Gesundheit.“ Oder: „Halbe Sachen können töten.“

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