Corona und die Pest Als der „Schwarze Tod“ in Saarbrücken wütete

Meine Vorfahren Hans Konrad Reuther und seine Ehefrau Margaretha erlebten den Dreißigjährigen Krieg – und die Pest. Sie hätten sicherlich gerne mit uns getauscht.

 Marco Reuther

Marco Reuther

Foto: SZ/Robby Lorenz

Hans Konrad Reuther war Metzger in St. Johann. Man darf vermuten, dass ihm seine Frau Margaretha, Enkelin eines eingewanderten Zimmermanns aus der Schweiz, im Geschäft zur Hand gegangen ist. Das Paar hatte drei Kinder. Und Hans wird für das Jahr 1643 als Bürgermeister der Stadt St. Johann aufgeführt. Ansonsten sind fast keine Daten über meine Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großeltern bekannt. Doch die Zeit, in der sie lebten, die sagt etwas sehr wichtiges über sie aus: Sie sind Überlebende. Sie haben den 30-jährigen Krieg überstanden (1618 bis 1648). Beide starben um 1678, als sie fast 80 Jahre alt gewesen sein müssen.

In der Zeit, als sich Hans und Margaretha näher kamen, da hatten die Kriegswirren, die viele Orte an der Saar nahezu entvölkern sollten, die Region schon fest im Griff. Aber nicht nur der Krieg. Denn mit diesem kam auch die Pest. Besonders schlimm wütete sie 1634/1635 in den Städten Saarbrücken und St. Johann. Hatten Hans und Margaretha Angst? Absolut, große Angst sogar, da kann man sich sicher sein. Denn wenn über diese Krankheit auch sonst nicht viel bekannt war, so wusste man doch um ihren oft tödlichen Ausgang. Und im kollektiven Gedächtnis der Menschen war die Furcht vor dem „Schwarzen Tod“ tief verankert, der keine 300 Jahre zuvor ein Drittel der europäischen Bevölkerung ausgelöscht hatte und danach immer wieder an unterschiedlichen Orten aufgeflackert war.

Aber haben sich Hans und Margaretha von ihrer Furcht unterkriegen lassen? Nein. Im Pest-Jahr 1635 haben sie geheiratet, in den folgenden neun Jahren schenkten sie einer Tochter und zwei Söhnen das Leben.

Dennoch hätten sie sicher gerne mit uns getauscht: Wir haben es heute mit einer um ein Vielfaches schwächeren Krankheit zu tun, wir haben in unserer Zeit echte, funktionierende Medizin, moderne Krankenhäuser und gut ausgebildete Ärzte statt Quacksalber. Wir wissen, wie Krankheiten entstehen und sich verbreiten. Wir haben Wissenschaftler, die Gegenmittel entwickeln können. Und so ein bisschen vorübergehender Fußball- und Konzert-Verzicht, ein paar Wochen geschlossene Schulen und Museen, ein bisschen mehr aufpassen und den Verstand benutzen – was ist das schon im Vergleich zu dem, was Hans und Margaretha durchstehen mussten? Nicht wirklich schlimm, oder? Und Hände waschen nicht  vergessen.

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