Von Wörschweiler nach New York

Wörschweiler. "New York hat meine Sinne malträtiert, aber das Filmfestival in Greenwich Village im Quad-Cinema war überwältigend," erzählt die Filmemacherin Gabi Heleen Bollinger aus Wörschweiler gleich zu Beginn unseres Gespräches

Wörschweiler. "New York hat meine Sinne malträtiert, aber das Filmfestival in Greenwich Village im Quad-Cinema war überwältigend," erzählt die Filmemacherin Gabi Heleen Bollinger aus Wörschweiler gleich zu Beginn unseres Gespräches.Der Bollinger-Fim mit dem Titel "das geht nur langsam" ruft den von den Nazis verfolgten und ermordeten deutschen Bildhauer und Maler Otto Freundlich ins Gedächtnis zurück. Freundlich wurde am 10. Juli 1878 in Stol in Pommern geboren.

Er war Maler, Bildhauer und auch Verfasser kunsttheoretisch-philosophischer Schriften, einer der ersten Vertreter der abstrakten Kunst. Er entschloss sich nach verschiedenen Tätigkeiten, darunter ein Zahnmedizinstudium, Künstler zu werden. Während einer Studienreise nach Florenz erkannte er die Bildhauerei und Malerei als seine stärksten Begabungen und nahm ab 1907 privaten Kunstunterricht in Berlin.

1908 ging er nach Paris und wohnte am Montmartre im Bateau-Lavoir unter einem Dach mit dem damals jungen Pablo Picasso, mit Georges Braque und anderen. Hier fand er zu seinem persönlichen "figural-konstruktivistischen Stil symbolistischer Prägung", wie es in Kunstführern heißt.

1911 entstanden seine ersten abstrakten Kompositionen. Ab 1930 war die deutsche Künstlerin Jeanne "Hannah" Kosnick-Kloss seine Lebensgefährtin. 1931 trat Freundlich in die neu gegründete Künstlerorganisation "Abstraction-Création" ein. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er als Jude in Frankreich interniert, jedoch auf Betreiben Picassos zunächst von den Behörden wieder freigelassen.

Er floh 1940 in das Pyrenäen-Dorf Saint-Paul-de-Fenouillet, wurde denunziert und am 23. Februar 1943 von den Nazis verhaftet. Freundlich wurde von der deutschen Besatzungsmacht in das KZ Lublin-Majdanek deportiert und dort noch am Tag seiner Ankunft am 9. März 1943 ermordet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Freundlich in Deutschland vergessen. Doch dann entdeckte der saarländische Künstler und Bildhauer Leo Kornbrust das Vermächtnis des ermordeten Kollegen: Freundlich hatte einst den Plan gehabt, quer durch Europa zwei Skulpturenstraßen zu bauen. Das war seine "konkrete Utopie einer Welt-Gemeinschaft", so Kornbrust. Auch Namen hatte Freundlich schon parat: "Straße der Brüderlichkeit" und "Straße der Solidarität". Kornbrust hat das Vermächtnis angenommen und baut mit Bildhauer-Kollegen seit vierzig Jahren eine "Straße des Friedens" - als Hommage an Otto Freundlich.

Der Film von Bollinger, zu deren Team neben Kornbrust auch Kamermamann Stefan Urlass und Tzi Avnis (zuständig für die Musik), gehören, wurde bereits im diesem Sommer auf dem Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken gelobt. Im Herbst wurde ihr Dokumentarfilm für so gut befunden, dass er jetzt auf dem Internationalen Festival in New York gezeigt wurde - in englischer Synchron-Fassung unter dem Titel "it takes time." Eine der Sprecherinnen war Helen Patton, Enkelin des US-Generals Patton und Namensgeber der gleichnamigen Stiftung.

"Die Förderer des Films kamen aus allen Ecken des Saarlandes und der EU", erzählt Bollinger weiter. Ihr Film wurde in den USA sehr gut angenommen. Jetzt wurde ihr aus New York mitgeteilt, dass sie den 1. Preis für die beste Regiearbeit für Dokumentarfilme und den 1. Preis für die biografische Recherche für Otto Freundlich erhalten wird. Die Übergabe und Verleihung erfolgt auf dem Fimfestival in Cannes im Sommer 2012. Foto: Stefan Urlass

Zur Person

 Gabi Heleen Bollinger und Leo Kornbrust beim Max-Ophüls-Wettbewerb im Sommer 2011. Foto: Bonenberger &

Gabi Heleen Bollinger und Leo Kornbrust beim Max-Ophüls-Wettbewerb im Sommer 2011. Foto: Bonenberger &

Gabi Heleen Bollinger wurde 1953 in Zweibrücken geboren. 1968 zog sie mit ihren Eltern nach Afrika ins Land Elfenbeinküste. Ab 1973 studierte sie Musikwissenschaft, Germanistik und Erziehungswissenschaften an der Universität des Saarlandes in Saarbrückern und gab nebenbei Konzerte. Mit drei Musikern gründete sie 1975 die Gruppe Espe. Bis 1993 war sie in Israel und Europa mit jiddischen und deutschen Liedern unterwegs, spielte 19 Platten ein und trat in vielen TV-Sendungen auf. Mitte der 1980er begann sie ihre journalistische Arbeit mit Hörfunksendungen zum jiddischen Lied, zur jiddischen Literatur und Kultur für SWR3 und SR2. Seit 1991 ist sie auch fürs Fernsehen tätig. Mit dem saarländischen Schriftsteller Ludwig Harig schrieb sie 1988 das Hörspiel und die Espe-Revue "Jankele". Ihre Produktionen "Falado Hein & Oss. Die Volkssänger", 2008, und "Kleines Saarland an der Beaume", 2009, fanden bundesweit Beachtung. Für ihren jetzigen Film "das geht nur langsam" recherchierte sie mehrere Jahre. Im November 2011 wurde ihr Film unter dem Titel "it takes time" auf dem Filmfestival in New York aufgeführt. jkn

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