"Mit Würde auf dem Arbeitsmarkt behandeln"

Was sind Ihre vorrangigsten Aufgaben?Wolfgang Gütlein: Die vorrangigsten Aufgaben des Landesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen (LfB) sind: 1. Grundsatzangelegenheiten nach dem Behindertengleichstellungsgesetz, 2. Mitwirkung bei der Erstellung von Rechtsvorschriften zugunsten behinderter Menschen, 3

Was sind Ihre vorrangigsten Aufgaben?Wolfgang Gütlein: Die vorrangigsten Aufgaben des Landesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen (LfB) sind: 1. Grundsatzangelegenheiten nach dem Behindertengleichstellungsgesetz, 2. Mitwirkung bei der Erstellung von Rechtsvorschriften zugunsten behinderter Menschen, 3. Berichterstattung gegenüber der Landesregierung und dem Landtag, 4. eigenständige, zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit, 5. Mitarbeit in regionalen und überregionalen Gremien sowie 6. grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Institutionen, Verbänden und Selbsthilfegruppen.

Zur Eingliederung von Menschen mit schwerer Behinderung in Arbeit und Beruf gibt es eine Reihe von Hilfen und Fördermöglichkeiten - welche sind dies?

Wolfgang Gütlein: Um solche Menschen bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz und im Beruf zu unterstützen, gibt es viele Fördermöglichkeiten. Hierzu gehören beispielsweise die Vermittlungsdienstleistung der Agentur für Arbeit, Unterstützte Beschäftigung, Leistungen der Kraftfahrzeughilfe sowie für Menschen mit schwerster Behinderung die Möglichkeit der Arbeitsassistenz. Dazu gibt es die Möglichkeit, Integrationsfachdienste in Anspruch zu nehmen oder am saarländischen Teilhabeprogramm zu partizipieren.

Haben Menschen mit Behinderung in der heutigen Wirtschaftsgesellschaft überhaupt noch eine Chance, einen ihnen entsprechenden Arbeitsplatz zu bekommen?

Gütlein: Es ist richtig, dass die derzeitige Situation für Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt unbefriedigend ist. Das Ziel einer vorrangigen Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist nur in bescheidenem Umfang erreicht worden. Wir sind am Beginn einer demographischen Entwicklung, die es für viele Betriebe zunehmend schwieriger macht, Fachkräfte zu finden. Auf der Grundlage von Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, beispielsweise durch die Arbeitsagentur beziehungsweise die Arbeitgeber haben behinderte Menschen zukünftig bessere Chancen, einen entsprechenden dauerhaften Arbeitsplatz zu finden. Gleichzeitig müssen Arbeitgeber, beispielsweise durch Kampagnen, sensibilisiert und aufgeklärt werden, dass behinderte Menschen genauso leistungsfähig wie Mitarbeiter ohne Behinderung sind, wenn sie am richtigen Arbeitsplatz unter Einsatz moderner Techniken eingesetzt werden, der ihren Fähigkeiten entspricht. Menschen mit Behinderung sind hochmotiviert, weil ihnen eine Beschäftigung die entscheidende Chance zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eröffnet.

Gibt es im Saarland, insbesondere in der Saarpfalz sogenannte Integrationsbetriebe?

Gütlein: Integrationsprojekte sind spezielle Betriebe oder Abteilungen zur Beschäftigung von Menschen mit schwerer Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Für diese Betriebe gelten die Mechanismen der Marktwirtschaft, das heißt, sie müssen sich auf wettbewerbsfähige Strukturen und Wirtschaftlichkeit ausrichten. Im Saarland gibt es derzeit zehn Integrationsbetriebe, davon einen Lebensmittelmarkt in Homburg-Beeden.

Was muss sich ändern, damit Menschen mit Behinderungen mit Würde auf dem Arbeitsmarkt behandelt werden?

Gütlein: Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention haben sich die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesländer verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu etablieren. Für Menschen mit Behinderung sollen Bildungschancen und -gerechtigkeit im allgemeinen Bildungssystem eröffnet werden. Dadurch besteht die Chance, den derzeitigen Automatismus Förderschulen (ausgenommen Schulen für geistige Entwicklung) gleich Werkstatt für Menschen mit Behinderung zu unterbrechen. Je höherwertiger der Schulabschluss desto größer sind die Chancen, einen entsprechenden Ausbildungsplatz beziehungsweise später einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Durch die schrittweise Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wird für Menschen mit Behinderung eine inklusive Teilhabe am Arbeits- und Gesellschaftsleben erreicht. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung, damit Menschen mit Behinderungen mit Würde auf dem Arbeitsmarkt behandelt werden. "Menschen mit Behinderung sind genauso leistungsfähig

wie die Menschen ohne Behinderung, wenn sie am richtigen Arbeitsplatz

eingesetzt werden."

Wolfgang Gütlein, Landesbeauftragter

Zur Person

Wolfgang Gütlein, geb. 1952, ist verheiratet, ein Kind. Er lebt in Limbach. Querschnittslähmung infolge eines Freizeitunfalls. Er ist Betriebswirt. Von 1980 bis 1987 Kommunaler Behindertenbeauftragter der Landeshauptstadt Saarbrücken; von 1987 bis heute Landesbeauftragter des Saarlandes für die Belange von Menschen mit Behinderungen. jkn

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