Völklingen Wenn die Gichtbühne zur Kulisse wird

Völklingen · Das Saarländische Staatstheater eröffnete seine neue Saison in Corona-Zeiten mit einem originellen Parcours durch die Völklinger Hütte.

  Wo einst der Hüttenlärm dröhnte, erklangen am Sonntag Soprane und Tenöre des Saarländischen Staatstheaters bei Kostproben kommender Produktionen.

Wo einst der Hüttenlärm dröhnte, erklangen am Sonntag Soprane und Tenöre des Saarländischen Staatstheaters bei Kostproben kommender Produktionen.

Foto: Oliver Dietze

Was passiert, wenn zwei saarländische „Kulturtanker“ aufeinanderprallen? Zum Glück keine Katastrophe, im Gegenteil: Das Zusammenwirken von Saarländischem Staatstheater und Völklinger Hütte beim „Open Air Parcours“ sorgte für einen wunderbaren Kunstgenuss unter Einhaltung der Corona-Auflagen – und das bei angenehmen Temperaturen. „Das schreit nach Wiederholung“, meinte der Generalintendant Bodo Busse schon nach Ablauf von knapp über der Hälfte der vier Stunden Programm.

Das Konzept des Ganzen ist schnell erklärt: Auf dem Rundgang durch das Kulturerbe hatten sich an verschiedenen Stationen Ensembles oder Einzelkünstler des Staatstheaters aufgebaut und boten kurze Einblicke ins künstlerische Schaffen an. „Appetithäppchen“, wie Dramaturgin Simone Kranz meinte. Ausschnitte aus den Theaterproduktionen „Politiker“, „Glück“, „Nora“ oder „Gespräch mit einer Stripperin“ wurden ebenso präsentiert wie musikalische Darbietungen eines Horn-Quartetts, eines Fagott-Trios oder eines Oboen-Quartetts. Dazwischen konnte man einzelne Schauspieler wie beispielsweise Michael Wischniowski erleben, der auf einer ausrangierten Lokomotive ein Ständchen zur Ukulele gab. Oder Sparte4-Chef Thorsten Köhler, wie er aus einem Kindertheaterstück las.

Manches, wie der Ausschnitt aus „Glück“, ergab da ideales Straßentheater – und kaum war das vorbei, fingen mitten im Publikum die beiden Hauptdarsteller aus „Gespräch mit einer Stripperin“ einen lautstarken Streit an. Statisten mit den absurdesten Kostümen aus dem Staatstheaterfundus liefen gegen den Besucherstrom, der aufgrund des geschickten Konzepts nie zu einem Gedränge ausartete. Die Zuschauer waren nämlich dazu angehalten, nacheinander zu bestimmten Terminen zu erscheinen. Auf ein Programmheft wurde absichtlich verzichtet, um Aufläufe zu vermeiden, wie der Chef der Völklinger Hütte, Ralf Beil, erklärte. „Es sollte für die Besucher immer neue Überraschungen geben.“ So hielt sich auch der Andrang in Grenzen, als die vielleicht spektakulärsten Performances stattfanden: Direkt zu Beginn zeigten zwölf Tänzerinnen und Tänzer ein improvisiertes Ballett auf dem Erzplatz. „Wir haben bestimmte Anweisungen bekommen wie etwa jene, dass wir uns für eine Zeit in zwei Gruppen aufteilen. Ansonsten haben wir uns von der Atmosphäre inspirieren lassen“, meinte einer der Tänzer, Nobel Lakaev, hinterher. Die zweite Ballett-Einlage fand später auf dem Sinterturm statt, als sich neun Tänzerinnen und Tänzer zu den Rhythmen bewegten, die Martin Hennecke mit Stöcken auf dem Metallgeländer erzeugte.

Mehr Symbiose von Völklinger Hütte und Staatstheater war kaum vorstellbar. Das ließen sich auch Busse und Beil nicht entgehen. „Ich habe von den Besuchern eine sehr gute Resonanz bekommen“, frohlockte der Generalintendant, „sie lassen sich hier verzaubern in einer ganz entspannten Atmosphäre.“ Stimmt, hinter jeder Ecke lauerte etwas Neues und Anderes. Kein Programmheft in der Hand zu haben, nahm sicherlich den Stress, bloß nichts zu verpassen. Dann und wann hätte man sich dennoch gewünscht, etwas mehr Information zu erhalten über einzelne Darbietungen, ein Schild mit „Auszug aus dem Programm Soundso“ hätte da gute Dienste getan, auch wenn die SST-Mitarbeiter gerne Auskunft gaben.

Hübsch war auch die Idee, einen kleinen Blick hinter die Kulissen zu gestatten: So war in einem Raum die Werkstatt der Maskenbildner eingerichtet. Die Auszubildende Lara Biesel demonstrierte dort an einem Kunstkopf, wie Cruella De Vil aus „101 Dalmatiner“ geschminkt und frisiert wird. Summa summarum: Diese vier Stunden Weltkulturerbe plus Staatstheater ergaben viel Abwechslung, Überraschung und Unterhaltung – vielleicht haben die Besucher den Beginn einer neuen Reihe erlebt.

  Ein Steinbock in der Hütte? Der Theater-Parcours brachte auch ungewöhnliche Begegnungen.

Ein Steinbock in der Hütte? Der Theater-Parcours brachte auch ungewöhnliche Begegnungen.

Foto: Oliver Dietze

Montag, 24. August, startet der Vorverkauf für Vorstellungen im August, September und Oktober.  Tickets für November und Dezember gibt es ab 1. Oktober. Karten: Tel. (06 81) 30 92 486.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort