Festival „filmreif!“ in St. Ingbert Vom WG-Zimmer in den Weltraum

Saarbrücken/St. · Am Donnerstag beginnt in St. Ingbert das Festival „filmreif!“: mit 110 Produktionen, die jeweils nicht länger sind als 29 Minuten, von Filmemacherinnen und Filmemachern unter 30. Was gibt es zu sehen?

 Große Freiheit: Martina Ebm als Astronautin im Eröffnungsfilm „Proxima-B“ von Stefan Bürkner.

Große Freiheit: Martina Ebm als Astronautin im Eröffnungsfilm „Proxima-B“ von Stefan Bürkner.

Foto: Filmakademie Baden-Württemberg

  Ein Coup wäre es ja auch so gewesen, den Filmemacher Andreas Dresen („Sommer vorm Balkon“) in der Festivaljury zu haben. Aber dass Dresen mit seinem Film „Gundermann“ vor drei Wochen beim Deutschen Filmpreis sechs „Lolas“ gewann, macht seinen Besuch in St. Ingbert dann noch ein bisschen schöner. Dresen ist Mitglied der Jury beim Festival „filmreif!“, das von Donnerstag bis Sonntag läuft; eine Perle im Programm könnte die Gesprächsrunde mit Dresen werden, dem die Filmemacherin und Saarbrücker HBK-Professorin Sung-Hyung Cho „auf den Zahn fühlen“ will, wie das Festival ankündigt – am Samstag, 14.30 Uhr, auf der Kino-Bühne des Festivals am Markt.

Es ist die zweite Ausgabe von „filmreif!“. 2016 wollte der Bundesverband Deutscher Filmautoren sein Jugendfestival neu ausrichten. Der Saarbrücker Filmemacher Jörn Michaely („Ellen und Alan“) meldete sich beherzt, rannte mit einer Festival-Idee in St. Ingbert dort „verdammt offene Türen“ ein, wie er sagt, und stellte das Festival dort 2018 als Künstlerischer Leiter auf die Beine; zusammen mit Fabian Roschy als Leiter der Organisation und einem rührigen Team – allesamt unterfüttert von ehrenamtlichem Kino-Enthusiasmus. Das Debüt wurde ein Erfolg, bei der zweiten Ausgabe haben sich die Einreichungen fast verdoppelt, von knapp 300 beim Auftakt auf nun 541. Die einzige Vorgabe: Die Filme dürfen nicht länger sein als 29 Minuten, die Filmemacherinnen und Filmemacher nicht älter als 29. Neu diesmal ist unter anderem ein Trash­film-Abend in Zusammenarbeit mit der Sparte 4  des Staatstheaters und, unter dem Titel „junger pitch“, die Möglichkeit für  Drehbuchautorinnen und -autoren, ihre Ideen Produzenten vorzustellen. Auch der Programmpunkt „junger Clip!“ mit Musikvideos ist eine Neuerung.

110 Produktionen laufen in der Stadthalle, am Markt und in der Kinowerkstatt. Einige Filme konnten wir vorab sehen – darunter das halbstündige Weltall-Kammerspiel „Proxima-B“, das am Donnerstag  das Festival eröffnet. Stefan Bürkner (Buch und Regie) lässt künstliche und organische Intelligenz aufeinanderprallen. Eine Astronautin fühlt sich nach langer Reise am Ziel ihrer Wünsche: ein Planet für sich ganz alleine, die ganz große Freiheit. Doch Person zwei an Bord ist eine Maschine in Menschengestalt, die die allzu emotionalen Entscheidungen der Kollegin zunehmend misstrauisch beäugt. Der Film erschafft einen schönen Kontrast zwischen der Enge des halbdunklen Raumschiffs und der (gut getricksten) Freiheitsweite des Alls. Und es bleibt die Frage: Ist uns die künstliche Intelligenz letztlich eine Nasenspitze voraus?

Vom dunklen All in sommerlich lichtdurchflutete WG-Zimmer führt uns „Summer Hit“ von Berthold Wahjudi. Isländer Emil und Spanierin Laia lernen sich in München beim einjährigen Erasmus-Programm kennen und haben das, was Laia „ein Sommerding“ nennt. Emils Liebeserklärung kontert sie mit „ja, äh, hast Du auch Hunger?“. Man ahnt:  Liebe ist komplizierter als Libido. Das ist nun kein neues Thema, ob im Leben oder im Kino. Aber Wahjudi (auch Drehbuch) erzählt das in 19 Minuten mit luftiger Lockerheit, Witz, zarter Jazzuntermalung und nicht zuletzt mit leichter Melancholie des Abschieds: Eine Zeit geht zuende, könnte ein Anfang für etwas Neues sein – je nachdem, wie man sich entscheidet. Aber man muss das eben tun, auch wenn das schwerfällt.

Souverän, schnörkellos und dicht erzählt ist der zehnminütige Film „Unter Schülern“ von Jannik Gensler (Buch und Regie). Ein Schüler wird immer wieder homophob gemobbt, ein Lehrer greift nicht ein. Aus Angst? Aus Gleichgültigkeit? Ein berührender Film mit ungewöhnlichen und prägnanten Perspektiven (Kamera: Dennis Banemann) und einer fast dokumentarisch wirkenden Atmosphäre. Eine Entdeckung bei diesem rührigen Festival, und sicher nicht die einzige.

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